Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 143/2004
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I 143/04

Urteil vom 5. August 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Grünvogel

K.________, 1957, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Michael
Weissberg, Zentralstrasse 47, 2502 Biel,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 4. Februar 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1957 geborene K.________, von Beruf Schreiner, spezialisierte sich im
Anschluss an einen im Jahre 1990 erlittenen Unfall auf die selbstständige
Herstellung von Türen. Er bezieht von der Invalidenversicherung eine
Viertelsrente mit entsprechenden Zusatzrenten. Nachdem er eine
Verschlechterung des Gesundheitszustandes geltend gemacht hatte, liess die
IV-Stelle Bern ihn medizinisch und beruflich abklären. Dabei wurde als
Berufsexperte H.________, diplomierter Schreinermeister, beigezogen. Mit
Verfügungen vom 24., 25. und 26. Oktober 2000 sprach die IV-Stelle K.________
gestaffelte berufliche Massnahmen zu, die ihn befähigen sollten, seinem
Einmannbetrieb als Selbstständigerwerbender eine den gesundheitlichen
Beeinträchtigungen besser angepasste Arbeits- und Auftragsstruktur zu geben.

B.
Auf eine gegen sämtliche Verfügungen erhobene Beschwerde trat das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern wegen fehlendem Rechtsschutzinteresse am
5. September 2001 nicht ein, worauf K.________ an das Eidgenössische
Versicherungsgericht gelangte. Dieses hob den kantonalen Gerichtsentscheid
auf und wies das Verwaltungsgericht an, in der Sache materiell zu befinden.
Das kantonale Gericht hat am 4. Februar 2004 den entsprechenden Entscheid
gefällt und die Beschwerde abgewiesen.

C.
K. ________ lässt dagegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag
um Aufhebung des angefochtenen Entscheids wie auch der Verfügungen vom 24.,

25. und 26. Oktober 2000.

IV-Stelle und Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine
Stellungnahme.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Wie das kantonale Gericht zu Recht festgehalten hat, ist das am 1.
Januar
2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall
nicht anwendbar, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung (Oktober 2000) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2). Dasselbe gilt für die Rechtssätze der auf den
1. Januar 2004 in Kraft getretenen 4. IVG-Revision.

1.2  Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf
Eingliederungsmassnahmen (Art. 8 Abs. 1 IVG), insbesondere auf berufliche
Umschulung (Art. 17 IVG; BGE 124 V 110 Erw. 2 mit Hinweisen; AHI 2001 S. 229
Erw. 2c, 2000 S. 61 f. Erw. 1, 1997 S. 80 Erw. 1b) zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass die Invalidenversicherung gemäss
Art. 6 Abs. 3 IVV die Kosten für die Ausbildung übernimmt, wenn eine
versicherte Person Anspruch auf Umschulung hat.

2.
2.1 In den drei angefochtenen Verfügungen wird eine Gutsprache für Kosten
geleistet, die durch den Einsatz von H.________, dipl. Schreinermeister, als
Vorbereiter und Begleiter für die Umstellung des Kleinbetriebs des
Versicherten von Bauschreinerarbeiten auf die Fertigung von Kleinmöbeln,
Halbfabrikaten oder Spielwaren entstehen. Dabei wird zwischen drei Phasen
unterschieden: Die Phase 1 dient gemäss dem von der IV-Stelle genehmigten
Vorschlag von H.________ vom 18. September 2000 der Evaluation von zur
Herstellung geeigneten Produkten und wird mit einem Zwischenbericht über den
Projektstand, die Zielerreichung und das weitere Vorgehen abgeschlossen. Die
nächste Phase hat das Akquirieren von Kunden mit Vertragsabschluss zum
Gegenstand und wird ebenfalls mit einem Zwischenbericht im erwähnten Sinne
beendet, ehe in einem letzten Schritt die Produktion vor Ort vorbereitet und
der Versicherte diese in Begleitung von H.________ schliesslich aufnehmen
soll. Die den einzelnen Phasen zu Grunde gelegten Ziele sind im der IV-Stelle
eingereichten Lösungsvorschlag von H.________ vom 31. Mai 2000 näher
umschrieben: u.a. sollen mit Abschluss der mittleren Phase
(Zusammen-)Arbeitsverträge über vier bis fünf Produkte vorliegen. Bis zu
diesem Zeitpunkt ist der Beschwerdeführer in das Projekt nur marginal
eingebunden. Erst danach wird der Betrieb physisch auf die Herstellung der
neuen Produkte ausgerichtet.

Selbstredend wird die IV-Stelle die Umschulungsmassnahme nicht weiterführen
oder den geänderten Verhältnissen anpassen (etwa durch das Verlängern der
Phase 2), wenn der Erfolg der beruflichen Massnahme zu diesem Zeitpunkt nicht
absehbar ist, z.B. weil sich entgegen der durch Zustimmung zu Stande
gekommenen Leistungsvereinbarung mit H.________ keine oder nicht genügend
Auftraggeber finden lassen, die für eine erfolgreiche Neuausrichtung des
Betriebs erforderlich wären.
Zwar hat der Beschwerdeführer während den durch die Kostengutsprachen
abgedeckten Massnahmen keine Möglichkeiten, sich gegen deren Fortsetzung mit
einem Rechtsmittel zur Wehr zu setzen; indessen wird auch die IV-Stelle - wie
bereits angesprochen - kein Interesse haben, die Umschulung zu Ende zu
führen, wenn trotz Aufbringens allen guten Willens durch den Versicherten
keine Aussicht auf Erfolg besteht. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten wird
aber allein Sache der IV-Stelle sein. Dem Versicherten stünde bei
abweichender Auffassung einzig die Möglichkeit der Weigerung offen, mit der
Konsequenz, dass er sich - nach durchgeführten Mahn- und Bedenkzeitverfahren
- fortan den hypothetischen Abschluss der Umschulung entgegenhalten lassen
müsste, so etwa bei der Invaliditätsbemessung.

2.2  Dem Beschwerdeführer ist die aktuell ausgeübte Tätigkeit aus
gesundheitlicher Sicht nicht mehr in allen Teilen zuzumuten. Er ist auf die
Mithilfe eines Dritten angewiesen. Die Anstellung eines Hilfsarbeiters ist
aber aus betriebswirtschaftlichen Gründen unwidersprochenerweise nicht
denkbar. Im Moment kann der Versicherte noch mit der Unterstützung seines
heute ca. 80-jährigen Vaters rechnen. Mit Blick auf die dem Beschwerdeführer
noch offen stehenden produktiven Jahre ist diese Lösung aber nicht
zukunftsträchtig. Umgekehrt erscheint die vorgesehene Umstellung der
Produktion als dem Leiden angepasst und eröffnet die Möglichkeit evt. gar ein
rentenausschliessendes Einkommen zu erzielen. Daher lassen sich die verfügten
Kostengutsprachen nicht beanstanden. Es ist auf den einlässlich begründeten
Entscheid der Vorinstanz zu verweisen. Dem Einwand des Beschwerdeführers, mit
im Ausland industriell hergestellten Halbfabrikaten könne er niemals
erfolgreich konkurrieren, wird H.________ bei der Evaluation der Produkte
Rechnung tragen, hat er doch selbst im Lösungsvorschlag vom 31. Mai 2000 auf
diese Problematik hingewiesen. Endlich trifft zu, dass H.________ in seinem
ersten Bericht vom 29. März 2000 ein Weiterführen der bisherigen Tätigkeit
empfahl, dies aber gleichzeitig als nicht optimal bezeichnete. Durch die
vorgesehene Massnahme soll das bisherige Einkommen längerfristig gesichert
und allenfalls verbessert werden. Demzufolge wäre es falsch, mit der
Umschulung zuzuwarten, bis der Vater keine Hilfestellung mehr bieten kann und
sich die gesundheitliche wie auch finanzielle Situation des Beschwerdeführers
weiter verschlechtert hat.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 5. August 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: