Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 81/2004
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H 81/04

Urteil vom 23. September 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiberin Fleischanderl

K.________, 1939, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Peter Recher,
Marktplatz 18, 4001 Basel,

gegen

Schweizerische Ausgleichskasse, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin

Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen, Lausanne

(Entscheid vom 18. März 2004)

Sachverhalt:

A.
E.  ________, geboren am 25. März 1934, wurde mit Verfügung der
Schweizerischen Ausgleichskasse (SAK) vom 1. März 1999 eine ordentliche
AHV-Altersrente in Höhe von Fr. 1645.- sowie eine Zusatzrente für seine am
22. Oktober 1939 geborene Ehefrau, beide in Deutschland wohnhafte deutsche
Staatsangehörige, im Betrag von Fr. 493.- ab 1. April 1999 zugesprochen.
Nachdem sich K.________ im August 2003 ebenfalls zum Leistungsbezug
angemeldet hatte, verfügte die SAK am 8. September 2003 die Ausrichtung einer
ordentlichen Altersrente in Höhe von Fr. 96.- rückwirkend ab 1. November 2002
(bzw. von Fr. 98.- ab 1. Januar 2003). Daran hielt die Verwaltung auf
Einsprache hin, mit welcher K.________ den Verzicht auf ihren Anspruch auf
eine Altersrente zugunsten der weiterhin auszurichtenden Zusatzrente zur
Altersrente ihres Ehegatten geltend machte, fest (Einspracheentscheid vom 9.
Oktober 2003).

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission
der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen mit Entscheid vom 18. März
2004 ab.

C.
K. ________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es
seien die Verzichtserklärung auf ihre eigene Altersrente anzuerkennen und der
seit dem 1. April 1999 bestehende Anspruch des Ehemannes auf eine Altersrente
mit Zusatzrente in Höhe von Fr. 493.- zu bestätigen; ferner sei für die seit
dem 1. November 2002 fällig gewordenen Beträge der Zusatzrente ein Zins von 5
%, berechnet ab dem jeweiligen Fälligkeitsdatum, zu bezahlen.

Während die SAK auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist vor- wie letztinstanzlich einzig, ob die
Beschwerdeführerin rechtswirksam auf ihren per 1. November 2002 entstandenen
Anspruch auf eine AHV-Altersrente zugunsten der seit 1. April 1999
ausgerichteten (höheren) Zusatzrente zur Altersrente ihres Ehemannes
verzichten kann.

2.
2.1 Im angefochtenen Entscheid wurde zutreffend erwogen, dass das am 1. Juni
2002 in Kraft getretene Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit
(FZA; SR 0.142.112.681), insbesondere auch dessen Anhang II, der die
Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit regelt, im vorliegenden
Verfahren grundsätzlich zu berücksichtigen ist. Soweit dieses indessen - wie
bezüglich der hier zu beurteilenden Verzichtsproblematik - keine abweichenden
Bestimmungen vorsieht, ist mangels einer einschlägigen gemeinschafts- bzw.
abkommensrechtlichen Regelung die Ausgestaltung des Verfahrens sowie die
Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und die Berechnung der schweizerischen
Altersrente grundsätzlich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung.

2.2  Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten, mit
welchem auch im AHV-Bereich zahlreiche Normen geändert worden sind. Da in
zeitlicher Hinsicht regelmässig diejenigen Rechtssätze zur Anwendung kommen,
die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung
haben (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen), und
vorliegend fraglich ist, ob die Beschwerdeführerin auf den per 1. November
2002 entstandenen Altersrentenanspruch verzichten kann, sind die neuen
Bestimmungen - wie die Rekurskommission richtig erkannt hat - jedoch nicht
massgebend. Daran ändert weder der Umstand, dass die Versicherte erstmals am
10. März 2003 gegenüber der SAK schriftlich ihren Verzicht auf die eigene
Altersrente erklärt hat, noch der mit Datum vom 9. Oktober 2003 erlassene
Einspracheentscheid etwas.

3.
3.1 Gemäss Art. 22bis Abs. 1 Satz 1 AHVG (in der bis 31. Dezember 1996 in
Kraft gestandenen Fassung [nachfolgend: altArt. 22bis AHVG]) hatten
Ehemänner, denen eine einfache Altersrente zustand, für die Ehefrau, die das
55. Altersjahr zurückgelegt hatte, Anspruch auf eine Zusatzrente. Dieser
Zusatzrentenanspruch wurde mit der 10. AHV-Revision per 1. Januar 1997
grundsätzlich aufgehoben. Übergangsrechtlich sieht lit. e Abs. 1 der
Schlussbestimmungen der Änderung vom 7. Oktober 1994 (10. AHV-Revision;
nachfolgend: ÜbBest. AHV 10) indes vor, dass die untere Altersgrenze der
Ehefrau für den Anspruch auf eine Zusatzrente gemäss dem bisherigen Art.
22bis Abs. 1 AHVG wie folgt angepasst wird: Für jedes Kalenderjahr nach
In-Kraft-Treten des neuen Art. 22bis Abs. 1 AHVG wird die bisherige Grenze
von 55 Jahren um ein Jahr erhöht. Art. 22bis Abs. 1 Satz 1 AHVG - in der seit
1. Januar 1997 geltenden Fassung (nachfolgend: neuArt. 22bis AHVG) - hält
sodann, ebenfalls als intertemporalrechtliche Ausnahmebestimmung, fest, dass
Männern und Frauen, die bis zur Entstehung des Anspruchs auf eine Altersrente
eine Zusatzrente der Invalidenversicherung bezogen haben, diese Rente
weitergewährt wird, bis ihr Ehegatte einen Anspruch auf eine Altersrente oder
eine Invalidenrente erwirbt.

3.2  Im Rahmen des mit der 10. AHV-Revision auf den 1. Januar 1997
beabsichtigten Systemwechsels wurde die Gewährung einer Zusatzrente für die
Ehefrau in der AHV somit auf jene Fälle beschränkt, in welchen - von dem in
neuArt. 22bis Abs. 1 AHVG geregelten, hier nicht näher interessierenden
Tatbestand abgesehen - eine Zusatzrente im Sinne von altArt. 22bis Abs. 1
Satz 1 AHVG nach wie vor gemäss lit. e Abs. 1 der ÜbBest. AHV 10 zur
Ausrichtung gelangt. Danach behält der Ehemann, der im Zeitpunkt des
In-Kraft-Tretens der 10. AHV-Revision bereits eine Zusatzrente nach altArt.
22bis Abs. 1 Satz 1 AHVG bezog, diesen Anspruch, bis seine Ehefrau einen
eigenen Rentenanspruch erwirkt. Männer, die am 1. Januar 1997 noch keine
Altersrente bezogen, erhielten später bei Erreichen des Rentenalters eine
Zusatzrente, wenn ihre Ehegattin, wie im vorliegend zu beurteilenden Fall, am
1. Januar 1997 mindestens 56 Jahre alt war (Jahrgang 1941 und älter) und
selber keinen eigenen Rentenanspruch besass. Das Grenzalter für die
Zusatzrente wird demnach mit jedem Jahr angehoben, bis es mit dem Rentenalter
der Frauen zusammenfällt (2004). Die - stufenweise abgebauten - Zusatzrenten
gemäss lit. e Abs. 1 ÜbBest. AHV 10 in Verbindung mit altArt. 22bis Abs. 1
Satz 1 AHVG wurden letztmals im Jahre 2003 gewährt (BGE 129 V 5 Erw. 2 in
fine mit Hinweisen).

4.
4.1 Daraus erhellt, dass die Zusatzrente für die Ehefrau gemäss altArt. 22bis
Abs. 1 Satz 1 AHVG mit der 10. AHV-Revision grundsätzlich abgeschafft wurde
und bereits zugesprochene bzw. ab 1. Januar 1997 unter bestimmten
Voraussetzungen neu gewährte Zusatzrenten jedenfalls mit dem eigenen
Rentenanspruch der Ehefrau dahinfallen sollten. Vor diesem Hintergrund - wie
auch der Tatsache, dass es im seit der 10. AHV-Revision geltenden
Individualrentensystem Konstellationen gibt, bei denen die Altersrente
(Teilrente) der Ehefrau kleiner ausfällt, als die Zusatzrente, welche der
rentenberechtigte Ehemann zu seiner Altersrente für die Ehegattin erhält -
ist das Ersuchen der Beschwerdeführerin zu werten, auf den eigenen, per 1.
November 2002 entstandenen Rentenanspruch zugunsten der ab 1. April 1999
ausgerichteten Zusatzrente zur Altersrente ihres Ehemannes zu verzichten.

4.2  Das Eidgenössische Versicherungsgericht hatte Gelegenheit, sich in BGE
129 V 1 zu dieser Verzichtsproblematik zu äussern. Zusammenfassend kam es
dabei zum Schluss, dass sich auch unter Geltung der auf den 1. Januar 1997 in
Kraft getretenen Bestimmungen der 10. AHV-Revision grundsätzlich nichts an
der bisherigen Rechtsprechung ändert, die einen Verzicht auf Leistungen der
AHV und der IV nur in Ausnahmefällen als zulässig erklärt. Ein derartiger
Ausnahmefall wurde insbesondere für den Verzicht einer Versicherten auf ihren
eigenen (Alters-)Rentenanspruch zugunsten einer AHV-Vollrente ihres Ehemannes
mit Zusatzrente verneint. Unter Bezugnahme auf die entsprechenden Erwägungen,
welche bereits die Vorinstanz in allen Teilen zutreffend wiedergegeben hat,
kann auf Weiterungen verzichtet werden.

4.3  Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht wird, vermag an
diesem Ergebnis nichts zu ändern.

4.3.1  Namentlich ist nicht einsehbar, weshalb der Umstand, dass vorliegend -
im Gegensatz zu dem BGE 129 V 1 zu Grunde liegenden Sachverhalt (vgl. auch
die Urteile J. vom 6. Februar 2003, I 534/01, und L. vom 4. Februar 2003, H
143/01) - der Anspruch des Ehegatten auf eine Altersrente samt Zusatzrente
vor dem Anspruch der Beschwerdeführerin auf ihre eigene Altersrente
entstanden und die Zusatzrente deshalb bereits über einen gewissen Zeitraum
ausbezahlt worden ist, das Interesse der Versicherten am Verzicht auf die
eigenen Rentenleistungen als schützenswerter erscheinen liesse. Der hier zu
beurteilende Fall entspricht gerade der Situation, wie sie lit. e Abs. 1 der
ÜbBest. AHV 10 in Verbindung mit altArt. 22bis Abs. 1 Satz 1 AHVG im Sinne
einer Übergangsordnung mit dem Ziel der sukzessiven Abschaffung der
Zusatzrenten in der AHV regeln wollte (vgl. Erw. 3.1, 3.2 und 4.1 hievor),
weshalb der Verzicht auf die eigene Altersrente zugunsten der höheren
Zusatzrente des Ehemannes der gesetzlichen Konzeption widerspräche. Dadurch
würde vielmehr die Absicht des Gesetzgebers, dem individuellen Rentenanspruch
den Vorrang einzuräumen, unterlaufen.

4.3.2  Ebenfalls nicht gefolgt werden kann der Beschwerdeführerin sodann
insoweit, als sie geltend macht, das in BGE 129 V 1 publizierte Urteil könne,
da erst am 10. Januar 2003 gefällt, nicht rückwirkend auf den vorliegenden
Sachverhalt Rechtswirkungen entfalten. Mit BGE 129 V 1 hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht eine hinsichtlich des Verzichts auf
Versicherungsleistungen im Bereich der seit 1. Januar 1997 geltenden
Grundsätze der AHVG bestehende - bis Ende 2002 andauernde (vgl. nunmehr Art.
23 ATSG; BGE 129 V 9 Erw. 4.3 mit Hinweisen) - echte Lücke geschlossen (BGE
129 V 6 f. Erw. 4.1.1 und 4.1.2) und die damit bis zu diesem Zeitpunkt
vorhandene Rechtsunsicherheit beseitigt. Von einer dadurch bewirkten
Praxisänderung und einem - allenfalls zu schützenden - Vertrauen der
Rechtsadressaten in die vorangegangene Ordnung kann demnach nicht die Rede
sein, zumal mit BGE 129 V 1 die vor In-Kraft-Treten der 10. AHV-Revision
geltenden Grundsätze zur Verzichtsproblematik bestätigt wurden. Selbst wenn
dies im Übrigen zur Beendigung einer bis anhin einzelfallweise ausgeübten
Verwaltungspraxis geführt hätte, mangelte es vorliegend an einem ursprünglich
fehlerfreien Verwaltungsakt über ein Dauerrechtsverhältnis, welcher eine
Anpassung an die neue Rechtslage nur ausnahmsweise rechtfertigte (BGE 127 V
14 Erw. 4c in fine mit Hinweis). Die mit Verfügung vom 1. März 1999
zugesprochene Zusatzrente zur Altersrente des Ehemannes stand stets unter dem
Vorbehalt des mit lit. e Abs. 1 ÜbBest. AHV 10 in Verbindung mit altArt.
22bis Abs. 1 Satz 1 AHVG angestrebten sukzessiven Abbaus der altrechtlichen
Zusatzrenten bzw. des eigenen Rentenanspruchs der Beschwerdeführerin, worauf
die SAK denn auch mehrmals ausdrücklich hingewiesen hatte (vgl. die Schreiben
vom 13. März und 4. April 2003).

4.3.3  Wie die Rekurskommission ferner in allen Teilen überzeugend dargelegt
hat, gebietet vorliegend auch der öffentlich-rechtliche Vertrauensschutz
(Art. 9 BV; BGE 127 I 36 Erw. 3a, 126 II 387 Erw. 3a; RKUV 2000 Nr. KV 126 S.
223; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin geltende Rechtsprechung: BGE
121 V 66 Erw. 2a mit Hinweisen) keine vom materiellen Recht abweichende
Behandlung der Beschwerdeführerin. Auf die zutreffenden Erwägungen wird
vollumfänglich verwiesen.

Da die Rentenberechnung ansonsten unbestritten ist und im Einklang mit der
gesetzlichen Ordnung steht, ist der angefochtene Entscheid zu schützen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 23. September 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: