Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 177/2004
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H 177/04

Urteil vom 14. April 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Hadorn

P.________ GmbH, A.________, Beschwerdeführerin,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 20. August 2004)

Sachverhalt:

A.
Mit Nachzahlungsverfügung vom 2. Oktober 2003 erhob die Ausgleichskasse des
Kantons Zürich von der Firma P.________ GmbH
Arbeitslosenversicherungsbeiträge im Umfang von Fr. 1800.-. Die dagegen
erhobene Einsprache wies die Kasse mit Entscheid vom 12. März 2004 ab.

B.
Parallel zu diesem Verfahren hatte die Ausgleichskasse die ausstehende
Zahlung mittels Betreibung Nr. ... des Betreibungsamtes X.________ erhältlich
zu machen versucht, wogegen die P.________ GmbH Rechtsvorschlag erhoben
hatte. Mit Veranlagungsverfügung vom 9. Februar 2004 forderte die
Ausgleichskasse von der Firma erneut Arbeitslosenversicherungsbeiträge von
Fr. 1800.- zuzüglich Verzugszinsen, Mahngebühren, Betreibungs- und
Veranlagungskosten, ausmachend insgesamt Fr. 1993.40, ein und hob zugleich
den Rechtsvorschlag gegen die erwähnte Betreibung auf. Die hiegegen geführte
Einsprache wies die Kasse mit Entscheid vom 4. Mai 2004 ab.

C.
Die P.________ GmbH focht beide Einspracheentscheide beschwerdeweise an. Das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vereinigte die zwei Verfahren
mit Entscheid vom 20. August 2004 zu einem einzigen, hob den
Einspracheentscheid vom 4. Mai 2004 und die Verfügung vom 10. Februar 2004
auf und wies die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 12. März 2004
ab.

D.
Die P.________ GmbH führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es
seien A.________ als Selbstständigerwerbender zu erfassen und die Abrechnung
der Arbeitslosenversicherungsbeiträge ab 1. Januar 2002 dementsprechend
anzupassen.
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf
eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid
Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische
Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht
gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um
die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob auf den im Jahr 2002 an A.________
ausgerichteten Entgelten Arbeitslosenversicherungsbeiträge geschuldet sind.

2.1 Nach Art. 2 Abs. 1 lit. a AVIG ist in der Arbeitslosenversicherung der
Arbeitnehmer (zum Begriff vgl. Art. 10 ATSG) beitragspflichtig, der nach dem
Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und
Hinterlassenenversicherung (AHVG) obligatorisch versichert und für Einkommen
aus unselbstständiger Tätigkeit beitragspflichtig ist. Gemäss lit. b
derselben Vorschrift ist zudem der Arbeitgeber (vgl. Art. 11 ATSG)
beitragspflichtig, sofern er nach Art. 12 AHVG Beiträge zu entrichten hat.
Laut Abs. 1 von Art. 12 AHVG gilt als Arbeitgeber, wer obligatorisch
versicherten Personen Arbeitsentgelte gemäss Art. 5 Abs. 2 AHVG ausrichtet.
Beitragspflichtig sind alle Arbeitgeber, die in der Schweiz eine
Betriebsstätte haben oder in ihrem Haushalt obligatorisch versicherte
Personen beschäftigen (Art. 12 Abs. 2 AHVG). Vorbehalten bleiben
Beitragsbefreiungen auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen oder
völkerrechtlicher Übung (Art. 12 Abs. 3 AHVG).

2.2 Hinsichtlich der Beitragspflicht stellt das AVIG somit auf die
AHV-Gesetzgebung ab. Es erklärt nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch deren
Arbeitgeber als beitragspflichtig, obwohl Letztere selber nicht versichert
sind und damit keinen Leistungsanspruch haben (Gerhards, Kommentar zum
Arbeitslosenversicherungsgesetz, N 20 zu Art. 2). Entscheidend für die
Unterstellung unter die AHV- wie die AlV-Beitragspflicht ist, ob massgebender
Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG ausgerichtet wird (Gerhards, a.a.O., N
32 und N 42 zu Art. 2). In der Arbeitslosenversicherung gilt grundsätzlich
ein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff, welcher vollumfänglich auf den
ahv-rechtlichen Begriff der unselbstständigen Erwerbstätigkeit abstellt
(Nussbaumer, in: SBVR, Arbeitslosenversicherung, S. 12 Rz 24). Ob jemand
Arbeitnehmer ist, hängt deshalb einzig davon ab, ob er eine ahv-pflichtige
unselbstständige Tätigkeit ausübt (BGE 121 V 367 Erw. 2). Darunter fallen
nicht nur die im privat- oder öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis
beschäftigten Arbeitnehmer (Nussbaumer, a.a.O., S. 13). Soweit
arbeitgeberähnliche Personen, beispielsweise Geschäftsführer einer Firma,
einen massgebenden Lohn im Sinne der AHV-Gesetzgebung verdienen, fallen sie
unter den Begriff der Arbeitnehmer. Daran ändert sich auch nichts, wenn sie
in der gleichen Firma zusätzlich Funktionen ausüben, die wirtschaftlich mit
denjenigen eines selbstständig Erwerbenden vergleichbar sind. Sie und ihre
Arbeitgeber bleiben beitragspflichtig (Art. 2 Abs. 1 lit. a und b AVIG, BGE
122 V 251 Erw. 2b; Nussbaumer, a.a.O., S. 64 Rz 161). Das AHV-Beitragsstatut
ist für die Arbeitslosenversicherung massgebend, soweit es nicht
offensichtlich unrichtig ist (BGE 119 V 158 Erw. 3a).

2.3 Die Ausnahmen von der Beitragspflicht sind in Art. 2 Abs. 2 AVIG
festgehalten. Sie betreffen allesamt nicht den hier relevanten Tatbestand und
befreien namentlich arbeitgeberähnliche Personen und die sie beschäftigenden
Unternehmungen nicht davon, die paritätischen Beiträge zu entrichten (vgl.
auch Gerhards, a.a.O., N 51 ff. zu Art. 2 und Nussbaumer, a.a.O., S. 15 ff.
Rz 29 ff.). An diese gesetzliche Ordnung ist das Eidgenössische
Versicherungsgericht gebunden (Art. 191 BV). Es hat die erwähnten Grundsätze
im Urteil W. vom 29. Dezember 2004 (C 160/04) bestätigt.

3.
A.________ ist gemäss einem entsprechenden Auszug aus dem Handelsregister
Gesellschafter und Geschäftsführer der P.________ GmbH mit
Einzelunterschrift. Neben ihm ist nur noch N.________ als Gesellschafterin
ohne Zeichnungsberechtigung eingetragen. In der Funktion als Geschäftsführer
hat A.________ wohl eine arbeitgeberähnliche Stellung inne, ist jedoch
ahv-rechtlich als Arbeitnehmer zu qualifizieren (in ARV 1998 S. 13f.
publizierte Erw. 5 von BGE 123 V 234; Urteil Z. vom 26. Mai 2000, C 213/99).
Dementsprechend hat die P.________ GmbH denn auch seinen Lohn als
ahv-pflichtigen Verdienst deklariert. A.________ hat also ungeachtet der
Tatsache, dass er momentan die einzige unterschriftsberechtigte Person der
GmbH ist und die Firma dominiert, massgebenden Lohn im Sinne der
AHV-Gesetzgebung erzielt. Ein offensichtlich unrichtige Festsetzung des
ahv-rechtlichen Beitragsstatuts liegt nicht vor (ARV 1998 S. 14 Erw. 5b/bb).
Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermögen nichts daran zu
ändern, dass die Firma dem Genannten ein Entgelt ausgezahlt hat, welches
ahv-rechtlich als massgebender Lohn zu betrachten ist. Sodann besitzt die
Beschwerdeführerin eine Betriebsstätte in der Schweiz und erfüllt damit die
Voraussetzungen nach Art. 12 Abs. 1 und 2 AHVG. Sie kann daher nicht von der
Beitragspflicht ausgenommen werden, weshalb schon aus diesem Grund eine
Befreiung von der Beitragspflicht gesetzlich ausgeschlossen ist.

4.
Die Beschwerdeführerin kritisiert dieses Ergebnis unter anderem mit dem
Argument, arbeitgeberähnliche Personen müssten Beiträge entrichten, könnten
aber nie entsprechende Leistungen beziehen.
Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG schliesst arbeitgeberähnliche Personen vom
Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung aus. Analoge Bestimmungen finden sich
bei der Schlechtwetterentschädigung (Art. 42 Abs. 3 AVIG) und der
Insolvenzentschädigung (Art. 51 Abs. 2 AVIG). Im Bereich der
Arbeitslosenentschädigung besteht zwar keine Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG
vergleichbare Vorschrift, welche arbeitgeberähnliche Personen von der
Leistungsberechtigung ausschliesst. Indessen hat die Rechtsprechung (BGE 123
V 234 und zahlreiche seitherige Urteile) auch in diesem Bereich dieselbe
Regelung angewendet. Denn bei arbeitgeberähnlichen Personen besteht auf Grund
der ihnen zustehenden Befugnisse (Ausstellung von
Gefälligkeitsbescheinigungen, beliebige Variation des eigenen Arbeitspensums
und damit einhergehend Unkontrollierbarkeit des eigenen tatsächlichen
Arbeitsausfalls, Mitbestimmung bei der eigenen Wiederanstellung usw.) in
Bezug auf sämtliche Leistungszweige der Arbeitslosenversicherung dasselbe, im
Vergleich zu gewöhnlichen Angestellten erhöhte Missbrauchspotenzial. Die
Rechtsprechung nach BGE 123 V 236 bezweckt nicht nur dem ausgewiesenen
Missbrauch an sich, sondern bereits dem Risiko eines solchen zu begegnen,
welches der Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung an arbeitgeberähnliche
Personen inhärent ist (ARV 2003 S. 240). Im Unterschied zu selbstständig
Erwerbenden geniessen arbeitgeberähnliche Personen durchaus
Versicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung. Daher sind sie entgegen
den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht Selbstständigen
gleichzustellen. Scheiden nämlich arbeitgeberähnliche Personen aus ihrem
Betrieb in einer Weise aus, dass sie endgültig alle jene Eigenschaften
verlieren, deretwegen sie bei Kurzarbeit auf Grund von Art. 31 Abs. 3 lit. c
AVIG vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung ausgenommen wären, besteht
durchaus Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, soweit die übrigen
Voraussetzungen (Art. 8 Abs. 1 AVIG) erfüllt sind. Das Erfordernis, aus der
bisherigen Firma definitiv auszuscheiden, ist wegen der Missbrauchsgefahr
notwendig, verhindert jedoch nicht generell, dass arbeitgeberähnliche
Personen überhaupt jemals Arbeitslosenentschädigung beziehen könnten. Zu
einer Änderung der Rechtsprechung BGE 123 V 236 besteht kein Anlass
(erwähntes Urteil W.).

5.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Die
unterliegende Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156
Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von total Fr. 600.- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 14. April 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: