Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 226/2004
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H 226/04

Urteil vom 29. März 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Schmutz

B.________, 1973, Israel, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
Michel Haymann, Zeltweg 44, 8032 Zürich,

gegen

Schweizerische Ausgleichskasse, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin

Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen, Lausanne

(Entscheid vom 5. Oktober 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1973 geborene Schweizer Bürger B.________ reiste Ende Dezember 2000 nach
Israel aus, wo er seitdem wohnt. Am 17. März 2003 erklärte er bei der
schweizerischen Botschaft den Beitritt zur freiwilligen Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV/IV). Mit Verfügung vom 7. Mai
2003 lehnte die Schweizerische Ausgleichskasse das Gesuch wegen verspäteter
Anmeldung ab. Auf die dagegen erhobene Einsprache trat sie am 30. Juli 2003
wegen Fristversäumnis nicht ein.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess die Eidgenössische Rekurskommission
der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen mit Entscheid vom 5. Oktober
2004 teilweise gut. Sie hob den Einspracheentscheid insoweit auf, als auf die
Einsprache nicht eingetreten worden war. Im Übrigen wies sie die Beschwerde
ab, weil die Beitrittserklärung zur freiwilligen Versicherung nicht
rechtzeitig erfolgt sei.

C.
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
die Schweizerische Ausgleichskasse sei zu verpflichten, ihn rückwirkend auf
den 1. Januar 2001 (eventualiter 1. April 2003) in die freiwillige
Versicherung aufzunehmen.
Die Schweizerische Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die strittige Verfügung hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Eidgenössische
Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie
Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
Die Vorinstanz hat in Erwägung 2 zutreffend dargelegt, dass und warum die
Schweizerische Ausgleichskasse zu Unrecht wegen Fristversäumnis nicht auf die
Einsprache eingetreten ist.

3.
Da die nach der Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen für die
Ausdehnung des Verfahrens auf eine ausserhalb des Anfechtungsgegenstandes
liegende Streitfrage gegeben sind (vgl. BGE 130 V 503, 122 V 36 Erw. 2a mit
Hinweisen), hat die Eidgenössische Rekurskommission über den angefochtenen
Nichteintretensentscheid hinaus zu Recht auch die Frage beurteilt, ob der
Beschwerdeführer die Beitrittserklärung zur freiwilligen Versicherung
rechtzeitig abgab.

4.
4.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Alters- und
Hinterlassenenversicherung (AHVG) in der bis 31. Dezember 2000 gültig
gewesenen Fassung konnten sich die im Ausland niedergelassenen Schweizer
Bürger, die nicht nach Art. 1 AHVG obligatorisch versichert waren, freiwillig
versichern, sofern sie das 50. Altersjahr noch nicht zurückgelegt hatten.
Nach Abs. 2 derselben Bestimmung konnten ausserdem Schweizer Bürger, die aus
der obligatorischen Versicherung ausschieden, die Versicherung ohne Rücksicht
auf ihr Alter freiwillig weiterführen. Nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung über
die freiwillige Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (VFV)
konnten Auslandschweizer den Beitritt zur freiwilligen Versicherung bis
spätestens ein Jahr nach vollendetem 50. Altersjahr erklären. Bezüglich der
Fortführung der Versicherung gemäss Art. 2 Abs. 2 AHVG sah Art. 10 Abs. 1 VFV
vor, Auslandschweizer könnten ohne Rücksicht auf ihr Alter innert Jahresfrist
seit Wegfall der Voraussetzungen für die obligatorische Versicherung den
Beitritt zur freiwilligen Versicherung erklären. Diesfalls erfolgte der
Beitritt rückwirkend auf das Ausscheiden aus der obligatorischen Versicherung
und hatte zur Folge, dass diese nicht unterbrochen wurde (aArt. 10 Abs. 3
VFV).

4.2 Mit Wirkung per 1. Januar 2001 wurden die Normen des AHVG über die
freiwillige Versicherung, auf den 1. April 2001 ausserdem einzelne
Bestimmungen der VFV revidiert. Danach können Schweizer Bürger und
Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die in
einem Staat ausserhalb der Europäischen Gemeinschaft leben, der freiwilligen
Versicherung beitreten, falls sie unmittelbar vorher während mindestens fünf
aufeinander folgenden Jahren obligatorisch versichert waren (Art. 2 Abs. 1
AHVG). Mit  Wirkung ab 1. Juni 2002 wurde diese Regelung auf die
Staatsangehörigen der Europäischen Freihandelsassoziation ausgedehnt, und die
Beitrittsmöglichkeit wurde auch für die im Gebiet derer Mitgliedstaaten
lebenden Schweizer Bürger und Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der
Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Freihandelsassoziation
geschlossen (Änderung von Art. 2 Abs. 1 AHVG vom 14. Dezember 2001). Die
Beitrittserklärung muss schriftlich bei der zuständigen Auslandsvertretung
innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus der
obligatorischen Versicherung eingereicht werden. Nach Ablauf dieser Frist ist
ein Beitritt zur freiwilligen Versicherung nicht mehr möglich (Art. 8 Abs. 1
VFV). Die freiwillige Versicherung beginnt mit dem Ausscheiden aus der
obligatorischen Versicherung (Art. 8 Abs. 2 VFV). Die Gewährung oder die
Ablehnung ist durch eine Kassenverfügung zu treffen (so der neue Wortlaut von
Art. 11 VFV).

4.3 In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes
Geltung hatten. Die Beurteilung des am 17. März 2003 gestellten
Aufnahmegesuchs, über welches mit Verfügung vom 7. Mai 2003 entschieden
wurde, richtet sich demzufolge nach Art. 2 Abs. 1 AHVG in der seit 1. Juni
2002 geltenden sowie Art. 7 und 8 VFV in der seit 1. April 2001 gültigen
Fassung.

5.
5.1 Für Verwaltung und Vorinstanz steht fest, dass der Beschwerdeführer am 31.
Dezember 2000 aus der Versicherung ausschied, weil er an diesem Tag den
Wohnsitz ins Ausland verlegte und die Beitrittserklärung zur freiwilligen
Versicherung nicht innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens
schriftlich bei der zuständigen Auslandsvertretung einreichte.

5.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Befristung der Ausübung des Rechts
zum Übertritt beruhe auf neuem Recht, das erst nach seiner Ausreise in Kraft
getreten sei. Er habe gemäss dem bei der Ausreise am 31. Dezember 2000
geltenden Recht bis zur Vollendung des 50. Altersjahrs weiterhin Anspruch
darauf, den Beitritt zur freiwilligen Versicherung zu erklären, und dies
somit am 17. März 2003 rechtzeitig getan. Der Beschwerdeführer beruft sich
damit sinngemäss auf eine Übergangsregelung, die - da sie vom Gesetzgeber
nicht geschaffen worden ist - durch das Gericht zu treffen sei. Wie das
Eidgenössische Versicherungsgericht jedoch mit Urteil G. vom 6. April 2004 (H
216/03) mit Bezug auf die vorliegend zu beurteilende Rechtslage bereits
erwogen hat (vgl. AHI 2004 S. 172 f.), ist die Schaffung einer
Übergangsregelung grundsätzlich Sache der rechtsetzenden Organe und nicht des
Gerichts. Angesichts der auf Bundesebene geltenden Massgeblichkeit von
Bundesgesetzen für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden
Behörden (Art. 191 BV) ist es dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
ausserdem verwehrt, Normen auf formeller Gesetzesstufe mit Blick auf
verfassungsrechtliche Überlegungen die Anwendung zu versagen. Unabhängig
davon liegt aber vorliegend weder eine echte Rückwirkung (BGE 124 III 496 f.
Erw. 1, 122 V 8 Erw. 3a, 122 II 124 Erw. 3b/dd, je mit Hinweisen) noch ein
Eingriff in wohlerworbene Rechte (BGE 122 I 340 Erw. 7a, 118 Ia 256 Erw. 5b)
vor. Auch der unter bestimmten Voraussetzungen auf Grund des
verfassungsmässigen Rechts auf Treu- und Glaubensschutz zu bejahende Anspruch
auf angemessene Übergangsfristen, wenn Private durch eine unvorhergesehene
Rechtsänderung in schwerwiegender Weise in ihren gestützt auf die bisherige
Regelung getätigten Dispositionen getroffen werden (BGE 125 II 165 Erw. 5,
123 II 446 f. Erw. 9, 122 V 409 Erw. 3b/bb, 119 Ib 251 Erw. 5e, 257 Erw. 9b),
besteht vorliegend nicht, da weder von einer unvorhergesehenen Rechtsänderung
gesprochen werden kann noch vom Beschwerdeführer substanziiert geltend
gemacht wurde, dass er Dispositionen der erwähnten Art getroffen hätte. Die
blosse Erwartung, der Versicherung beitreten zu können, stellt keine
Disposition dar.

6.
Der Beschwerdeführer beanstandet, die schweizerische Auslandsvertretung habe
ihn nicht über die Möglichkeit eines Beitritts zur freiwilligen Versicherung
beziehungsweise über sein Ausscheiden aus der obligatorischen AHV/IV
orientiert. Wie die Vorinstanz jedoch zutreffend dargelegt hat, sind die
schweizerischen Auslandsvertretungen nach der Rechtsprechung zwar befugt,
aber nicht verpflichtet, die Auslandschweizer über die Beitrittsmöglichkeiten
und die Auswirkungen der freiwilligen Versicherung zu orientieren (BGE 121 V
69 mit Hinweis). Das Unterbleiben einer offiziellen Information über die per
1. Januar 2001 erfolgte Rechtsänderung ist daher nicht geeignet, einen
Anspruch auf eine dem materiellen Recht widersprechende Behandlung zu
begründen.

7.
Zu dem in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneut gemachten Vorbringen, der
Beschwerdeführer sei auf Grund der Beitragsverfügung für das Jahr 2001 der
Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich vom 23. Februar 2001 in seinem
Vertrauen darauf zu schützen, als Auslandschweizer im Ausland weiterhin
versichert zu sein, wird hier auf die vorinstanzliche Erwägung 5 verwiesen.
Da die erwähnte Verfügung nicht dazu geeignet war, dieses Vertrauen beim
Beschwerdeführer aufzubauen, erübrigen sich weitere Ausführungen darüber, ob
er von der "vertrauenszerstörenden" Annullierung der betreffenden Verfügung
im April 2001 etwas wusste oder nicht.

8.
Weil die Anmeldung zur freiwilligen Versicherung vom 17. März 2003 mehr als
ein Jahr nach dem Ausscheiden aus der obligatorischen AHV/IV am 31. Dezember
2000 erfolgte, sind die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 1 AHVG in Verbindung
mit Art. 8 VFV für den Beitritt des Beschwerdeführers zur freiwilligen
Versicherung nicht erfüllt.

9.
Da das Verfahren nicht die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen zum Gegenstand hat, ist es kostenpflichtig (Art. 134
OG). Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen
(Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 29. März 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: