Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 32/2004
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H 32/04

Urteil vom 6. September 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Flückiger

Firma A.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Gregor
Marcolli, Bahnhofplatz 5, 3001 Bern,

gegen

Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie, Kirchenweg 8, 8008 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 23. Dezember 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Nachtragsverfügung vom 10. Dezember 2002 verpflichtete die
Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie die Firma A.________ AG,
(Rechtsvorgängerin der Firma S.________ AG), zur Bezahlung von AHV/IV/EO-
sowie ALV-Beiträgen für das Jahr 1997 in Höhe von Fr. 1'394.90
(einschliesslich Verwaltungskosten) zuzüglich Verzugszinsen von Fr. 303.-.
Zur Begründung wurde erklärt, laut dem Ergebnis einer bei den
A.________-Gesellschaften durchgeführten Arbeitgeberkontrolle habe die Firma
A.________ AG im Jahr 1997 eine in den bisherigen Beitragsverfügungen nicht
berücksichtigte Abfindung von Fr. 10'587.- an die austretende Mitarbeiterin
K.________ bezahlt. Diese Leistung stelle beitragspflichtigen Lohn dar.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich ab (Entscheid vom 23. Dezember 2003).

C.
Die Firma A.________ AG lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem
Rechtsbegehren, es seien der kantonale Entscheid und die Verfügung vom 10.
Dezember 2002 aufzuheben.

Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid
Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische
Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht
gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um
die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über die Erhebung der Beiträge vom
Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit (Art. 5 Abs. 1 AHVG), deren
Bezug (Art. 14 Abs. 1 AHVG) und den Begriff des massgebenden Lohns (Art. 5
Abs. 2 AHVG), welcher grundsätzlich auch Abgangsentschädigungen und
freiwillige Vorsorgeleistungen umfasst (Art. 7 lit. q AHVV in der vorliegend
anwendbaren, bis Ende 2000 gültig gewesenen Fassung), zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen. Richtig ist auch, dass der Bundesrat gestützt auf Art.
5 Abs. 4 AHVG, wonach er Sozialleistungen sowie anlässlich besonderer
Ereignisse erfolgende Zuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer
vom Einbezug in den massgebenden Lohn ausnehmen kann, unter anderem in Art. 6
Abs. 2 lit. h, i und k AHVV (jeweils in der vorliegend anwendbaren, bis 31.
Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung) sowie - dies ist zu ergänzen - in
Art. 8 lit. a AHVV Ausnahmen von der Beitragspflicht statuiert hat. Ebenfalls
korrekt hat die Vorinstanz festgehalten, dass das am 1. Januar 2003 und damit
nach dem Erlass der Verfügung vom 10. Dezember 2002 in Kraft getretene
Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6.
Oktober 2000 (ATSG) nicht anwendbar ist (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1,
356 Erw. 1).

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Ausgleichskasse mit der vorinstanzlich
bestätigten Verfügung vom 10. Dezember 2002 zu Recht paritätische
Sozialversicherungsbeiträge auf einer durch die Beschwerdeführerin im Jahr
1997 geleisteten Zahlung von Fr. 10'587.- erhoben hat.

Dieser Vergütung liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde: Die
A.________-Gesellschaften in der Schweiz, unter ihnen die Beschwerdeführerin,
hatten mit ihren Mitarbeitervertretungen eine als "Sozialplan" bezeichnete
Vereinbarung abgeschlossen. Die erste Fassung des Sozialplans datiert vom 27.
Juni 1990. Sie galt in der Folge, bis sie durch diejenige von Oktober 1996
abgelöst wurde, auf welcher die vorliegend umstrittene Zahlung basiert.
Gemäss Ziffer 1 gilt der Sozialplan für alle Mitarbeitenden, deren
Arbeitsverhältnis im Zusammenhang mit Abbau- oder Restrukturierungsmassnahmen
während der Dauer des Sozialplanes arbeitgeberseitig gekündigt wird oder die
auf Veranlassung der A.________ unter Berufung auf den Sozialplan das
Arbeitsverhältnis kündigen. Zweck des Plans ist es laut dessen Ziffer 3,
menschliche und wirtschaftliche Härten bei Abbau- und
Restrukturierungsmassnahmen nach Möglichkeit zu mildern. Als Mittel dazu sind
beispielsweise der Ausgleich von Saläreinbussen (Ziffer 8.1), Entschädigungen
für Umzüge (Ziffer 8.3), die Hilfe bei der Stellensuche (Ziffern 9 und 10),
die Erstreckung und Verkürzung der Kündigungsfristen (Ziffer 11) sowie die
Ermöglichung vorzeitiger Pensionierungen (Ziffer 13) vorgesehen. Laut der
vorliegend zur Diskussion stehenden Ziffer 12 - unter dem Titel
"Abfindung/Altersvorsorge" - erhalten betroffene Mitarbeiter ab dem 49.
Altersjahr eine nach Alters- und Dienstjahren abgestufte Abfindung. Diese
Abfindungen werden in der Regel zweckgebunden für die Altersvorsorge
verwendet und dementsprechend analog den Freizügigkeitsleistungen der
Pensionskasse überwiesen. Von dieser Regel kann mit Zustimmung des
Sozialplan-Ombudsmannes der A.________ abgewichen werden. Abfindungssummen
von Fr. 1000.- oder weniger werden beim Austritt bar ausbezahlt. Im
vorliegenden Fall erfolgte eine Überweisung an die Pensionskasse.

4.
Die Beitragspflichtigkeit der an die Pensionskasse zu Gunsten von K.________
geleisteten Zahlung von Fr. 10'587.- hängt davon ab, ob ein
Ausnahmetatbestand nach Art. 6 Abs. 2 lit. h, k oder Art. 8 lit. a AHVV
erfüllt ist. Die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 2 lit. i AHVV wird
letztinstanzlich zu Recht nicht mehr geltend gemacht.

4.1
4.1.1Gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV gehören nicht zum beitragspflichtigen
Erwerbseinkommen die reglementarischen Leistungen von selbstständigen
Vorsorgeeinrichtungen und vertraglich mit dem Arbeitnehmer vereinbarte
Vorsorgeleistungen, wenn der Begünstigte bei Eintritt des Vorsorgefalles oder
bei Auflösung der Vorsorgeeinrichtung die Leistungen persönlich beanspruchen
kann.

Der Zweck der am 1. Juli 1981 - vor der Einführung der obligatorischen
beruflichen Vorsorge durch das BVG per 1. Januar 1985 - in Kraft getretenen
Verordnungsänderung bestand darin, Vorsorgeleistungen im Sinne des
verfassungsrechtlichen Auftrags von Art. 34quater aBV zur Förderung möglichst
gut ausgebauter Vorsorgeeinrichtungen auch über die minimalen Leistungen der
2. Säule hinaus von der Beitragspflicht zu befreien. Wie bis anhin sollten
auf Versicherungsleistungen keine Beiträge erhoben werden, was unter anderem
in Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV festgehalten wurde (vgl. AHI 1981 S. 283). Nach
der Rechtsprechung setzt die Anwendung dieser Norm zweierlei voraus:
Einerseits muss eine Vorsorgeleistung gegeben sein, deren Rechtsgrund
entweder in der reglementarischen Regelung einer selbstständigen
Vorsorgeeinrichtung oder in einer vertraglichen Vereinbarung zwischen
Arbeitnehmer und Arbeitgeber liegt. Andererseits muss der oder die
Begünstigte einen persönlichen Rechtsanspruch auf die Vorsorgeleistung haben,
und dies zufolge Eintritts eines Vorsorgefalles oder wegen Auflösung der
Vorsorgeeinrichtung (Urteil K. AG vom 17. Oktober 2000, H 340/99, Erw. 5b).
Zur Abgrenzung zwischen Vorsorgeleistungen und Lohnzahlungen hat die
Rechtsprechung verschiedene Kriterien entwickelt. Relevant sind insbesondere
das Lebensalter der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers, die Dauer der
Betriebszugehörigkeit sowie der gegebene oder fehlende Zweck der Zahlung, den
Einkommensausfall bis zum Erreichen des Rentenalters ganz oder teilweise
auszugleichen (BGE 123 V 245 Erw. 2d/aa mit Hinweisen; vgl. auch die
Ausführungen des BSV in AHI 1998 S. 143 f., wo eine Mindesthöhe von sechs
Monatslöhnen verlangt wird). In der Lehre werden Vorsorgeleistungen als
typische Ersatzeinkommen bezeichnet (Käser, Unterstellung und Beitragswesen
in der obligatorischen AHV, 2. Auflage, Bern 1996, S. 106 Rz. 3.113).

4.1.2  Aus den Erläuterungen zur seinerzeitigen Verordnungsänderung, laut
welchen sich Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV auf Versicherungsleistungen bezieht,
aus der Umschreibung der Vorsorgeleistungen als Ersatzeinkommen durch die
Lehre und aus den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien wird
deutlich, dass unter Vorsorgeleistungen Vergütungen zu verstehen sind, welche
an die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer ausgerichtet werden. Nur in
diesem Zusammenhang ergeben die Thematisierung des Vorsorgecharakters der
Leistung, der Vergleich mit (verdeckten) Lohnzahlungen und die Bezeichnung
als Ersatzeinkommen einen Sinn. In den von der Rechtsprechung beurteilten
Konstellationen stand denn auch jeweils eine von der (ehemaligen)
Arbeitgeberin ausbezahlte Rente oder Kapitalabfindung zur Diskussion (vgl.
BGE 123 V 241; AHI 1994 S. 262; ZAK 1982 S. 312; zitiertes Urteil K. AG vom

17. Oktober 2000, H 340/99).

4.1.3  Der Betrag von Fr. 10'587.- wurde nicht an die austretende
Arbeitnehmerin, sondern im Sinne eines Einkaufs an deren Pensionskasse
ausbezahlt. Es handelte sich somit nicht um die Vorsorgeleistung als solche,
sondern um eine Zahlung, welche dem späteren Erwerb einer höheren
Vorsorgeleistung diente (daran ändert nichts, dass sich allenfalls bereits
kurze Zeit später ein Barauszahlungstatbestand gemäss Art. 5 FZG
realisierte). Nach dem Gesagten bezieht sich jedoch Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV
nicht auf diese Konstellation, sondern auf die direkte Auszahlung eines
Ersatzeinkommens, beispielsweise in Form einer Rente oder einer
Kapitalleistung. Die Frage nach einer allfälligen Beitragsfreiheit von
Einzahlungen des Arbeitgebers in die Pensionskasse richtet sich demgegenüber
nach Art. 8 lit. a AHVV (nicht veröffentlichtes Urteil S. AG vom 7. Mai 1996,
H 264/95). Die Anwendung von Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV scheidet daher aus.
Gleiches gilt für Art. 6 Abs. 2 lit. k (in Verbindung mit Art. 6bis) AHVV,
der sich ebenfalls auf Vorsorgeleistungen bezieht.

4.2
4.2.1Anders als Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV, welcher erst auf den 1. Januar
2001 eine Modifikation erfuhr, wurde Art. 8 lit. a AHVV bereits mit Wirkung
per 1. Januar 1997 geändert. Die seither geltende, auf den vorliegenden
Sachverhalt einer im Jahr 1997 erfolgten Zahlung anwendbare Fassung nimmt
reglementarische Beiträge des Arbeitgebers an Vorsorgeeinrichtungen, welche
die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach dem DBG erfüllen, vom
massgebenden Lohn aus. In den Erläuterungen zur entsprechenden
Verordnungsänderung wird ausgeführt, es sollten nur noch diejenigen Beiträge
der Arbeitgebenden ausgenommen werden, die auf Grund des Reglements oder der
Statuten (allenfalls der Gründerurkunde) einer Vorsorgeeinrichtung geschuldet
sind. Von den Arbeitgebenden nach Gutdünken erbrachte Einlagen könnten nicht
berücksichtigt werden. Nebst den laufenden Beiträgen gehörten ebenfalls
statutarisch oder reglementarisch vorgesehene (von den Arbeitgebenden für die
Arbeitnehmenden getätigte) Einkaufsbeiträge nicht zum massgebenden Lohn
(Erläuterungen des BSV zur Verordnungsänderung vom 16. September 1996, AHI
1996 S. 263 ff., 273).

4.2.2  Art. 8 Abs. 4 des Reglementes der A.________ Pensionskasse vom 1.
Januar 1997 ermöglicht einem mehr als 50-jährigen Mitglied den Einkauf
weiterer Rentenprozente. Ein durch die Arbeitgeberin finanzierter Einkauf ist
dementsprechend möglich. Er wird jedoch durch das Reglement nicht
vorgeschrieben und ist deshalb auch nicht im Sinne der vorstehenden
Ausführungen "geschuldet". Die blosse Zulässigkeit von Einlagen des
Arbeitgebers verleiht diesen, wie das BSV in seiner Vernehmlassung zu Recht
darlegt, nicht den Charakter von reglementarischen Beiträgen. Dazu ist
vielmehr erforderlich, dass das Reglement die Einzahlung (entweder
grundsätzlich oder in einem bestimmten Zusammenhang) verlangt, was vorliegend
nicht der Fall ist. Ziffer 12 des Sozialplans stellt schon deshalb keinen
(auch nicht, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, einen "materiellen")
Bestandteil des Reglementes dar, weil an diesem Vertrag andere Parteien
(Arbeitgeber, Arbeitnehmervertretung) beteiligt sind als am
Vorsorgeverhältnis (Vorsorgeeinrichtung, Angestellte der angeschlossenen
Arbeitgeber). Art. 8 lit. a AHVV gelangt demzufolge ebenfalls nicht zur
Anwendung. Vorinstanz und Ausgleichskasse haben die Beitragspflicht der
fraglichen Zahlung von Fr. 10'587.- zu Recht bejaht. Die Beitragsberechnung
ist unbestrittenermassen korrekt.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Die
Gerichtskosten sind der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art.
156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 6. September 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: