Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 243/2004
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H 243/04

Urteil vom 20. April 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiberin
Keel Baumann

L.________, 1964, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Marc Renggli,
Nidaugasse 28, 2500 Biel 3,

gegen

Ausgleichskasse GastroSuisse, Heinerich Wirri-Strasse 3, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 10. November 2004)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 7. Februar 2003 forderte die Ausgleichskasse Gastrosuisse
von L.________, der vom 12. April 1999 bis 8. November 2001 (Datum des
Austrittsschreibens) Mitglied des Verwaltungsrates der am ........ in Konkurs
gefallenen I.________ AG war (Einstellung des Konkurses mangels Aktiven am
........), Schadenersatz in der Höhe von Fr. 30'081.- für die Zeit vom 1.
Januar bis 9. November 2001 für entgangene AHV/IV/EO- und ALV-Beiträge,
Verwaltungskosten, Mahnungs- und Veranlagungskosten, Betreibungsgebühren und
Verzugszinsen. Daran hielt die Kasse auf Einsprache von L.________ hin fest
(Entscheid vom 2. Mai 2003).

B.
Die von L.________ hiegegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung
des Einspracheentscheides wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit
Entscheid vom 10. November 2004 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt L.________ die Aufhebung des
kantonalen Entscheides und des Einspracheentscheides beantragen.

Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen bildet, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie
Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
Im angefochtenen Entscheid werden die rechtlichen Grundlagen (Art. 52 AHVG,
Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV) und die zur
subsidiären Haftbarkeit der Organe (vgl. statt vieler BGE 123 V 15 Erw. 5b)
sowie zur Haftungsvoraussetzung des zumindest grobfahrlässigen Verschuldens
(BGE 108 V 186 Erw. 1b und 202 Erw. 3a; vgl. auch BGE 121 V 244 Erw. 4b)
ergangene Rechtsprechung zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Die vorinstanzliche Feststellung, wonach die I.________ AG ihre
Zahlungspflicht ab November 2000 nicht mehr erfüllt habe, rügt der
Beschwerdeführer unter Hinweis darauf, dass letztendlich nur die Beiträge für
die Monate Juni bis September 2001 nicht bezahlt worden seien. Aufgrund der
Akten trifft es zu, dass die Schadenersatzforderung (neben Verwaltungskosten,
Mahnungs- und Veranlagungskosten, Betreibungsgebühren und Verzugszinsen) nur
die für die Monate Juni bis September 2001 geschuldeten Beiträge betrifft,
was indessen nichts daran ändert, dass die I.________ AG ihrer
Beitragsablieferungspflicht (wie die in den Akten liegenden Mahnungen und
Zahlungsbefehle belegen) ab November 2000 zumindest nicht mehr rechtzeitig
nachgekommen ist, was ebenso einen Verstoss gegen ahv-rechtliche Vorschriften
darstellt.

3.2 Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer, welcher Organstellung innehatte,
das Verschulden der Arbeitgeberin zu Recht als grobfahrlässiges Verhalten
angerechnet. Daran vermögen sämtliche in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
hiegegen erhobenen Einwände nichts zu ändern:
Dies betrifft insbesondere das Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer
während seines Verwaltungsratsmandates und sogar danach alles unternommen
habe, um die Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge durchzusetzen. Dass er
bei A.________ wiederholt mündlich interveniert haben will, was in den Akten
nicht dokumentiert ist, vermag ihn nicht zu entlasten, weil er gehalten
gewesen wäre, konkrete Massnahmen für eine fristgerechte Bezahlung der
geschuldeten Beiträge in die Wege zu leiten, wofür angesichts des
mehrmonatigen Beitragsausstandes mündliche Mahnungen an den Geschäftsführer
nicht genügten. Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, dass die
Vorinstanz in antizipierter Beweiswürdigung von der Einvernahme von
A.________ abgesehen hat. Soweit der Beschwerdeführer sodann geltend macht,
die Beiträge seien nur deshalb nicht bezahlt worden, weil er mit der
Bekanntgabe seines Austrittes bzw. nach seinem Austritt aus dem
Verwaltungsrat nicht mehr den gleichen Einfluss auf A.________ hätte ausüben
können wie vorher, ist anzufügen, dass sich der Vorwurf grobfahrlässigen
Verhaltens auf die Zeit bis zu seinem tatsächlichen Austritt aus dem
Verwaltungsrat (und nicht etwa bis zum Zeitpunkt der Löschung seiner Funktion
im Handelsregister; BGE 126 V 61) beschränkt. Offensichtlich unzutreffend ist
sodann die vom Beschwerdeführer in anderem Zusammenhang aufgestellte
Behauptung, ein Beitragsausstand sei erst nach seinem Rückzug aus dem
Verwaltungsrat entstanden, handelt es sich doch um die Beitragspauschalen
Juni bis September 2001, welche jeweils innert zehn Tagen nach Ablauf des
Monates, für den sie geschuldet waren, hätten bezahlt werden müssen (Art. 34
Abs. 3 AHVG) und damit längst vor dem am 8. November 2001 erfolgten Rücktritt
fällig waren.

Soweit der Beschwerdeführer sodann sinngemäss aus der kurzen Dauer des
Beitragsausstandes etwas zu seinen Gunsten abzuleiten versucht, kann ihm
nicht gefolgt werden. Die Frage der Dauer des Normverstosses ist - wie das
Eidgenössische Versicherungsgericht in BGE 121 V 244 Erw. 4b dargelegt hat -
ein Beurteilungskriterium, welches im Rahmen der Gesamtwürdigung zu
berücksichtigen ist und als Entlastungsgrund zur Verneinung der
Schadenersatzpflicht führen kann. Im Rahmen der Gesamtwürdigung ist indessen
vorliegend zu berücksichtigen, dass die Firma bereits im Vorjahr mit der
Beitragszahlungspflicht in Verzug geraten war und die Beiträge - wie der
Beschwerdeführer selber ausführte - seit Monaten nur auf Betreibung hin
bezahlte, so dass - anders als in dem BGE 121 V 245 zugrunde liegenden
Sacherhalt - nicht gesagt werden kann, die I.________ AG habe das
Beitragswesen einwandfrei und straff gehandhabt. Aus diesem Grunde vermag
sich der Beschwerdeführer nicht auf den Exkulpationsgrund der kurzen Dauer
der Ausstände zu berufen.
Was schliesslich den Einwand des Fehlens eines adäquaten Kausalzusammenhanges
(vgl. dazu BGE 119 V 406 Erw. 4a mit Hinweisen) anbelangt, ist darauf
hinzuweisen, dass hiefür erforderlich wäre, dass auch ein pflichtgemässes
Verhalten den Schaden nicht hätte verhindern können, wobei die blosse
Hypothese, der Schaden wäre auch bei pflichtgemässem Verhalten eingetreten,
die Adäquanz nicht zu beseitigen vermag, sondern vielmehr mit Gewissheit oder
doch mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein muss, dass ein Schaden
ohnehin eingetreten wäre (Urteil H. vom 21. Januar 2004, H 267/02). Diese
Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 20. April 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: