Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 114/2004
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I 114/04

Urteil vom 26. August 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiber Hadorn

A.________, 1949, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno
Häfliger, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern,

gegen

IV-Stelle des Kantons Graubünden, Ottostrasse 24, 7000 Chur,
Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur

(Entscheid vom 21. November 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügungen vom 16. Mai 2003 sprach die IV-Stelle des Kantons Graubünden
A.________ (geb. 1949) eine ganze Invalidenrente für die Zeitspanne vom 1.
Juli 2000 bis 30. April 2001 sowie eine halbe IV-Rente vom 1. Mai bis 31.
Juli 2001 zu. Mit Einspracheentscheid vom 14. August 2003 bestätigte die
IV-Stelle diese Verfügungen.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden mit Entscheid vom 21. November 2003 ab.

C.
A. ________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei
ihm für die Periode vom 1. Mai bis 31. Juli 2001 eine ganze statt einer
halben und ab 1. August 2001 eine ganze IV-Rente auszurichten.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Verwaltungsgericht hat die in zeitlicher Hinsicht anwendbaren
gesetzlichen Bestimmungen zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der
Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG; vgl. auch altArt. 28 Abs. 1,
1bis und 2 IVG) sowie die dazu ergangene Rechtsprechung richtig dargelegt.
Darauf wird verwiesen. Ferner trifft zu, dass die am 1. Januar 2004 in Kraft
getretenen Änderungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom
21. März 2003 und der Verordnung über die Invalidenversicherung vom 21. Mai
2003 nicht zur Anwendung gelangen (BGE 129 V 4 Erw. 1.2).

2.
Streitig und zu prüfen ist der Invaliditätsgrad.

2.1  Der Beschwerdeführer erlitt am 9. April 1999 und am 10. September 2000
je
einen Auffahrunfall. Gemäss zwei Gutachten von Prof. M.________, Spezialarzt
FMH für Neurologie vom 8. November 2000 und 22. Juni 2001 sowie einem
zusätzlichen Schreiben dieses Experten vom 30. September 2001 ist der
Versicherte "bei sehr grosszügiger Wertung der subjektiven Angaben"
unfallbedingt dauernd zu 15%, "allerhöchstens" zu 20% arbeitsunfähig.
Verwaltung und Vorinstanz stützten sich auf diese Unterlagen, um auf den
verfügten Rentenanspruch zu kommen.

2.2  Der Beschwerdeführer bestreitet, dass auf diese Expertisen abgestellt
werden könne. Insbesondere habe die Invalidenversicherung auch nicht
unfallbedingte Leiden berücksichtigen, während Prof. M.________ lediglich die
reinen Unfallfolgen geprüft habe. Daher verlangt der Versicherte unter
anderem eine psychiatrische Untersuchung. Da keine Anzeichen für ein
psychisches Leiden bestehen (Prof. M.________ bezeichnet den Versicherten im
Gutachten vom 8. November 2000 als psychisch "absolut unauffällig"; einzig im
Bericht von Dr. med. T.________, Spezialarzt für Neurologie FMH vom 30.
Oktober 2001 wird eine Vergesslichkeit erwähnt), erübrigt sich jedoch eine
entsprechende Begutachtung. Das nichtssagende Zeugnis von Dr. med.

Z. ________, Allgemeine Medizin FMH vom 12. April 2001 enthält weder
Diagnosen
noch Begründung und ist daher nicht geeignet, die einlässlichen Angaben von
Prof. M.________ in Frage zu stellen. Entgegen der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat der Professor die unfallfremden Faktoren
nicht ausser Acht gelassen. In beiden Gutachten weist er ausdrücklich auf die
keineswegs blande Anamnese und insbesondere auf die seit der Kindheit
bestehende Verkürzung des linken Beines hin. Indessen geht der Experte davon
aus, dass diese vorbestehenden Leiden bisher beschwerdefrei gewesen seien und
die Arbeitsfähigkeit nicht beeinträchtigt hätten. Im Gutachten vom 8.
November 2000 bezeichnet er es als unwahrscheinlich, dass eine über das
Ausmass von 25% hinausgehende Arbeitsunfähigkeit verbleiben würde. Ausserdem
schlug er mehrere Therapien zur Besserung der durch die Beinverkürzung
verursachten Leiden vor. Unter solchen Umständen kann auf weitere
medizinische Abklärungen verzichtet werden. Es ist nicht zu erwarten, dass
sich dabei selbst in Berücksichtigung der gesamten gesundheitlichen
Beeinträchtigungen und sämtlicher Unfälle eine signifikant höhere
Arbeitsunfähigkeit ergäbe. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der
Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nach den Unfällen schrittweise
gebessert hat. Daran vermögen auch die neu eingereichten Belege der
Physiotherapie Albula nichts zu ändern. Sie wurden nach dem Datum des
Einspracheentscheides erstellt, welches die zeitliche Grenze der
richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet (BGE 116 V 248 Erw. 1). Ausserdem
enthalten sie keine Angaben zur Arbeits(un)fähigkeit.

2.3  In wirtschaftlicher Hinsicht macht der Beschwerdeführer geltend, er sei
inzwischen nicht mehr als selbstständiger Steinmetz, sondern nur noch als
Angestellter im selben Betrieb beschäftigt und verdiene bloss noch Fr. 2000.-
im Monat. Hier ist dem Versicherten zu entgegnen, dass er im Rahmen der ihm
zumutbaren Schadenminderungspflicht (BGE 113 V 28 Erw. 4a) gehalten ist, auf
dem gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt nach einer geeigneten Tätigkeit
Ausschau zu halten, notfalls auch in anderen Berufen. Die Arbeit eines
Steinmetz ist als körperlich eher schwere Tätigkeit nicht unbedingt den
Leiden des Versicherten angepasst. Gemäss Prof. M.________ beträgt seine
Arbeitsfähigkeit als selbstständiger Steinmetz noch 80-85%. Daraus ist zu
folgern, dass leichtere Arbeiten umso mehr zumutbar bleiben. Wenn der
Beschwerdeführer schon die selbstständige Tätigkeit als Steinmetz angeblich
aus gesundheitlichen Gründen aufgibt, ist nicht verständlich, weshalb er
danach die selbe Tätigkeit als Angestellter ausübt, statt in einen seinen
Leiden besser angepassten Beruf zu wechseln. Er verwertet demzufolge die ihm
verbliebene Arbeitsfähigkeit nicht optimal. Alternative Tätigkeiten kämen
durchaus in Frage. Aus der Anamnese der Gutachten von Prof. M.________ ergibt
sich, dass der Beschwerdeführer bereits in unterschiedlichen Berufen tätig
war. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt existieren Stellen, in welchen er die
verbliebene hohe Arbeitsfähigkeit besser verwerten könnte als mit der
Anstellung als Steinmetz in seiner eigenen Firma, wo er auch vor den Unfällen
nie viel Gewinn erzielt hat. Gemäss den in der Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung (LSE) 2000 enthaltenen Tabellenlöhnen verdienten Männer
in einfachen und repetitiven Tätigkeiten monatlich Fr. 4437.- oder Fr.
53'244.- im Jahr. Dies ergibt im Vergleich zu dem als selbstständiger
Steinmetz erzielten Verdienst (1997: Fr. 24'440.-; 1998: Fr. 7623.-; 1999:
Fr. 33'600.- gemäss Eintragungen im Individuellen Konto) auch bei für den
Beschwerdeführer günstigsten Annahmen bei weitem keinen Anspruch auf eine
Invalidenrente mehr. Wird von den Zahlen ausgegangen, welche die IV-Stelle in
ihrer Vernehmlassung beigezogen hat und die auf den Betriebsgewinnen bzw.
-verlusten basieren, käme der Beschwerdeführer auf noch niedrigere
Invaliditätsgrade. Daher hat die Verwaltung die Rente zu Recht erst reduziert
und danach aufgehoben.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden, Kammer 2 als Versicherungsgericht, und dem Bundes-amt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 26. August 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: