Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 142/2004
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Prozess {T 7}
I 142/04

Urteil vom 19. September 2006

I. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari, Schön, Borella und Frésard;
Gerichtsschreiber Flückiger

A.________, 1975, Beschwerdeführer, vertreten
durch die Schweizer Paraplegiker-Vereinigung, Dr. Joseph Hofstetter,
Rechtsanwalt, Kantonsstrasse 40, 6207 Nottwil,

gegen

IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 12. Februar 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1975 im damaligen Jugoslawien geborene A.________ reiste am 15. April
1990 in die Schweiz ein. Am 15. August 1990 erlitt er während eines
Ferienaufenthaltes in Bulgarien einen Badeunfall. Seither leidet er an
Tetraplegie. Mit Verfügung vom 23. Januar 1991 lehnte die IV-Stelle Luzern
ein Gesuch um Zusprechung von Rehabilitationsmassnahmen sowie eines
Rollstuhls mit der Begründung ab, die versicherungsmässigen Voraussetzungen
seien nicht erfüllt. In den folgenden Jahren sprach die Verwaltung dem
Versicherten verschiedene Leistungen zu (andere Hilfsmittel, erstmalige
berufliche Ausbildung, bauliche Massnahmen, Rente, Hilflosenentschädigung).
Mit Verfügung vom 6. September 2002 lehnte sie jedoch einen neuen Antrag um
Abgabe eines Rollstuhls wiederum ab mit der Begründung, beim seinerzeitigen
Eintritt der anspruchsspezifischen Invalidität seien die
versicherungsmässigen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern ab (Entscheid vom 12. Februar 2004).

C.
A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es sei
ihm das beantragte Hilfsmittel zuzusprechen; eventuell sei die Sache zur
Neubeurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen.
Die Vorinstanz beantragt die Gutheissung der Beschwerde für den Fall, dass
der Beschwerdeführer, wie behauptet, vor dem Erlass der Verwaltungsverfügung
die schweizerische Staatsangehörigkeit erworben habe. Die IV-Stelle schliesst
auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung.
Nach Art. 132 Abs. 1 OG in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes
vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG (in Kraft seit 1. Juli 2006)
kann das Eidgenössische Versicherungsgericht in Verfahren um die Bewilligung
oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in Abweichung von den Art. 104
und 105 OG auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung beurteilen
und ist an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden.
Gemäss Art. 132 Abs. 2 OG gelten diese Abweichungen nicht, wenn der
angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung betrifft. Nach
Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 ist indessen auf die
im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Eidgenössischen
Versicherungsgericht hängigen Beschwerden bisheriges Recht anwendbar. Da die
hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen
Versicherungsgericht hängig war, richtet sich dessen Kognition noch nach der
bis Ende Juni 2006 gültigen Fassung von Art. 132 OG, welche dem neuen Abs. 1
entspricht.

2.
Das kantonale Gericht hat mit Recht festgehalten, dass das am 1. Januar 2003
und damit nach dem Erlass der Verfügung vom 6. September 2002 in Kraft
getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 nicht anwendbar ist (BGE
129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1). Gleiches gilt für die am 1. Januar
2004 in Kraft getretenen Änderungen des Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung vom 21. März 2003 und der Verordnung über die
Invalidenversicherung vom 21. Mai 2003. Zutreffend dargelegt hat die
Vorinstanz auch die Bestimmung und die Rechtsprechung zum Begriff der
Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG; BGE 105 V 60) sowie deren Eintritt im
Zusammenhang mit dem Anspruch auf Hilfsmittel (BGE 105 V 60 Erw. 2a mit
Hinweisen; vgl. auch BGE 108 V 63 Erw. 2b). Zu ergänzen ist, dass der
Versicherte im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste Anspruch auf
jene Hilfsmittel hat, deren er für die Ausübung der Erwerbstätigkeit oder der
Tätigkeit in seinem Aufgabenbereich, für die Schulung, die Ausbildung oder
zum Zwecke der funktionellen Angewöhnung bedarf (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 IVG).
Rollstühle sind unter Ziffer 9 der Liste im Anhang zur Verordnung über die
Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HVI) aufgeführt.

3.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf ein Hilfsmittel in Form eines
Rollstuhls. Die IV-Stelle verweigerte die Leistung mit der Begründung, bei
Eintritt der anspruchsspezifischen Invalidität seien die
versicherungsmässigen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen, und dies
schliesse auch eine spätere Geltendmachung desselben Anspruchs aus. Der
Beschwerdeführer macht geltend, diese Argumentation sei nicht mehr zulässig,
da die Versicherungsklausel im IVG zwischenzeitlich gestrichen worden sei.
Ausserdem habe er im Mai 2002 die schweizerische Staatsbürgerschaft erworben.

4.
4.1 Gemäss Art. 6 Abs. 1 Satz 1 IVG in der bis 31. Dezember 2000 gültig
gewesenen Fassung hatten Anspruch auf Leistungen gemäss den nachstehenden
Bestimmungen alle bei Eintritt der Invalidität versicherten Schweizer Bürger,
Ausländer und Staatenlosen. Ausländische Staatsangehörige waren,
vorbehältlich Art. 9 Abs. 3, nur anspruchsberechtigt, solange sie ihren
Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hatten und sofern sie bei
Eintritt der Invalidität während mindestens eines vollen Jahres Beiträge
geleistet oder sich ununterbrochen während zehn Jahren in der Schweiz
aufgehalten hatten (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 IVG in der vom 1. Januar 1997 bis
31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung). Ausländer vor dem vollendeten
20. Altersjahr mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz hatten
laut Art. 9 Abs. 3 IVG Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, wenn entweder
sie selbst die Voraussetzungen gemäss Art. 6 Abs. 2 erfüllten oder wenn
erstens bei Eintritt der Invalidität Vater oder Mutter versichert waren und
als Ausländer während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet oder
sich ununterbrochen während zehn Jahren in der Schweiz aufgehalten hatten
(lit. a) und (kumulativ) zweitens sie selbst in der Schweiz invalid geboren
waren oder sich bei Eintritt der Invalidität seit mindestens einem Jahr oder
seit der Geburt ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten hatten (lit. b
Satz 1). Schweizer Bürger vor dem vollendeten 20. Altersjahr ohne Wohnsitz in
der Schweiz waren - abweichend vom Grundsatz, wonach die
Versicherteneigenschaft bei Nichterwerbstätigen vom Wohnsitz abhängig ist
(Art. 1 IVG [in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung] in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 AHVG) - hinsichtlich der
Eingliederungsmassnahmen den Versicherten gleichgestellt, sofern sie sich in
der Schweiz aufhielten (Art. 9 Abs. 2 Satz 1 IVG).

4.2 Wann der Versicherungsfall eingetreten ist, beurteilt sich für jede
Leistungsart einzeln (BGE 126 V 242 Erw. 4, 121 V 270 oben). Mit Bezug auf
Hilfsmittel ist entscheidend, in welchem Moment der Gesundheitsschaden
objektiv erstmals ein solches Gerät notwendig macht, wobei dieser Zeitpunkt
nicht zwingend mit demjenigen der erstmaligen Behandlungsbedürftigkeit
übereinstimmen muss (BGE 108 V 63 Erw. 2b, 105 V 60 Erw. 2a; ZAK 1992 S. 361
Erw. 2; SVR 1998 IV Nr. 9 S. 36 Erw. 2b/aa). Dies war vorliegend, wie das
kantonale Gericht zutreffend erwogen hat, vor dem 15. April 1991 und damit
vor Ablauf eines Jahres seit der Einreise des Beschwerdeführers in die
Schweiz der Fall. Weil somit die Voraussetzung des mindestens einjährigen
Aufenthaltes vor Eintritt des Versicherungsfalls (Art. 9 Abs. 3 lit. b IVG)
nicht erfüllt war, bestand trotz Erfüllung der übrigen Kriterien (mindestens
einjährige Beitrags- und zehnjährige Aufenthaltsdauer eines Elternteils) kein
Anspruch auf einen Rollstuhl.

5.
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die zwischenzeitliche
Abschaffung der Versicherungsklausel habe den Anspruch auf einen Rollstuhl
entstehen lassen.

5.1 Auf den 1. Januar 2001 wurden die Bestimmungen des AHVG über die
freiwillige Versicherung revidiert. Damit einher gingen auch Änderungen des
IVG, welche sich unter dem Stichwort "Aufhebung der Versicherungsklausel"
zusammenfassen lassen. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 IVG lautet seither wie folgt:
"Schweizerische und ausländische Staatsangehörige sowie Staatenlose haben
Anspruch auf Leistungen gemäss den nachstehenden Bedingungen." Art. 6 Abs. 2
Satz 1 IVG blieb unverändert; für Erwachsene gilt demnach insbesondere
weiterhin die Anspruchsvoraussetzung einer einjährigen Beitrags- oder
zehnjährigen Aufenthaltsdauer bei Invaliditätseintritt. Bezüglich der
Eingliederungsmassnahmen im Besonderen wurde Art. 9 Abs. 2 IVG aufgehoben. In
Art. 9 Abs. 3 lit. a IVG, welcher die Versicherten ausländischer
Staatsangehörigkeit betrifft, die das 20. Altersjahr noch nicht vollendet
haben, wurde die Voraussetzung der Versicherteneigenschaft eines Elternteils
gestrichen. Es reicht nunmehr aus, wenn der Vater oder die Mutter, falls sie
ausländische Staatsangehörige sind, bei Eintritt der Invalidität während
mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet oder sich ununterbrochen
während zehn Jahren in der Schweiz aufgehalten haben. Die Voraussetzungen,
welche überdies in der Person der Leistungsansprecherin oder des
Leistungsansprechers selbst erfüllt sein müssen (Art. 9 Abs. 3 lit. b Satz 1
IVG), insbesondere das bei im Ausland geborenen Versicherten bestehende
Erfordernis des mindestens einjährigen Aufenthalts in der Schweiz vor
Eintritt der Invalidität, blieben dagegen unverändert.

5.2 Die dargestellte Gesetzesänderung ist nicht geeignet, den Anspruch einer
versicherten Person ausländischer Staatsangehörigkeit in der Situation des
Beschwerdeführers auf den streitigen Rollstuhl zu begründen. Das Gesetz
verlangt weiterhin einen mindestens einjährigen Aufenthalt in der Schweiz vor
Eintritt der Invalidität. Diese Voraussetzung kann von der Natur der Sache
her nicht nachträglich erfüllt werden. Das entsprechende Anspruchshindernis
besteht nach wie vor.

6.
Der Beschwerdeführer macht letztinstanzlich erstmals geltend, er habe im Mai
2002, also vor dem Erlass der Verwaltungsverfügung vom 6. September 2002, die
schweizerische Staatsangehörigkeit erworben. Dies wird durch die
eingereichten Kopien der Einbürgerungsbewilligung, des
Schriftenempfangsscheins und eines Auszugs aus dem Reisepass belegt.

6.1 In BGE 108 V 63 f. Erw. 4 erkannte das Eidgenössische
Versicherungsgericht ebenfalls im Zusammenhang mit dem Anspruch auf ein
Hilfsmittel, der Umstand, dass die 1947 geborene, bei Invaliditätseintritt
12-jährig und im Ausland wohnhaft gewesene, später in die Schweiz
übersiedelte Beschwerdeführerin im Jahr 1976 durch Heirat das schweizerische
Bürgerrecht erworben habe, ändere nichts daran, dass die
versicherungsmässigen Voraussetzungen gemäss Art. 6 Abs. 1 IVG bei Eintritt
der Invalidität nicht vorgelegen hätten, und verschaffe ihr deshalb keinen
Leistungsanspruch (vgl. auch BGE 126 V 10 unten, 111 V 113 Erw. 3d).
Demgegenüber wurde in BGE 111 V 116 Erw. 4d entschieden, der Anspruch einer
minderjährigen Person, welche nach Eintritt der Invalidität das Schweizer
Bürgerrecht erwarb, auf Eingliederungsmassnahmen bestehe - vorbehältlich der
übrigen Erfordernisse - unabhängig davon, ob die Voraussetzungen von Art. 6
Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 IVG erfüllt seien. Das Gericht stützte sich dabei
auf eine Analogie zu (dem in Erw. 4.1 hiervor am Ende zitierten) Art. 9
Abs. 2 IVG (BGE 111 V 114 ff. Erw. 4).

6.2 Am 1. Juni 2002 ist das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit
(FZA [SR 0.142.112.681]) in Kraft getreten. Dieses Vertragswerk und die
Koordinierungsverordnungen (Verordnungen Nr. 1408/71 und Nr. 574/72), auf
welche das Abkommen Bezug nimmt, sind im Rahmen der am 6. September 2002
erfolgten Anspruchsbeurteilung zu berücksichtigen (BGE 128 V 320 ff. Erw. 1e;
Art. 80a IVG). Die erwähnten Rechtsquellen könnten prinzipiell insofern
relevant sein, als sich die Frage nach einer Inländerdiskriminierung stellt,
falls einem EU-Bürger in der gleichen Situation aus dem Abkommen
weitergehende Ansprüche erwachsen sollten, als sie dem Beschwerdeführer als
Schweizer Bürger zustehen. Anspruchsgrundlage bilden in dieser Konstellation
die bilateralen Abkommen - ein daraus resultierender Anspruch einer
Vergleichsperson ist vorfrageweise zu prüfen - in Verbindung mit dem
Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 1 und 2 BV (vgl. BGE 129 II 260 f.
Erw. 4.3, 263 Erw. 5.4).
Europarechtlich ist eine Person, welche sich als Angehörige eines
EU-Mitgliedstaates ausweist, als solche zu behandeln. Eine andere
Staatsangehörigkeit kann ihr nicht entgegengehalten werden (vgl. Urteil des
EuGH vom 7. Juli 1992 in der Rechtssache C-369/90, Micheletti, Slg. 1992,
I-4239, Randnr. 14 f.). Der nach der zitierten Rechtsprechung (BGE 108 V 63
f. Erw. 4) entscheidende Gesichtspunkt, dass der Erwerb des schweizerischen
Bürgerrechts erst nach dem Invaliditätseintritt erfolgt ist, bildet demnach
im Kontext der bilateralen Abkommen kein zulässiges Kriterium. Es erscheint
allerdings als fraglich, ob ein EU-Bürger in der Situation des
Beschwerdeführers Anspruch auf einen Rollstuhl hätte: Eine Person, welche im
Jahr 1990 aus Jugoslawien nicht in die Schweiz, sondern in einen (heutigen)
EU-Mitgliedstaat eingereist wäre, im Jahr 2002 dessen Nationalität erworben
hätte und anschliessend als - weiterhin - Nichterwerbstätige in die Schweiz
gezogen wäre, fiele wohl nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung
Nr. 1408/71. Ob sich direkt aus dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des
Art. 2 FZA ein Anspruch auf die streitige Leistung ableiten liesse, ist
ebenfalls unklar. Im Schrifttum wird ein vom Zeitpunkt des Risikoeintritts
unabhängiger Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen denn auch nur für
erwerbstätige oder erwerbstätig gewesene EU-Staatsangehörige bejaht
(Alessandra Prinz, Auswirkungen des Freizügigkeitsabkommens auf die AHV- und
IV-Leistungen, in: Soziale Sicherheit 2002 S. 80 ff., 82). Die Frage nach dem
Vorliegen einer Inländerdiskriminierung und damit einer allfälligen
Anwendbarkeit von Art. 8 BV ist jedoch nicht näher zu prüfen, da sich der
Anspruch auf den Rollstuhl im Verfügungszeitpunkt bereits aus dem internen
Gesetzesrecht ergibt.

6.3 Die Rechtsprechung, wonach der spätere Erwerb des schweizerischen
Bürgerrechts die anspruchshindernde Wirkung des Fehlens ausländerspezifischer
versicherungsmässiger Voraussetzungen grundsätzlich nicht (auch nicht mit
Wirkung für die Zukunft) zu beseitigen vermag, wurde im Jahr 1978 begründet
(ZAK 1979 S. 117), 1982 bestätigt (BGE 108 V 63 f. Erw. 4) und in späteren
Urteilen wiedergegeben (BGE 111 V 113 Erw. 3d, 126 V 10 unten). Die
zwischenzeitlich erfolgte Abschaffung der Versicherungsklausel (Erw. 5.1
hiervor) ist Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, den
versicherungsmässigen Voraussetzungen nicht mehr dieselbe Bedeutung
beizumessen wie damals. Dementsprechend kann das Fehlen eines
versicherungsmässigen Erfordernisses bei Invaliditätseintritt eine
Anspruchsentstehung nicht mehr unter allen Umständen und unabhängig von
späteren Veränderungen des Sachverhalts generell und für unbeschränkte Zeit
ausschliessen. Mit dieser neuen Rechtslage lässt es sich nicht vereinbaren,
einem schweizerischen Staatsbürger Eingliederungsmassnahmen in Form eines
Hilfsmittels einzig deshalb zu verweigern, weil er bei Eintritt der
diesbezüglichen Invalidität als minderjähriger Ausländer das
Aufenthaltserfordernis nach Art. 9 Abs. 3 lit. b IVG nicht erfüllt hatte. Die
Anspruchsbeurteilung hat in dieser Konstellation für die Zeit ab dem Erwerb
des Bürgerrechts nach den für schweizerische Staatsangehörige geltenden
Regeln zu erfolgen.

6.4 Die für einen schweizerischen Staatsbürger geltenden
Anspruchsvoraussetzungen in Bezug auf einen Rollstuhl waren bei Erlass der
Verfügung vom 6. September 2002 erfüllt. Dies führt zur Gutheissung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

7.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG in der hier anwendbaren [Erw. 1
hievor], bis 30. Juni 2006 gültig gewesenen Fassung). Der obsiegende
Beschwerdeführer hat Anspruch auf eine Parteientschädigung zu Lasten der
IV-Stelle (Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG). Eine
Parteientschädigung für das vorinstanzliche Verfahren rechtfertigt sich
dagegen nicht, da das kantonale Gericht vom Erwerb des schweizerischen
Bürgerrechts nichts wissen konnte und auf der Grundlage des ihm bekannten
Sachverhalts an sich richtig entschieden hat (vgl. Art. 159 Abs. 5 in
Verbindung mit Art. 156 Abs. 6 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, vom 12. Februar 2004 und die Verfügung der IV-Stelle Luzern vom
6. September 2002 aufgehoben und es wird festgestellt, dass der
Beschwerdeführer Anspruch auf das streitige Hilfsmittel (Rollstuhl) hat.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem
Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Luzern und dem
Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 19. September 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der I. Kammer: Der Gerichtsschreiber: