Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 200/2004
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H 200/04

Urteil vom 15. März 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiberin Hofer

S.________, 1938, Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Ausgleichskasse, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin,

Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen, Lausanne

(Entscheid vom 3. September 2004)

Sachverhalt:

A.
Der am 16. Dezember 1938 geborene, in Deutschland wohnhafte deutsche
Staatsangehörige S.________ war zwischen 1956 und 2002 in der Schweiz
erwerbstätig. Mit Verfügung vom 15. Mai 2003 hatte ihm die IV-Stelle für
Versicherte im Ausland mit Wirkung ab 1. Februar 2003 eine ganze ordentliche
Rente der Invalidenversicherung auf der Grundlage einer anrechenbaren
Beitragsdauer von 44 Jahren, eines massgebenden durchschnittlichen
Jahreseinkommens von Fr. 87'354.- sowie der Rentenskala 44 in Höhe von Fr.
2110.- zugesprochen. Zufolge Erreichens des AHV-Alters wurde diese Rente mit
Wirkung ab 1. Januar 2004 durch eine ordentliche Altersrente der AHV in
gleicher Höhe abgelöst (Verfügung der Schweizerischen Ausgleichskasse vom 5.
Dezember 2003). Seine am 17. Juli 1936 geborene Ehefrau H._______, welche
ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, arbeitete zwischen 1955
und 1961 in der Schweiz. Ihr hatte die Schweizerische Ausgleichskasse mit
Verfügung vom 28. August 1998 ab 1. August 1998 eine ordentliche Altersrente
auf der Grundlage einer anrechenbaren Beitragsdauer von 4 Jahren und acht
Monaten, eines massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommens von Fr.
8358.- sowie der Rentenskala 3 in Höhe von Fr. 68.- (Fr. 120.- ab 1. Februar
2003) im Monat zugesprochen. Auf Einsprache des S.________ hin, welcher eine
Verzichtserklärung von H.________ zum Anspruch auf eine Altersrente zugunsten
einer Zusatzrente zur Altersrente ihres Ehegatten beilag, hielt die
Verwaltung mit Einspracheentscheid vom 17. März 2004 an ihrer Verfügung vom
5. Dezember 2003 fest.

B.
Die hiegegen von S.________ eingereichte Beschwerde wies die Eidgenössische
Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen mit
Entscheid vom 3. September 2004 ab.

C.
S.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, es sei ihm
unter Berücksichtigung der Erklärung des Verzichts seiner Ehefrau auf ihre
eigene Altersrente mit Wirkung ab 1. Januar 2003 eine Zusatzrente zu seiner
Altersrente in Höhe von Fr. 633.- pro Monat zuzusprechen. Da er während 47
Jahren und somit 3 Jahre länger als für das Erreichen der vollständigen
Beitragsdauer nach AHVG notwendig, Sozialversicherungsbeiträge einbezahlt
habe, sei zudem zu prüfen, ob ihm die nicht rentenbildenden Beiträge
zurückerstattet werden könnten.
Während die Schweizerische Ausgleichskasse auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

D.
Die als Mitinteressierte zum Verfahren beigeladene H.________ hat am 12.
Februar 2005 Stellung genommen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidgenössische Versicherungsgericht
letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne
von Art. 97, 98 lit. b-h und 98a OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Im
verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur
Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige
Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung
genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise
weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem
Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und
insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 125 V 414 Erw. 1a, 119 Ib 36 Erw.
1b, je mit Hinweisen).

Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts kann das
verwaltungsgerichtliche Verfahren aus prozessökonomischen Gründen auf eine
ausserhalb des Anfechtungsgegenstandes, d.h. ausserhalb des durch die
Verfügung bestimmten Rechtsverhältnisses liegende spruchreife Frage
ausgedehnt werden, wenn diese mit dem bisherigen Streitgegenstand derart eng
zusammenhängt, dass von einer Tatbestandsgesamtheit gesprochen werden kann,
und wenn sich die Verwaltung zu dieser Streitfrage mindestens in Form einer
Prozesserklärung geäussert hat (BGE 130 V 503, 122 V 36 Erw. 2a mit
Hinweisen).

1.2 Anfechtungsgegenstand im vorinstanzlichen Verfahren bildete der
Einspracheentscheid vom 17. März 2004. Dieser hatte einzig den Anspruch des
Beschwerdeführers auf eine Altersrente zum Gegenstand. Zur Frage einer
allfälligen Rückerstattung von bereits bezahlten AHV-Beiträgen nahm die
Schweizerische Ausgleichskasse nicht Stellung, weshalb dieser Punkt nicht
Gegenstand des Verwaltungsaktes bildete. Nachdem im vorinstanzlichen
Verfahren kein Antrag auf Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen
gestellt worden war, hatte die Rekurskommission nicht darüber zu befinden. Da
die Rückerstattung geleisteter Beiträge somit weder Gegenstand des
Einspracheentscheides noch des vorinstanzlichen Entscheids war, fehlt es
insofern am Anfechtungsgegenstand und daher an einer
Sachurteilsvoraussetzung.

1.3 Zum im letztinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag auf
Prämienrückerstattung hat sich die Schweizerische Ausgleichskasse in ihrer
Vernehmlassung nicht geäussert. Die prozessualen Voraussetzungen für eine
Prüfung dieser somit nicht spruchreifen Frage durch das Eidgenössische
Versicherungsgericht liegen daher nicht vor. Auf den Antrag auf
Rückerstattung von geleisteten AHV-Beiträgen ist folglich nicht einzutreten.

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob dem Beschwerdeführer zu Recht eine Zusatzrente
für seine Ehefrau zu seinem am 1. Januar 2004 entstandenen Anspruch auf eine
AHV-Altersrente abgesprochen wurde, weil diese seit dem 1. August 1998 eine
Altersrente bezog und der Verzicht auf diese Rente zugunsten einer
Zusatzrente nicht zugelassen wurde.

3.
Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt,
sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen
Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der
Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG).

4.
4.1 Im angefochtenen Entscheid wurde zutreffend erwogen, dass das am 1. Juni
2002 in Kraft getretene Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit
(FZA; SR 0.142.112.681), insbesondere auch dessen Anhang II, der die
Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit regelt, im vorliegenden
Verfahren grundsätzlich zu berücksichtigen ist. Soweit dieses indessen - wie
bezüglich der hier zu beurteilenden Verzichtsproblematik - keine abweichenden
Bestimmungen vorsieht, ist mangels einer einschlägigen gemeinschafts- bzw.
abkommensrechtlichen Regelung die Ausgestaltung des Verfahrens sowie die
Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und die Berechnung der schweizerischen
Altersrente grundsätzlich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung.

4.2 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten, mit
welchem auch im AHV-Bereich zahlreiche Normen geändert worden sind. Da in
zeitlicher Hinsicht regelmässig diejenigen Rechtssätze zur Anwendung kommen,
die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung
haben (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen), ist
das ATSG für die Beurteilung der Höhe des am 1. Januar 2004 entstandenen
Altersrentenanspruchs des Beschwerdeführers grundsätzlich anwendbar. Soweit
fraglich ist, ob die Ehefrau auf ihren eigenen am 1. August 1998 entstandenen
Altersrentenanspruch verzichten kann, sind die neuen Bestimmungen nicht
massgebend. Daran ändern weder der Umstand, dass sie erstmals am 17. Dezember
2003 gegenüber der Schweizerischen Ausgleichskasse schriftlich ihren Verzicht
auf ihre Altersrente erklärt hat, noch der mit Datum vom 17. März 2004
erlassene Einspracheentscheid etwas (vgl. Urteil K. vom 23. September 2004, H
81/04). Denn nach der übergangsrechtlichen Regel des Art. 82 Abs. 1 ATSG sind
die materiellrechtlichen Bestimmungen dieses Gesetzes auf Forderungen, welche
bei seinem In-Kraft-Treten schon festgesetzt waren, nicht anwendbar.

5.
5.1 Gemäss Art. 22bis Abs. 1 Satz 1 AHVG (in der bis 31. Dezember 1996 in
Kraft gewesenen Fassung [nachfolgend: altArt. 22bis AHVG]) hatten Ehemänner,
denen eine einfache Altersrente zustand, für die Ehefrau, die das 55.
Altersjahr zurückgelegt hatte, Anspruch auf eine Zusatzrente. Dieser
Zusatzrentenanspruch wurde mit der 10. AHV-Revision per 1. Januar 1997
grundsätzlich aufgehoben. Übergangsrechtlich sieht lit. e Abs. 1 der
Schlussbestimmungen der Änderung vom 7. Oktober 1994 (10. AHV-Revision;
nachfolgend: ÜbBest. AHV 10) indes vor, dass die untere Altersgrenze der
Ehefrau für den Anspruch auf eine Zusatzrente gemäss dem bisherigen Art.
22bis Abs. 1 AHVG wie folgt angepasst wird: Für jedes Kalenderjahr nach
In-Kraft-Treten des neuen Art. 22bis Abs. 1 AHVG wird die bisherige Grenze
von 55 Jahren um ein Jahr erhöht. Art. 22bis Abs. 1 Satz 1 AHVG - in der seit
1. Januar 1997 geltenden Fassung (nachfolgend: neuArt. 22bis AHVG) - hält
sodann, ebenfalls als intertemporalrechtliche Ausnahmebestimmung, fest, dass
Männern und Frauen, die bis zur Entstehung des Anspruchs auf eine Altersrente
eine Zusatzrente der Invalidenversicherung bezogen haben, diese Rente
weitergewährt wird, bis ihr Ehegatte einen Anspruch auf eine Altersrente oder
eine Invalidenrente erwirbt.

5.2 Im Rahmen des mit der 10. AHV-Revision auf den 1. Januar 1997
beabsichtigten Systemwechsels wurde die Gewährung einer Zusatzrente für die
Ehefrau in der AHV auf jene Fälle beschränkt, in denen aus Überlegungen der
Besitzstandsgarantie eine Zusatzrente aus der Invalidenversicherung bis zur
Rentenberechtigung beider Ehegatten auch in der AHV weiterhin ausgerichtet
wird (Art. 22bis Abs. 1 AHVG), und in denen infolge der Übergangsregelung
eine Zusatzrente nach Art. 22bis Abs. 1 altAHVG nach wie vor zur Ausrichtung
gelangt (vgl. lit. e Abs. 1 ÜbBest. AHV 10). Der Ehemann, der im Zeitpunkt
des InKraft-Tretens der 10. AHV-Revision bereits eine Zusatzrente im
letztgenannten Sinne bezieht, behält diesen Anspruch, bis seine Ehefrau einen
eigenen Rentenanspruch erwirkt. Männer, die am 1. Januar 1997 noch keine
Altersrente haben, werden später bei Erreichen des Rentenalters eine
Zusatzrente erhalten, wenn ihre Ehegattin am 1. Januar 1997 mindestens 56
Jahre alt war (Jahrgang 1941) und selber keinen eigenen Rentenanspruch hat.
Das Grenzalter für die Zusatzrente wird mit jedem Jahr nach dem
In-Kraft-Treten der 10. AHV-Revision um ein Jahr angehoben, bis es mit dem
Rentenalter der Frauen zusammenfällt. Im Jahre 2003 werden letztmals "neue"
Zusatzrenten gemäss Art. 22bis Abs. 1 altAHVG in Verbindung mit lit. e Abs. 1
ÜbBest. AHV 10 gewährt werden (BGE 129 V 5 Erw. 2; vgl. auch BBl 1990 II 43
ff., 87; Jürg Brechbühl, Die Übergangsbestimmungen zur 10. AHV-Revision, ein
wichtiger Teil der Gesetzesänderungen, in: Soziale Sicherheit [CHSS], 2/1995,
S. 75).

6.
Der Beschwerdeführer bezog seit 1. Februar 2003 eine Invalidenrente, seine
Ehefrau seit 1. August 1998 eine Altersrente. Die Invalidenrente wurde per 1.
Januar 2004 durch eine Altersrente abgelöst. Aus dieser Sachlage erhellt,
dass weder ein Anspruch auf eine Zusatzrente aufgrund der Übergangsregelung
gemäss alt Art. 22bis Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Ziff. 1 lit. e Abs. 1
ÜbBest. AHV 10 noch ein solcher mit Blick auf Weitergewährung einer
Zusatzrente aus der Invalidenversicherung bei Entstehen des Anspruchs auf
eine Altersrente nach Art. 22bis Abs. 1 AHVG (in Verbindung mit Art. 34 IVG)
entstanden ist. Die Ehefrau des Beschwerdeführers hatte bereits eine eigene
AHV-Altersrente bezogen, bevor diesem eine Invalidenrente zugesprochen worden
war, weshalb die Voraussetzungen für eine Anwendung der Übergangsregelung von
Art. 22bis AHVG nicht erfüllt sind.

7.
Fraglich ist, ob die Ehefrau des Beschwerdeführers auf den Zeitpunkt der
Entstehung des Altersrentenanspruchs ihres Ehemannes rechtswirksam auf ihren
eigenen Altersrentenanspruch zugunsten einer Zusatzrente zur Altersrente des
Ehegatten verzichten konnte. Dies im Hinblick darauf, dass es im seit der 10.
AHV-Revision geltenden Individualrentensystem Konstellationen gibt, bei denen
die Altersrente (Teilrente) der Ehefrau kleiner ausfällt als die Zusatzrente,
die der rentenberechtigte Ehemann zu seiner Alters- oder Invalidenrente für
seine Ehegattin erhielte, wenn sie keine eigene Rente beziehen würde.
Das Eidgenössische Versicherungsgericht hatte Gelegenheit, sich in BGE 129 V
1 zur Verzichtsproblematik zu äussern. Zusammenfassend kam es dabei zum
Schluss, dass sich auch unter Geltung der auf den 1. Januar 1997 in Kraft
getretenen Bestimmungen der 10. AHV-Revision grundsätzlich nichts an der
bisherigen Rechtsprechung ändert, die einen Verzicht auf Leistungen der AHV
und der IV nur in Ausnahmefällen als zulässig erklärt. Ein derartiger
Ausnahmefall wurde insbesondere für den Verzicht einer Versicherten auf ihren
eigenen (Alters-)Rentenanspruch zugunsten einer AHV-Vollrente ihres Ehemannes
mit Zusatzrente verneint. Wie bereits die Vorinstanz mit Recht erwogen hat,
würde mit einem allfälligen Verzicht der Ehefrau - falls ein solcher
überhaupt zulässig wäre - zudem lediglich ihre eigene Altersrente wegfallen,
ohne dass dem Beschwerdeführer neu eine Zusatzrente zugesprochen werden
könnte.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, dem Bundesamt für
Sozialversicherung und H.________ zugestellt.

Luzern, 15. März 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: