Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 156/2004
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H 156/04

Urteil vom 21. Februar 2005

IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber
Fessler

W.________, 1947, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 29. Juni 2004)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 16. Mai 2003 forderte die Ausgleichskasse des Kantons
Zürich von W.________, Verwaltungsrat der Firma D.________ AG, als
Solidarhafter neben S.________ Schadenersatz (u.a. für entgangene Beiträge
für 2001 gemäss Pfändungsverlustschein vom 25. September 2002) in der Höhe
von Fr. 17'857.65. Mit Einspracheentscheid vom 23. Juli 2003 bestätigte die
Verwaltung die Schadenersatzpflicht in der verfügten Höhe.

B.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde des W.________ hob das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den Einspracheentscheid vom 23.
Juli 2003 insofern auf, als die Schadenersatzforderung den im
Pfändungsverlustschein vom 25. September 2002 ausgewiesenen Betrag von Fr.
6979.05 überstieg (Entscheid vom 29. Juni 2004).

C.
W.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen
Rechtsbegehren, Gerichtsentscheid und Einspracheentscheid seien aufzuheben.

Die Ausgleichskasse und auch S.________ als Mitinteressierter stellen keinen
Antrag zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nicht eingetreten werden, soweit
die im Streite liegende Schadenersatzforderung entgangene Beiträge an die
kantonale Familienausgleichskasse betrifft (vgl. BGE 124 V 146 Erw. 1 mit
Hinweis).

2.
2.1 Im angefochtenen Entscheid werden die Rechtsgrundlagen zur subsidiären
Haftung der Organe einer juristischen Person nach Art. 52 AHVG (in der bis
31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung) zutreffend dargelegt (vgl. BGE
123 V 15 Erw. 5b mit Hinweisen, 108 V 186 Erw. 1b und 202 Erw. 3a). Sie
gelten auch unter der Herrschaft des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen
Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG; vgl. neu Art. 52 Abs. 1 AHVG und BGE 129 V
11). Das kantonale Gericht hat im Besonderen richtig ausgeführt, dass die
Organe einer juristischen Person belangt werden können, bevor die Firma zu
existieren aufgehört hat. Dies ist namentlich bei Vorliegen eines definitiven
Pfändungsverlustscheins gemäss Art. 115 Abs. 1 SchKG in Verbindung mit Art.
149 SchKG der Fall (BGE 113 V 256 ff. Erw. 3c; vgl. auch ZAK 1990 S. 286,
1988 S. 299). Darauf wird verwiesen.

2.2 Bei der streitigen Schadenersatzpflicht geht es nicht um die Bewilligung
oder Verweigerung von Versicherungsleistungen nach Art. 132 OG. Das
Eidgenössische Versicherungsgericht prüft daher nur, ob die Vorinstanz
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

Im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG ist die Möglichkeit, im Verfahren vor dem
Eidgenössischen Versicherungsgericht neue tatsächliche Behauptungen
aufzustellen oder neue Beweismittel geltend zu machen, weitgehend
eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung sind nur jene neuen Beweismittel
zulässig, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte erheben müssen und
deren Nichterheben eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften
darstellt (BGE 121 II 99 Erw. 1c, 120 V 485 Erw. 1b, je mit Hinweisen).

3.
Das kantonale Gericht hat mit einlässlicher Begründung, auf welche verwiesen
wird, die streitige Schadenersatzpflicht nach alt Art. 52 AHVG als Folge der
unbezahlt gebliebenen Beiträge für 2001 gemäss Schlussabrechnung vom 22. März
2002 in der im Pfändungsverlustschein vom 25. September 2002 ausgewiesenen
Höhe bejaht. Was dagegen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht
wird, ist nicht stichhaltig. Vorab stellen die tatsächlichen Vorbringen,
soweit sie ausserhalb der vorinstanzlichen Akten liegen, unzulässige Noven
dar und haben daher unberücksichtigt zu bleiben (Erw. 2.2). Es betrifft dies
insbesondere den anfangs 2002 der Firma zur Verfügung gestellten
Darlehensbetrag von Fr. 55'000.-, womit der damalige Geschäftsführer unter
anderem auch die in Betreibung gesetzte Beitragsforderung hätte begleichen
sollen. Abgesehen davon macht der Beschwerdeführer nicht geltend, er habe in
Wahrnehmung seiner Sorgfaltspflicht als Verwaltungsrat kontrolliert, dass die
Schulden gegenüber der Ausgleichskasse effektiv auch bezahlt werden. Für die
Behauptung, er sei in strafrechtlich relevanter Weise über die Bezahlung der
Beiträge für 2001 gemäss Schlussabrechnung vom 22. März 2002 getäuscht
worden, weshalb der Vorwurf eines qualifizierten schuldhaften Verhaltens
nicht haltbar sei, ergeben sich aus den Akten keine begründeten Hinweise.
Daran ändert auch die im November 2003 eingereichte Strafanzeige gegen den
ehemaligen Geschäftsführer nichts. Abgesehen davon erfolgte diese erst nach
dem den Prüfungszeitraum begrenzenden Erlass des Einspracheentscheides vom
23. Juli 2003 (Urteil G. vom 25. November 2004 [H 53/04] Erw. 1; vgl. auch
BGE 116 V 248 Erw. 1a). Aus den genannten Gründen besteht auch kein Anlass
für eine Sistierung des Verfahrens im Hinblick auf ein allfälliges
Strafurteil (BGE 113 V 259 oben mit Hinweis). An ein solches Erkenntnis wäre
das Sozialversicherungsgericht im Übrigen ohnehin nicht gebunden (BGE 111 V
177 Erw. 5a mit Hinweisen). Immerhin kann ein strafrechtlicher Entscheid
unter Umständen einen Revisionsgrund im Sinne von Art. 53 Abs. 1 ATSG
darstellen (vgl. ZAK 1991 S. 366 Erw. 2b in fine; vgl. auch Ueli Kieser,
ATSG-Kommentar, S. 533 ff.).

Schliesslich vermögen den Beschwerdeführer auch seine Bemühungen zur
Abwendung des Konkurses nicht zu entlasten. Eigentliche Sanierungsmassnahmen
sind erst für die Zeit nach der Konkursverfügung vom 4. Juli 2003, somit
lange nach der erfolglosen Pfändung vom 25. September 2002 für die noch
ausstehenden Beiträge für 2001 dokumentiert. Der Verlustschein schloss im
Übrigen die Entrichtung der unbezahlt gebliebenen Fr. 6979.05 bis zur
rechtskräftigen Schadenersatzverfügung vom 16. Mai 2003 nicht aus.

Der angefochtene Entscheid ist somit rechtens.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem
Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 900.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, dem Bundesamt für Sozialversicherung und S.________ zugestellt.

Luzern, 21. Februar 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: