Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 70/2004
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H 70/04

Urteil vom 16. Juni 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiber Fessler

Firma J.________, T.________, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8501 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin,

AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden

(Entscheid vom 12. März 2004)

Sachverhalt:

A.
T. ________ ist Inhaber der Einzelfirma J.________ mit Sitz in S.________. Er
ist als Selbstständigerwerbender der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau
angeschlossen. Ab 1. Januar 2001 übernahm C.________ die Vertretung der Firma
für die Marke X.________ in der französischen Schweiz. Grundlage für diese
Tätigkeit bildete der Agentur-Vertrag vom 6. November 2000. Mit Schreiben vom
22. April 2002 löste T.________ die Zusammenarbeit mit C.________ auf Ende
Juli 2002 auf. Die Ausgleichskasse qualifizierte die an C.________ bezahlten
Provisionen (Fr. 7073.- [2001], Fr. 12'268.- [2002]) als Einkommen aus
unselbstständiger Erwerbstätigkeit. Mit Nachtragsabrechnungen vom 11. August
2003 forderte sie von T.________ die Bezahlung von
Sozialversicherungsbeiträgen von insgesamt Fr. 2959.75. In der im
Einzahlungsschein vom gleichen Tag genannten Summe von Fr. 3104.70 waren noch
Verzugszinsen von Fr. 144.95 enthalten. Die dagegen eingereichte Einsprache
wies die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 25. August 2003 ab.

B.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde von T.________ hob die
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 12. März 2004
Verfügung und Einspracheentscheid auf und wies die Sache an die
Ausgleichskasse zur Abklärung der allfällig von den ausgerichteten
Provisionen in Abzug zu bringenden Unkosten und anschliessendem Erlass neuer
Beitragsverfügungen zurück.

C.
T.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren,
C.________ sei in Bezug auf die Tätigkeit für die Firma J.________ als
Selbstständigerwerbender einzustufen.
Die Ausgleichskasse und C.________ als Mitbeteiligter verzichten auf einen
Antrag zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherung reicht keine Vernehmlassung ein.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden,
als Sozialversicherungsbeiträge kraft Bundesrechts streitig sind. Im
vorliegenden Verfahren ist daher nicht zu prüfen, wie es sich bezüglich der
Beitragsschuld gegenüber der Ausgleichskasse für kantonale Familienzulagen
verhält (BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die 2001 und 2002 an C.________ ausbezahlten
Provisionen Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit (massgebender
Lohn [Art. 5 Abs. 2 AHVG]) darstellen. Die kantonale Rekurskommission hat
hiezu erwogen, nach der Gerichts- und Verwaltungspraxis seien Agenten oder
Handelsvertreter grundsätzlich als Arbeitnehmer zu betrachten. Sinngemäss
bestehe kein Anlass, im konkreten Fall von dieser Regel abzuweichen.
C.________ habe in Bezug auf die Tätigkeit als Agent für die Firma J.________
keine erheblichen Investitionen getätigt, keine Angestellten beschäftigt und
keine eigenen Geschäftsräumlichkeiten benötigt. Er habe somit keine Fixkosten
zu tragen gehabt, welche unabhängig vom Erfolg der Vermittlertätigkeit
entstanden seien. Damit fehle es an dem eine selbstständige Erwerbstätigkeit
kennzeichnenden Unternehmerrisiko. An dieser Beurteilung änderten die
Vorbringen des Beschwerdeführers nichts. Insbesondere sei nicht von Belang,
dass ein Agent oder Handelsreisender entsprechend seinem jeweiligen
Verkaufserfolg mehr oder weniger verdiene. Unerheblich sei auch, dass
C.________ zur selben Zeit noch für andere Unternehmen als Agent tätig
gewesen sei. Jedes Entgelt eines Erwerbstätigen sei daraufhin zu überprüfen,
ob es sich um massgebenden Lohn oder Einkommen aus selbstständiger
Erwerbstätigkeit handle. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass Unkosten in
Abzug gebracht werden könnten. Diesen Punkt habe die Ausgleichskasse unter
Einbezug von C.________ noch abzuklären.

3.
Dem Beschwerdeführer ist darin beizupflichten, dass es Sachverhaltsmerkmale
gibt, die für selbstständige Erwerbstätigkeit sprechen. Dazu gehört, dass auf
Grund von Ziff. 6 des Agentur-Vertrages vom 6. November 2000 C.________ alle
Geschäftskosten selber zu tragen hatte. Dieser Umstand spricht indessen nach
zutreffender Feststellung der Rekurskommission nicht entscheidend für
selbstständige Erwerbstätigkeit (vgl. ZAK 1980 S. 325). Sodann kann auch in
der Regelung von Ziff. 9 des Agentur-Vertrages ein Indiz dafür gesehen
werden, dass die fraglichen Provisionen nicht massgebenden Lohn im Sinne von
Art. 5 Abs. 2 AHVG darstellen. Nach dieser Klausel hatte C.________ die
Musterkollektionen bei einem Rabatt von 40 % selber zu bezahlen. Bei einer
gesamthaften Würdigung der Umstände, die bei der Statusfrage praxisgemäss
vorzunehmen ist (BGE 123 V 163 Erw. 1 und AHI 2001 S. 256 Erw. 2a mit
Hinweisen), überwiegen indessen die Merkmale unselbstständiger
Erwerbstätigkeit, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat. Dafür spricht neben
den im angefochtenen Entscheid erwähnten Tatsachen, dass für die
«Inkrafttretung dieses Vertrages» keine Ablösesumme vereinbart wurde. Für die
Übernahme der gesamten Kundenstruktur wurde auf eine Ausgleichszahlung
verzichtet ebenso wie auf eine Ablösesummenzahlung bei Kündigung des
Agentur-Vertrages ungeachtet allfällig neu gewonnener Kunden. Zu beachten ist
schliesslich, dass C.________ am 22. April 2002 mit der Begründung gekündigt
wurde, der Umsatz in dem ihm zugesprochenen Gebiet bewege sich auf einem zu
tiefen Level. Darauf sei er mehrmals hingewiesen worden. Geändert hätte sich
indessen «trotz Ihrer Zusagen» nichts. Es kann daher entgegen den
Ausführungen in der vorinstanzlichen Beschwerde nicht gesagt werden,
C.________ habe selbst darüber entscheiden können, ob er an einer Ausstellung
teilnehme oder nicht. Vielmehr erschöpfte sich sein wirtschaftliches Risiko
praktisch in der (alleinigen) Abhängigkeit vom erzielten Umsatz resp. vom
persönlichen Arbeitserfolg. Das spricht ebenfalls für unselbstständige
Erwerbstätigkeit (vgl. BGE 122 V 172 unten).
Der angefochtene Entscheid ist somit rechtens. Dies betrifft auch die
Rückweisung der Sache an die Ausgleichskasse zur Abklärung und Prüfung der
Frage abzugsfähiger Unkosten. Dabei wird die Verwaltung Arbeitgeber und
Arbeitnehmer ins Verfahren einzubeziehen haben.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem
Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons
Thurgau, dem Bundesamt für Sozialversicherung und C.________ zugestellt.
Luzern, 16. Juni 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: