Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 83/2004
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H 83/04

Urteil vom 23. Juni 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiberin
Keel Baumann

G.________ & Co., Beschwerdeführerin,

gegen

Ausgleichskasse der Wirtschaftskammer Baselland, Viaduktstrasse 42, 4002
Basel, Beschwerdegegnerin,

Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal

(Entscheid vom 12. Dezember 2003)

Sachverhalt:

A.
Anlässlich einer am 9. Oktober 2000 durchgeführten Arbeitgeberkontrolle
stellte die Ausgleichskasse der Wirtschaftskammer Baselland (nachfolgend:
Ausgleichskasse) fest, dass die ihr als Arbeitgeberin angeschlossene Firma
G.________ & Co. in den Jahren 1997 bis 1999 über an H.________ ausgerichtete
Zahlungen von Fr. 106'523.- (1997), Fr. 102'865.- (1998) und Fr. 20'800.-
(1999), d.h. insgesamt Fr. 230'188.-, nicht abgerechnet hatte. Mit Verfügung
vom 12. Oktober 2000 verpflichtete die Ausgleichskasse die G.________ & Co.
zur Nachzahlung ausstehender Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von
insgesamt Fr. 28'828.10 (einschliesslich Verwaltungskosten), wobei die
Verfügung einzig der Firma eröffnet wurde.

Die von der G.________ & Co. hiegegen mit dem sinngemässen Antrag auf
Aufhebung der Nachzahlungsverfügung erhobene Beschwerde wies das
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft (nunmehr: Kantonsgericht
Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht) mit Entscheid vom 19.
Dezember 2001 ab, ohne H.________ zum Verfahren beizuladen.

Die von der G.________ & Co. hiegegen eingereichte
Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiess das Eidgenössische Versicherungsgericht
mit Urteil vom 4. Juni 2002 in dem Sinne gut, als es den kantonalen Entscheid
und die Nachzahlungsverfügung aufhob und die Sache an die Ausgleichskasse
zurückwies, damit sie die strittige Verfügung zur Wahrung des rechtlichen
Gehörs dem mitbetroffenen H.________ eröffne.

B.
Am 22. Juli 2002 eröffnete die Ausgleichskasse die Nachzahlungsverfügung über
den Betrag von Fr. 28'828.10 zuzüglich Zinsen von Fr. 6'357.45 sowohl der
G.________ & Co. als auch H.________. Die G.________ & Co. erhob hiegegen
Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung der Nachzahlungsverfügung beim
nunmehr zuständigen Kantonsgericht Basel-Landschaft, welches H.________ zum
Verfahren beilud. Mit Entscheid vom 12. Dezember 2003 wies das Gericht die
Beschwerde ab.

C.
Die G.________ & Co. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Rechtsbegehren, es seien der kantonale Entscheid und die
Nachzahlungsverfügungen vom 12. Oktober 2000 bzw. 22. Juli 2002  aufzuheben
und eventualiter "die zusätzlich verlangten Lohnbeiträge bis auf den bis 1999
noch nicht zurückbezahlten Betrag von [Fr.] 42'707.60 zu erheben."

Der als Mitinteressierter zum Verfahren beigeladene H.________ und die
Ausgleichskasse lassen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliessen. Der Beigeladene beantragt zudem die Zusprechung einer
Parteientschädigung. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen und Grundsätze zur
Abgrenzung der selbstständigen von der unselbstständigen Erwerbstätigkeit
(Art. 5 Abs. 2 und 9 Abs. 1 AHVG; BGE 123 V 162 Erw. 1, 122 V 171 Erw. 3a und
283 Erw. 2a, 119 V 161 Erw. 2 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Das
Gleiche gilt hinsichtlich der vorinstanzlichen Erwägungen zur
Nichtanwendbarkeit der materiellen Bestimmungen des ATSG auf den vorliegenden
Fall (vgl. auch BGE 131 V 11 Erw. 1, vgl. auch BGE 130 V 329 ff. und 445
ff.). Darauf kann verwiesen werden.

2.
Die strittige Verfügung hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Eidgenössische
Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie
Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Ausgleichskasse und die Vorinstanz die
Einkünfte des Beigeladenen aus seiner in den Jahren 1997 bis 1999 für die
G.________ & Co. ausgeübten Tätigkeit zu Recht als Einkommen aus
unselbstständiger Erwerbstätigkeit qualifiziert haben. Während die
Beschwerdeführerin davon ausgeht, dass der Beigeladene die Abteilung Sanitär-
und Heizungsinstallationen als selbstständiger Unternehmer zu betreuen und
sowohl den Gewinn als auch den Verlust zu tragen gehabt habe, vertritt der
Beigeladene den Standpunkt, er habe seit 1. Januar 1986 als Geschäftsführer
mit Gewinnbeteiligung gearbeitet und sei damit (wie in seiner bis anhin für
die G.________ & Co. ausgeübten Tätigkeit) unselbstständigerwerbend gewesen.

3.1 Nach den für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos und damit für die
Annahme selbstständiger Erwerbstätigkeit sprechenden tatbeständlichen
Feststellungen der Vorinstanz, welche im Rahmen der beschränkten Kognition
nicht zu beanstanden sind, hatte der Beigeladene Investitionen zu tragen
(vgl. auch Vertrag vom 5. Januar 1990) und war es die ursprüngliche Absicht
der Parteien bei Vertragsabschluss, die Abteilung Sanitär- und
Heizungsinstallationen an H.________ als selbstständiges Unternehmen zu
übertragen (vgl. auch Schreiben vom 18. Dezember 1985 der G.________ & Co. an
ihre Kunden). Diese Absicht verwirklichte sich allerdings nicht, fehlte es
doch nach den von der Vorinstanz verbindlich festgestellten tatsächlichen
Gegebenheiten an einer klaren Trennung der Abteilung Sanitär- und
Heizungsinstallationen von der G.________ & Co. und handelte H.________ nicht
in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Des Weitern bezog er monatlich
einen Lohn zwischen Fr. 7'500.- und Fr. 8'000.- und im Falle eines
Überschusses zusätzlich den vollen Gewinn, während das Verlustrisiko von der
G.________ & Co. getragen wurde. Bei dieser Sachlage ergibt sich, dass mit
Ausnahme des Umstandes, dass H.________ Investitionen zu tragen hatte,
sämtliche tatsächlichen Gegebenheiten gegen das Vorliegen eines
Unternehmerrisikos und damit gegen die Annahme selbstständiger
Erwerbstätigkeit sprechen. Auf das Vorliegen unselbstständiger
Erwerbstätigkeit deutet schliesslich auch das Kriterium der
arbeitsorganisatorischen Unabhängigkeit hin, welches vorliegend nur unter
ganz bestimmten tatsächlichen Voraussetzungen erfüllt war. Denn es steht fest
und ist unbestritten, dass H.________ nur solange der Geschäftsgang positiv
verlief, grosse Freiheiten genoss (namentlich auch betreffend Planung von
Arbeits- und Ferienzeit) und die Abteilung nach seinen Vorstellungen führte,
während R.________, als der Konkurs der G.________ & Co. drohte, die
Entscheidungsbefugnisse übernahm, sich in die Unternehmensführung
einschaltete und H.________ die Geschäftsführungskompetenz sowie die
Einzelprokura entzog.

3.2 Bei dieser Sachlage überwiegen im vorliegenden Fall die für
unselbstständige Erwerbstätigkeit sprechenden Gesichtspunkte, weshalb der
Beigeladene durch Vorinstanz und Ausgleichskasse zu Recht als
Unselbstständigerwerbender qualifiziert worden ist. Dies gilt umso mehr, als
nach der Rechtsprechung bei einer versicherten Person, welche nach dem
"Schritt in die Selbstständigkeit" weiterhin in bedeutendem Umfang für den
alten Arbeitgeber tätig ist, an die Anerkennung des Status als
Selbstständigerwerbender in Bezug auf diese Tätigkeit insofern erhöhte
Anforderungen zu stellen sind, als die hiefür sprechenden Merkmale diejenigen
unselbstständiger Erwerbstätigkeit klar überwiegen müssten (vgl. ZAK 1989 S.
440 Erw. 2b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 121 V 4 Erw. 5b am Ende; Urteil O.
AG und S. vom 20. Januar 2003, H 396/00, Urteil M. und X. AG vom 17. Mai
2002, H 30/01 und H 42/01).

4.
Streitig ist im Weitern die Höhe des der Beitragspflicht unterliegenden
Lohnes. Dabei besteht Uneinigkeit in der Frage, ob die Ausgleichskasse ihrer
Verfügung zu Recht einen in den Jahren 1997 bis 1999 ausgerichteten Lohn von
insgesamt Fr. 230'188.- (1997: Fr. 106'523.-; 1998: Fr. 102'865.-; 1999: Fr.
20'800.-) zugrunde gelegt hat.

4.1 Nach der Rechtsprechung (BGE 111 V 166 Erw. 4a mit Hinweisen; ZAK 1989 S.
308 Erw. 3a, 1985 S. 43; vgl. auch BGE 115 V 163 Erw. 4b) kommt es für die
Entstehung der Beitragsschuld und die Beantwortung der Frage, wann Beiträge
vom massgebenden Einkommen zu entrichten sind, auf den Zeitpunkt an, in
welchem das Erwerbseinkommen realisiert worden ist. Dabei gilt ein Einkommen
- unabhängig davon, ob eine Auszahlung erfolgte - in jenem Zeitpunkt als
erzielt, in welchem der Rechtsanspruch darauf erworben wird (AHI 1997 S. 28
Erw. 4b/cc mit Hinweisen).

4.2 Die Vorinstanz bestätigte die Verfügungen der Ausgleichskasse auch in
masslicher Hinsicht. Sie erwog, dass zwar nachträglich - wie die
Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren geltend gemacht, der Beigeladene
indessen stets bestritten hatte - ein Teil des Lohnes in ein Darlehen
umgewandelt und ein Teil des Lohnes zurückbezahlt worden sei, was jedoch
nichts daran ändere, dass als Realisierungszeitpunkt die Lohnzahlung zu
betrachten sei und demnach der gesamte ursprünglich ausbezahlte Lohn der
Beitragspflicht unterliege. Zur Stützung ihres Standpunktes berief sie sich
auf die Rechtsprechung gemäss EVGE 1957 S. 37 Erw. 2, wonach es
beitragsrechtlich irrelevant ist, wenn nachträglich aus irgend einem Grund
auf den Bezug eines realisierten Lohnguthabens verzichtet worden ist, weil
dies die bei der Realisierung entstandene Beitragsschuld nicht mehr
aufzuheben vermag.

4.3 Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Denn hätte
H.________, wovon die Vorinstanz entsprechend den Vorbringen der
Beschwerdeführerin ausgegangen war, auf einen Teil des bezogenen Lohnes
keinen Rechtsanspruch erworben (und den zuviel bezogenen Betrag deshalb
zurückzuerstatten gehabt), fiele die Grundlage für die Beitragserhebung im
entsprechenden Umfang dahin (vgl. auch SVR 1997 AHV Nr. 110 S. 343 Erw. 4b/cc
am Ende). Die von der Vorinstanz zitierte Rechtsprechung liesse sich auf
diesen Sachverhalt insofern nicht anwenden, als diesfalls nie Anspruch auf
diesen (rückzuerstattenden) Teil des bezogenen Lohnes erworben worden und
demnach in diesem Umfang gar keine Realisierung eingetreten wäre.

4.4 Da in der Frage nach der Höhe des dem Beigeladenen zustehenden
Lohnanspruches Uneinigkeit zwischen der Beschwerdeführerin und dem
Beigeladenen besteht und in diesem Punkt der im angefochtenen Entscheid
festgehaltene Sachverhalt offensichtlich unvollständig festgestellt worden
ist, wird die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie prüfe, auf
welchen Lohn der Beigeladene einen Rechtsanspruch hatte. Dabei dürfte es sich
unter Umständen rechtfertigen, das Ergebnis des im April 2003 zwischen dem
Beigeladenen und der Beschwerdeführerin vor Bezirksgericht Z.________
anhängig gemachten Forderungsstreites, in welchem unter anderem auch der
Lohnanspruch in dieser Zeit eine Rolle spielt, zu berücksichtigen.

5.
5.1 Da im vorliegenden Verfahren nicht die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen streitig ist, fällt es nicht unter die Kostenfreiheit
gemäss Art. 134 OG. Entsprechend dem Verfahrensausgang werden die
Gerichtskosten zu zwei Dritteln der Beschwerdeführerin, welche in der Frage
des Beitragsstatus unterliegt, und zu einem Drittel der Beschwerdegegnerin
auferlegt (Art. 156 in Verbindung mit Art. 135 OG).

5.2 Gemäss Art. 69 Abs. 2 BZP (anwendbar nach Art. 135 in Verbindung mit Art.
40 OG) bestimmt das Gericht, inwiefern ein Intervenient an die Gerichtskosten
und die Entschädigung des Gegners der unterstützten Partei beitragspflichtig
oder diesem gegenüber ersatzberechtigt ist. Gestützt darauf können einer im
Sinne von Art. 110 Abs. 1 OG beigeladenen Partei Gerichtskosten auferlegt
werden (ZBl 88 [1987] S. 74 Erw. 5; Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2.
Aufl., S. 184; vgl. auch BGE 127 V 111 Erw. 6b, 97 V 32 Erw. 5). Von der
Sache her rechtfertigt es sich vorliegend nicht, dem Beigeladenen einen Teil
der Gerichtskosten aufzuerlegen und ihm eine Parteientschädigung
zuzusprechen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 12. Dezember 2003
aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie im
Sinne der Erwägungen verfahre und über die Beschwerde gegen die Verfügung der
Ausgleichskasse der Wirtschaftskammer Baselland vom 12. Oktober 2000/22. Juli
2002 neu entscheide.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'800.- werden zu zwei Dritteln (Fr. 1'200.-) der
Beschwerdeführerin und zu einem Drittel (Fr. 600.-) der Ausgleichskasse der
Wirtschaftskammer Baselland auferlegt. Der von der Beschwerdeführerin zu
tragende Anteil ist durch den geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 1'800.-
gedeckt; der Differenzbetrag von Fr. 600.- wird ihr zurückerstattet.

3.
Dem Beigeladenen H.________ wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, dem Bundesamt für Sozialversicherung und
H.________ zugestellt.

Luzern, 23. Juni 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: