Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 245/2004
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H 245/04

Urteil vom 29. März 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Schmutz

T.________, 1939, Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Ausgleichskasse, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin

Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen, Lausanne

(Entscheid vom 24. November 2004)

Sachverhalt:

A.
A.a Das Ehepaar T.________ und E.________ meldete sich bei der Wohngemeinde
D.________ per 31. März 2001 nach Deutschland ab. Am 3. April 2001 meldete es
sich in der deutschen Gemeinde G.________ an (Aufenthaltsbescheinigung des
Einwohnermeldeamtes vom 10. September 2001). Die 1937 geborene Ehefrau
bezieht seit 1999 eine AHV-Rente. Der am 12. März 1939 geborene Ehemann ist
Schweizer Bürger und war seit Oktober 1997 frühpensioniert. Er leistete bis
zur Ausreise Beiträge als Nichterwerbstätiger an die obligatorische AHV. Dies
führte er nach dem Wohnsitzwechsel fort, bis ihm am 25. März 2002 von der
Ausgleichskasse des Kantons Solothurn mitgeteilt wurde, er könne infolge des
Wegzuges nicht mehr versichert sein, und die seither bezahlten Beiträge
würden ihm zurückerstattet. T.________ fragte am 26. März 2002 bei der
Schweizerischen Ausgleichskasse nach den Möglichkeiten eines Beitritts zur
freiwilligen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV/IV)
nach. Diese teilte ihm mit Schreiben vom 26. November 2002 mit, seit März
2001 sei dies nur noch Auslandschweizern möglich, die nicht in einem
Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft lebten. Beiträge könnten nicht
nachbezahlt werden.

A.b Mit Verfügungen vom 5. März 2004 sprach die Schweizerische
Ausgleichskasse T.________ ab 1. April 2004 eine auf der Rentenskala 37
berechnete AHV-Rente von monatlich Fr. 1'303.- zu und setzte auf den gleichen
Zeitpunkt den Anspruch von E.________ neu auf Fr. 1'358.- fest. Sie
berücksichtigte bei T.________ Beitragszeiten bis April 2001. Die gegen beide
Verfügungen von T.________ und E.________ gemeinsam erhobene Einsprache wies
die Schweizerische Ausgleichskasse mit Entscheid vom 14. Juni 2004 ab.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission
der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen mit Entscheid vom 24.
November 2004 ab.

C.
T.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, es sei ihm zu
ermöglichen, für die Monate April 2001 bis April 2004 AHV-Beiträge
nachzuzahlen.
Die Schweizerische Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Schweizerische Ausgleichskasse bei der
Festsetzung der Altersrente des Beschwerdeführers zu Recht nur Beitragszeiten
bis April 2001 berücksichtigte, weil sie davon ausging, es habe für ihn keine
Möglichkeit zum Beitritt zur freiwilligen AHV/IV bestanden.

2.
2.1 Gemäss Art. 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Alters- und
Hinterlassenenversicherung (AHVG) in der bis 31. Dezember 2000 gültig
gewesenen Fassung konnten Schweizer Bürger, die aus der obligatorischen
Versicherung ausschieden, die Versicherung ohne Rücksicht auf ihr Alter
freiwillig weiterführen. Bezüglich der Fortführung der Versicherung gemäss
Art. 2 Abs. 2 AHVG sah Art. 10 Abs. 1 der Verordnung über die freiwillige
Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (VFV) vor,
Auslandschweizer könnten ohne Rücksicht auf ihr Alter innert Jahresfrist seit
Wegfall der Voraussetzungen für die obligatorische Versicherung den Beitritt
zur freiwilligen Versicherung erklären. Diesfalls erfolgte der Beitritt
rückwirkend auf das Ausscheiden aus der obligatorischen Versicherung und
hatte zur Folge, dass diese nicht unterbrochen wurde (aArt. 10 Abs. 3 VFV).

2.2 Mit Wirkung per 1. Januar 2001 wurden die Normen des AHVG über die
freiwillige Versicherung und auf den 1. April 2001 ausserdem einzelne
Bestimmungen der VFV revidiert. Dabei wurde die freiwillige Versicherung für
Auslandschweizer, die in einem Staat der Europäischen Gemeinschaft leben,
geschlossen: Nach den am 1. April 2001 in Kraft getretenen
Schlussbestimmungen der Änderung des AHVG vom 23. Juni 2000 können Schweizer
Bürger, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft lebten und
bei Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. April 2001 der freiwilligen
Versicherung angehörten, ihr während höchstens sechs aufeinander folgenden
Jahren weiterhin angeschlossen bleiben. Diejenigen Personen, die das 50.
Altersjahr in diesem Zeitpunkt bereits vollendet hatten, können die
Versicherung bis zum Eintritt des ordentlichen Rentenalters weiterführen.
Nach der Schlussbestimmung der Änderung der VFV vom 18. Oktober 2000 konnten
Auslandschweizer mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen
Gemeinschaft der freiwilligen Versicherung bis spätestens am 31. März 2001
beitreten. Danach ist ein Beitritt nicht mehr möglich. Die freiwillige
Versicherung beginnt mit dem Ausscheiden aus der obligatorischen Versicherung
(Art. 8 Abs. 2 VFV).

3.
Wie die Vorinstanz zu Recht erwogen hat, hatte der Beschwerdeführer am 31.
März 2001, dem Stichtag für den letztmöglichen Beitritt zur freiwilligen
Versicherung, noch Wohnsitz in der Schweiz und war somit obligatorisch
versichert. Nach dem Gesetzeswortlaut ist im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 lit. a
AHVG der zivilrechtliche Wohnsitzbegriff nach Art. 23 ff. ZGB massgebend
(Käser, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl.,
Bern 1996, S. 14 f. Rz 1.16 und 1.19). Art. 23 Abs. 1 ZGB bestimmt, dass sich
der Wohnsitz einer Person an dem Ort befindet, wo sie sich mit der Absicht
dauernden Verbleibens aufhält. Der Wohnsitzbegriff ist folglich an das
Bestehen zweier Bedingungen geknüpft, die gleichzeitig erfüllt sein müssen:
Einerseits an eine objektive, äussere, nämlich den Aufenthalt, andererseits
an eine subjektive, nämlich die Absicht, an einem bestimmten Ort dauernd zu
verbleiben, wobei das Gewicht auf jenen Umständen liegt, die Dritten
erkennbar sind. Die betreffende Person muss sich daher bei dem von ihr
erweckten Rechtsschein behaften lassen (vgl. ZAK 1990 S. 247 f. Erw. 3a f.;
Käser, a.a.O., S. 14). Am Stichtag 31. März 2001 hielt sich der
Beschwerdeführer noch in der Gemeinde D.________ auf und erfüllte damit dort
die objektive Bedingung für eine Wohnsitznahme. Die subjektive Voraussetzung
- die Absicht, an diesem Ort dauernd zu verbleiben - war hingegen zwei Tage
vor dem Zügeltag des 2. April 2001 nicht mehr gegeben. Da jedoch nach Art. 24
Abs. 1 ZGB der einmal begründete Wohnsitz einer Person bis zum Erwerb eines
neuen Wohnsitzes bestehen bleibt, wechselte der Wohnsitz des
Beschwerdeführers erst mit dem Einzug am 3. April 2001 in G.________ von
D.________ nach dorthin, weil erst dann die beiden Bedingungen für eine
Wohnsitznahme - Aufenthalt und Absicht des dauernden Verbleibens - erneut
gleichzeitig erfüllt waren. Da der schweizerische Wohnsitz am 3. April 2001
aufgegeben wurde, war von Gesetzes wegen erst ab diesem Zeitpunkt ein
Ausscheiden aus der obligatorischen AHV/IV möglich. Auch lebte der Status als
Auslandschweizer erst in jenem Moment auf. Da der Beschwerdeführer somit am
Stichtag 31. März 2001 noch als Schweizer mit inländischem Wohnsitz
obligatorisch versichert war, kam für ihn der rechtzeitige Beitritt zu der
auf den 1. April 2001 geschlossenen freiwilligen Versicherung nicht in Frage.

4.
Wie in Erwägung 4 des vorinstanzlichen Entscheides detailliert und richtig
dargelegt ist, kann der Beschwerdeführer auch nicht aus Vertrauensschutz ein
Recht auf den nachträglichen Beitritt zur freiwilligen Versicherung in
Anspruch nehmen. Die in diesem Zusammenhang in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebrachten Gründe sind nicht stichhaltig.

4.1 Dass der Beschwerdeführer seit Ablauf seines Arbeitsverhältnisses der
Meinung gewesen sein soll, er sei bereits freiwillig versichert, wirkt sich
nicht zu seinen Gunsten aus, da er darüber nicht von behördlicher Seite
falsch informiert worden ist; aus der eigenen Rechtsunkenntnis kann er keine
Vorteile ableiten (BGE 126 V 313 Erw. 2b mit Hinweisen).

4.2 Letzteres gilt insbesondere auch für sein Vorbringen, die
Übergangsregelung sei nirgends für ihn zugänglich publiziert gewesen. Die
entsprechende Gesetzesänderung ist wie vorgeschrieben in der Amtlichen
Sammlung des Bundesrechts veröffentlicht worden (AS 2000 2677, 2682). Der
Beschwerdeführer hätte sich an die zuständigen Stellen wenden und
Dispositionen für einen rechtzeitigen Beitritt zur freiwilligen Versicherung
treffen können, indem er beispielsweise den Wegzug nach Deutschland
vorverlegt hätte. Dass er dies mangels Kenntnis der anstehenden Änderung der
Rechtslage nicht getan hat, ist jedoch nicht auf eine fehlerhafte oder
unterlassene Information durch zuständige Behörden zurückzuführen.

4.3 Im Übrigen hat der Beschwerdeführer selber angegeben, er habe der AHV die
Adressänderung gemäss "Ummeldeliste vom April 2001" mitgeteilt. Selbst wenn
man ihn gestützt darauf umgehend auf den Wegfall der Versicherung aufmerksam
gemacht hätte, wäre dies schon zu spät gewesen, um rechtzeitig die nötigen
Dispositionen zum Beitritt zur freiwilligen Versicherung zu treffen.

4.4 Insbesondere kann er also auch nicht aus dem Umstand ein Recht auf einen
nachträglichen Beitritt zur freiwilligen Versicherung ableiten, dass die
Ausgleichskasse des Kantons Solothurn noch beinahe während eines Jahres nach
dem Wegzug von ihm AHV-Beiträge einforderte. Wie das Eidgenössische
Versicherungsgericht im Urteil P. vom 17. Dezember 1992, H 148/92, Erw. 2,
dargelegt hat, ist es zwar denkbar, dass die nach dem Ausscheiden aus der
obligatorischen Versicherung gutgläubig fortgesetzte Entrichtung der zuvor
als Nichterwerbstätiger geschuldeten Beiträge der schriftlichen
Beitrittserklärung zur freiwilligen Versicherung nach aArt. 7 Abs. 3 VFV
gleichzusetzen ist. Eine solche Frage kann sich jedoch nur dann stellen, wenn
ein nachträglicher Übertritt in die freiwillige Versicherung möglich ist.
Dies ist hier nicht der Fall, denn die freiwillige Versicherung für
Auslandschweizer mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen
Gemeinschaft wurde nach dem 31. März 2001 geschlossen. Ein Verbleib in der
obligatorischen Versicherung ist für den Beschwerdeführer aber wegen des
fehlenden Wohnsitzes in der Schweiz seit Mai 2001 ebenfalls nicht mehr
möglich. Nach dem Gesagten ist den staatlichen Organen entgegen den
Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kein willkürliches oder
treuwidriges Verhalten vorzuwerfen.

5.
Da es sich um eine Streitigkeit über eine Versicherungsleistung handelt, ist
das Verfahren kostenfrei (Art. 134 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird dem Beschwerdeführer
zurückerstattet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 29. März 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber:
i.V.