Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 101/2004
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H 101/04

Urteil vom 16. August 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiber Flückiger

M.________, 1950, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse Luzern, Würzenbachstrasse 8, 6006 Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 19. April 2004)

Sachverhalt:

A.
M.________ ist seit 1. Januar 2001 als Finanzplaner für die im Land
Q.________ ansässige X.________ AG tätig. Am 24./26. Februar 2003 meldete er
sich bei der Ausgleichskasse Luzern als Arbeitnehmer ohne beitragspflichtigen
Arbeitgeber an. Die Ausgleichskasse erliess daraufhin am 27. Februar 2003
Beitragsverfügungen für die Jahre 2001, 2002 und 2003. Am 28. Februar 2003
verneinte die Familienausgleichskasse des Kantons Luzern ihrerseits
verfügungsweise einen Anspruch auf Familienzulagen.

Mit Schreiben vom 24. März 2003 erklärte M.________, er erhebe gegen die vier
erwähnten Verfügungen vorsorglich Einsprache. Die Ausgleichskasse wies ihn am
28. März 2003 darauf hin, dass seine Eingabe die Anforderungen an eine
rechtsgültige Einsprache nicht erfülle, und räumte eine Frist von 10 Tagen
zur Verbesserung ein, welche in der Folge verlängert wurde. Am 12. Mai 2003
liess M.________ erklären, er wende sich nicht gegen die Beitragsverfügung
als solche, sondern gegen die Tatsache, dass er beitragsmässig als
Selbstständigerwerbender betrachtet werde, aber trotzdem keinen Anspruch auf
Kinderzulagen habe. Er beantrage daher präzisierend, dass die
Abweisungsverfügung betreffend Familienzulagen vom 28. Februar 2003
aufzuheben sei und ihm rückwirkend ab dem Jahr 2001 Kinderzulagen
auszurichten seien.

Mit Entscheid vom 23. Mai 2003 schrieb die Ausgleichskasse die Einsprache
gegen die Beitragsverfügungen vom 27. Februar 2003 infolge Rückzugs ab.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern ab (Entscheid vom 19. April 2004).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt M.________ unter anderem die
Aufhebung des kantonalen Entscheids und des Einspracheentscheids. Auf
Rückfrage des Eidgenössischen Versicherungsgerichts erklärte er in
Präzisierung der Beschwerdeschrift, der darin erwähnte Anspruch auf
Familienzulagen sei mittels separater staatsrechtlicher Beschwerde beim
schweizerischen Bundesgericht in Lausanne geltend gemacht worden.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidgenössische Versicherungsgericht
letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne
von Art. 97, 98 lit. b - h und 98a OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung.
Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur
Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige
Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung
genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise
weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem
Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und
insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 125 V 414 Erw. 1a, 119 Ib 36 Erw.
1b, je mit Hinweisen).

1.2  Mit dem vorinstanzlichen Entscheid, welcher den Anfechtungsgegenstand
der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde bestimmt, wurde einzig über die Rechtmässigkeit
des Einspracheentscheids vom 23. Mai 2003 befunden, welcher auf Abschreibung
des Einspracheverfahrens zufolge Rückzugs lautete. Bei dieser prozessualen
Ausgangslage hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob
die Vorinstanz den Abschreibungsbeschluss der Verwaltung zu Recht bestätigt
hat. Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus materiellrechtliche Anträge
stellt, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.

2.
2.1 Zu prüfen ist nach dem Gesagten, ob der vorinstanzlich bestätigte
Abschreibungsbeschluss vom 23. Mai 2003 zu Recht erging. Die Ausgleichskasse
begründete ihr Vorgehen mit dem Argument, die Eingabe des Rechtsvertreters
vom 12. Mai 2003 sei als Rückzug der Einsprache zu verstehen, während das
kantonale Gericht zum Ergebnis gelangte, die Abschreibung sei zufolge
Anerkennung der angefochtenen Verfügung zu Recht erfolgt.

2.2  Gemäss Art. 10 Abs. 1 der Verordnung über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSV) müssen Einsprachen ein Rechtsbegehren und
eine Begründung enthalten. Das Schreiben vom 24. März 2003 erfüllte diese
Anforderungen nicht. Der Versicherte erklärte denn auch selbst, er werde "die
entsprechenden Rechtsbegehren, Sachverhalte und Begründungen nachreichen".
Der Versicherer hatte deshalb gemäss Art. 10 Abs. 5 ATSV eine angemessene
Frist zur Behebung der Mängel anzusetzen, verbunden mit der Androhung, dass
sonst auf die Einsprache nicht eingetreten werde. Dieser Vorschrift kam die
Ausgleichskasse am 28. März 2003 nach. Gemäss der daraufhin eingereichten
Rechtsschrift vom 12. Mai 2003 wendet sich der Einsprecher nicht gegen die
Beitragsverfügungen [vom 27. Februar 2003] als solche und beantragt
präzisierend, dass die Abweisungsverfügung betreffend Familienzulagen vom 28.
Februar 2003 aufzuheben und ihm rückwirkend Kinderzulagen auszurichten seien.
In der Folge wird dargelegt, warum dieser Zulagenanspruch bestehe. Die
Verbesserung der vorsorglichen Einsprache enthält somit keine Äusserung des
Willens, die Beitragsverfügungen der Ausgleichskasse anzufechten, sondern
vielmehr die sinngemässe Aussage, deren Rechtmässigkeit werde nicht
bestritten. Dementsprechend fehlt auch eine diesbezügliche Begründung. Unter
diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, dass die Verwaltung von einer
materiellen Überprüfung der Beitragsverfügungen absah, wobei offen bleiben
kann, ob sie, statt die Einsprache zufolge Rückzugs (oder, wie die Vorinstanz
annimmt, Anerkennung der Rechtmässigkeit der angefochtenen Verfügungen)
abzuschreiben, die Sache durch einen Nichteintretensentscheid wegen Fehlens
einer gültigen Einsprache hätte erledigen sollen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 16. August 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: