Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 49/2004
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2004
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2004


H 49/04

Urteil vom 13. Oktober 2004

I. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Ursprung, Kernen
und Frésard; Gerichtsschreiber Fessler

S.________, 1936, Deutschland, Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Ausgleichskasse, avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin,

Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen, Lausanne

(Entscheid vom 21. Januar 2004)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügungen vom 23. April 2003 sprach die Schweizerische Ausgleichskasse
dem 1936 geborenen, in Deutschland wohnhaften S.________ eine Altersrente von
monatlich Fr. 189.- vom 1. August 2001 bis 31. Mai 2002, Fr. 243.- vom 1.
Juni bis 31. Dezember 2002 und Fr. 249.- ab 1. Januar 2003 zu. Die Verwaltung
wies darauf hin, die von ihm und seiner früheren Ehefrau I.________ während
der Kalenderjahre der gemeinsamen Ehe erzielten Einkommen seien geteilt und
beiden Ehegatten je zur Hälfte angerechnet worden. Mit Einspracheentscheid
vom 2. Juni 2003 bestätigte die Ausgleichskasse die Rentenverfügung.

B.
Die von S.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische
Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen mit
Entscheid vom 21. Januar 2004 ab.

C.
S.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Rechtsbegehren, die
Altersrente sei neu (ohne Einkommenssplitting) zu berechnen.
Die Schweizerische Ausgleichskasse beantragt die Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

D.
S.________ hat sich in einer weiteren Eingabe zu den Vorbringen der
Ausgleichskasse geäussert.

E.
Auf Ersuchen der Instruktionsrichterin hat die Ausgleichskasse zu
verschiedenen Fragen der Rentenberechnung Stellung genommen. S.________ und
die als Mitbeteiligte zum Verfahren beigeladene I.________ haben sich hiezu
geäussert.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Rekurskommission hat die letztinstanzlich erneut vorgetragenen
Einwendungen gegen die Berechnung der Altersrente ab 1. August 2002 im
Wesentlichen mit der Begründung als nicht stichhaltig bezeichnet, die Teilung
und gegenseitige je hälftige Anrechnung der während der Kalenderjahre der
gemeinsamen Ehe erzielten Einkommen geschiedener Ehegatten (Art. 29quinquies
Abs. 3 und 4 AHVG) sei zwingender Natur. Das ist im Sinne des Nachstehenden
richtig.

1.1 Die Vorschriften über die Berechnung der Renten der Alters- und
Hinterlassenenversicherung sind abgesehen vom hier nicht interessierenden
Art. 52f Abs. 2bis AHVV (Anrechnung von Erziehungsgutschriften bei
geschiedenen oder unverheirateten Eltern, denen die elterliche Sorge
gemeinsam zusteht) einer Vereinbarung grundsätzlich nicht zugänglich. Es
handelt sich hiebei um zwingendes Recht. Die Regelung der Nebenfolgen einer
Scheidung ist somit für die Rentenberechnung ohne Bedeutung. Der gegenseitige
Verzicht der Ehegatten auf nacheheliche Unterhaltsleistungen und auf
Leistungen im Hinblick auf die Altersvorsorge im Rahmen der 2. Säule (vgl.
Art. 122 ff. ZGB), soweit scheidungsrechtlich zulässig (SJ 2002 I S. 540 Erw.
4b), hat daher nicht zur Folge, dass bei Eintritt des Versicherungsfalles
(Alter oder Tod) die Renten ohne Einkommenssplitting zu berechnen wären. Das
muss umso mehr gelten, als die Rechtsfolgen eines solchen Verzichts in der
Regel nicht oder zumindest kaum je in ihrer ganzen Tragweite absehbar sind.
An AHV-Berechnungsvorschriften derogierende Scheidungsvereinbarungen wären
mithin noch strengere Anforderungen zu stellen als bei einem Verzicht auf
Versicherungsleistungen im Bereich der AHV und IV (vgl. dazu BGE 129 V 1). In
diesem Urteil erachtete das Eidgenössische Versicherungsgericht den Verzicht
einer Ehefrau auf die ihr seit 1. Dezember 1997 ausgerichtete Teilrente zu
Gunsten einer Vollrente des Ehemannes samt Zusatzrente ab 1. Februar 2000 als
unzulässig.

Das soeben Gesagte, insbesondere die Ordnung gemäss Art. 29quinquies Abs. 3
und 4 AHVG über das Einkommenssplitting, gilt vorbehältlich anders lautender
Staatsverträge auch für nicht in der Schweiz getroffene und nicht
schweizerischem Recht unterliegende Scheidungsvereinbarungen. Ebenfalls kommt
es nicht auf Wohnsitz und Staatszugehörigkeit der anspruchsberechtigten
Person an. Die am 19. Juni 1981 notariell beglaubigte Vereinbarung zwischen
dem Beschwerdeführer und seiner damaligen Ehefrau über den gegenseitigen
Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs gemäss §§ 1587 f. BGB
hat somit für die Berechnung der schweizerischen Altersrente keine Bedeutung.

1.2 Im Weitern sehen weder das Abkommen vom 25. Februar 1964 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über
soziale Sicherheit noch das am 1. Juni 2002 in Kraft getretene Abkommen vom
21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und
der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die
Freizügigkeit (FZA) vor, dass in die Berechnung der Altersrente auch die in
Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten einzubeziehen sind (vgl. BGE
130 V 51). Die als Folge des FZA geänderte Ermittlung der Rentenskala bei
laufenden Teilrenten für die Zeit ab 1. Juni 2002 ist im Übrigen
berücksichtigt worden. Die neue Berechnungsweise hat zu einer höheren
anwendbaren Rentenskala (9) und damit zu einer Erhöhung der Altersrente von
Fr. 189.- auf Fr. 243.- geführt (vgl. zum Ganzen Kreisschreiben zur
Einführung der linearen Rentenskala bei laufenden Renten [KSLRS] gültig ab 1.
Juni 2002; BGE 130 V 55 Erw. 5.4).

2.
Die Ausgleichskasse führte im Einspracheentscheid vom 2. Juni 2003 aus, das
in den gemeinsamen Ehejahren in der Schweiz (1957-1961 und 1972-1974)
erzielte Einkommen unterliege dem «Ehegattensplitting». Tatsächlich nahm
jedoch die Verwaltung lediglich für 1960 und 1961 eine Einkommensteilung vor,
wie die Rekurskommission zutreffend festhält. Dabei übersieht die Vorinstanz
indessen, dass dem Beschwerdeführer in Anwendung von Art. 52b AHVV (in
Verbindung mit Art. 29bis Abs. 2 AHVG) die 1953 bis 1956 vor dem 1. Januar
nach Vollendung des 20. Altersjahres zurückgelegten Beitragszeiten
lückenfüllend angerechnet wurden, und zwar für 1957 ein Monat, für 1962 und
1963 je 12 Monate und für 1964 fünf Monate. Aufgefüllte Beitragslücken gelten
nach Art. 50b Abs. 1 zweiter Satz AHVV als Versicherungszeiten. Die
entsprechenden Einkommen unterliegen der Teilung und gegenseitigen je
hälftigen Anrechnung, solange der Ehegatte (ebenfalls) der schweizerischen
Alters- und Hinterlassenenversicherung unterstanden ist (Art. 29quinquies
Abs. 4 lit. b AHVG und Art. 50b Abs. 1 erster Satz AHVV; in BGE 129 V 65
nicht publizierte Erw. 4.2 [= SVR 2003 AHV Nr. 10 S. 26 Erw. 4.2]; vgl. auch
Rz 5113 der Wegleitung über die Renten in der Eidgenössischen Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [RWL]). Vorliegend sind somit auch
die für 1962, 1963 und 1964 gutgeschriebenen Einkommen zu splitten.

Im Weitern ist die vorinstanzlich bestätigte Rentenberechnung der
Ausgleichskasse auch insofern nicht bundesrechtskonform, als dem
Beschwerdeführer für seinen 1958 geborenen Sohn M.________ keine
Erziehungsgutschriften angerechnet worden sind (vgl. Art. 29sexies AHVG und
Art. 52f AHVV). Demgegenüber wurden gemäss Akten bei der Berechnung der
Altersrente seiner früheren Ehefrau fünf ganze, u.a. für die Kalenderjahre
1962 bis 1964, und drei halbe Erziehungsgutschriften berücksichtigt.

3.
Die Ausgleichskasse wird im Sinne des Vorstehenden die Altersrente des
Beschwerdeführers nach Massgabe der einschlägigen Gesetzes- und
Verordnungsbestimmungen neu zu berechnen haben und darüber eine Verfügung
erlassen. Diese wird sie auch seiner früheren Ehefrau I.________ eröffnen.

4.
Die durch ihren Sohn anwaltlich vertretene frühere Ehefrau des
Beschwerdeführers hat keinen Antrag zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gestellt. Von der Zusprechung einer Parteientschädigung ist daher abzusehen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland
wohnenden Personen vom 21. Januar 2004 und der Einspracheentscheid vom 2.
Juni 2003 aufgehoben werden und die Sache an die Schweizerische
Ausgleichskasse zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne der Erwägungen die
Altersrente neu berechne und darüber verfüge.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, dem Bundesamt für
Sozialversicherung und I.________ zugestellt.

Luzern, 13. Oktober 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der I. Kammer:   Der Gerichtsschreiber:
i.V.