Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 96/2004
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B 96/04

Urteil vom 17. August 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber
Nussbaumer

M.________, 1944, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. Pascal
Grolimund, Hirschgässlein 11, 4010 Basel,

gegen

Pensionskasse des Basler Staatspersonals, Clarastrasse 13, 4005 Basel,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 10. Juni 2004)

Sachverhalt:

A.
M.________ war seit 6. April 1970 als Putzfrau/Hausangestellte beim Verein
B.________, zunächst mit einem Pensum von 4,2 Stunden an 5 Wochentagen und ab
1. Januar 1990 zu einem Pensum von 47,619 %, tätig. Ihr Arbeitgeber hatte
sich für die Durchführung der beruflichen Vorsorge zunächst bei der
Pensionskasse des Basler Staatspersonals versichert. Auf 1. Januar 1995
wechselte er zur firmeneigenen Personalvorsorgestiftung des Vereins
B.________.

Seit 1. März 1991 bezog M.________ gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 52
% eine halbe Rente der Invalidenversicherung. Am 30. März 1996 beantragte sie
eine Revision der Invalidenrente. Mit Verfügung vom 21. Februar 1997 sprach
ihr die IV-Stelle Basel-Stadt mit Wirkung ab 1. September 1996 bei einem
Invaliditätsgrad von 75 % eine ganze Rente zu. Ende 1999 gelangte M.________
an die Pensionskasse des Basler Staatspersonals und beantragte die
Ausrichtung von Invalidenleistungen, was diese jedoch ablehnte.

B.
Mit Klage vom 2. Mai 2002 stellte M.________ das Rechtsbegehren, die
Pensionskasse des Basler Staatspersonals sei zur Ausrichtung einer halben
Invalidenrente nach BVG ab 1. Januar 1996 und ab 1. September 1996 einer
ganzen Invalidenrente nebst Zins zu 5 % ab 2. Januar 2001 zu verpflichten.

Mit Entscheid vom 10. Juni 2004 wies das Sozialversicherungsgericht
Basel-Stadt die Klage ab.

C.
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in
teilweiser Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Pensionskasse
des Basler Staatspersonals zur Ausrichtung einer ganzen Invalidenrente nach
BVG ab 1. September 1996 nebst Zins zu 5 % ab 2. Januar 2001 zu verpflichten.
Die Pensionskasse des Basler Staatspersonals und das kantonale Gericht
schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Mit Eingabe vom 10. Januar 2005 lässt M.________ zur Beschwerdeantwort
Stellung nehmen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Anspruch auf Invalidenleistungen haben gemäss Art. 23 BVG (in der bis
Ende Dezember 2004 gültig gewesenen und hier anwendbaren Fassung) Personen,
die im Sinne der Invalidenversicherung zu mindestens 50 % invalid sind und
bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt
hat, versichert waren. Nach Art. 23 BVG versichertes Ereignis ist einzig der
Eintritt der relevanten Arbeitsunfähigkeit, unabhängig davon, in welchem
Zeitpunkt und in welchem Masse daraus ein Anspruch auf Invalidenleistungen
entsteht. Die Versicherteneigenschaft muss nur bei Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit gegeben sein, dagegen nicht notwendigerweise auch im
Zeitpunkt des Eintritts oder der Verschlimmerung der Invalidität. Diese
wörtliche Auslegung steht in Einklang mit Sinn und Zweck der Bestimmung,
nämlich denjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Versicherungsschutz
angedeihen zu lassen, welche nach einer längeren Krankheit aus dem
Arbeitsverhältnis ausscheiden und erst später invalid werden. Für eine einmal
aus - während der Versicherungsdauer aufgetretene - Arbeitsunfähigkeit
geschuldete Invalidenleistung bleibt die Vorsorgeeinrichtung somit
leistungspflichtig, selbst wenn sich nach Beendigung des
Vorsorgeverhältnisses der Invaliditätsgrad ändert. Entsprechend bildet denn
auch der Wegfall der Versicherteneigenschaft keinen Erlöschungsgrund (Art. 26
Abs. 3 BVG e contrario; BGE 123 V 263 Erw. 1a, 118 V 45 Erw. 5).

Die Leistungspflicht einer Vorsorgeeinrichtung für eine erst nach Beendigung
des Vorsorgeverhältnisses eingetretene oder verschlimmerte Invalidität setzt
voraus, dass zwischen relevanter Arbeitsunfähigkeit (zu diesem Begriff siehe
SZS 2003 S. 521) und nachfolgender Invalidität ein enger sachlicher und
zeitlicher Zusammenhang besteht. Der sachliche Zusammenhang ist zu bejahen,
wenn der der Invalidität zu Grunde liegende Gesundheitsschaden im
Wesentlichen derselbe ist, der zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat (BGE 123 V
264 f. Erw. 1c, 120 V 117 f. Erw. 2c/aa und bb mit Hinweisen). Die Annahme
eines engen zeitlichen Zusammenhangs setzt voraus, dass die versicherte
Person nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht während längerer Zeit
wieder arbeitsfähig wurde (BGE 123 V 264 Erw. 1c mit Hinweisen)
1.2 Rechtsprechungsgemäss sind die Vorsorgeeinrichtungen im Bereich der
gesetzlichen Mindestvorsorge (Art. 6 BVG) an die Feststellungen der
IV-Organe, insbesondere auch hinsichtlich des Eintritts der invalidisierenden
Arbeitsunfähigkeit (Eröffnung der Wartezeit; Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG in
Verbindung mit Art. 26 Abs. 1 BVG), gebunden, sofern sie vom gleichen
Invaliditätsbegriff wie die Invalidenversicherung ausgehen und soweit die
invalidenversicherungsrechtliche Betrachtungsweise aufgrund einer
gesamthaften Prüfung der Akten nicht als offensichtlich unhaltbar erscheint
(BGE 126 V 311 Erw. 1 in fine und 2a, mit Hinweisen; SVR 2003 BVG Nr. 8 S. 23
Erw. 2.1). Hingegen entfällt eine Bindungswirkung, wenn die
Vorsorgeeinrichtung nicht spätestens im Vorbescheidverfahren (Art. 73bis IVV
in der vom 1. Juli 1987 bis 31. Dezember 2002 in Kraft gestandenen Fassung;
AS 1987 456 und AS 2000 3721) und - nach dessen Ersetzung durch das
Einspracheverfahren ab 1. Januar 2003 (Art. 52 ATSG) - angelegentlich der
Verfügungseröffnung in das IV-Verfahren einbezogen wird (BGE 129 V 73 ff.;
vgl. auch BGE 130 V 273 f. Erw. 3.1, mit Hinweisen).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführerin ab 1. September 1996
eine ganze Invalidenrente der beruflichen Vorsorge zusteht. Nicht mehr
Gegenstand des Verfahrens bildet die im vorinstanzlichen Prozess noch geltend
gemachte halbe Invalidenrente in der Zeitspanne vom 1. Januar 1996 bis Ende
August 1996.

2.1 Die Beschwerdeführerin war ab 6. April 1970 zunächst mit einem Pensum von
etwas mehr als 51 % als Putzfrau/Hausangestellte beim Verein B.________
tätig. Zum 1. Januar 1990 wurde das Pensum geringfügig "wegen Mangel an
Arbeit" auf etwas weniger als 48 % reduziert. Mit Wirkung ab 1. März 1991
bezog die Beschwerdeführerin eine halbe Rente der Invalidenversicherung
gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 52 %. Das bisherige Arbeitspensum von
rund 48 % behielt sie bei und bezog auch keine Invalidenleistungen der
Beschwerdegegnerin. Auf 31. Dezember 1994 wurde das Vorsorgeverhältnis mit
der Beschwerdegegnerin beendet. Nach dem Wechsel der Vorsorgeeinrichtung auf
den 1. Januar 1995 arbeitete die Beschwerdeführerin mit dem bisherigen Pensum
weiter. Unter diesen Umständen fehlt der Beschwerdeführerin nach Auffassung
der Vorinstanz und der Beschwerdegegnerin für den ein hälftiges Arbeitspensum
übersteigenden Anteil die Versicherteneigenschaft. Zur Begründung verweisen
sie auf das in SZS 2001 S. 85 publizierte Urteil L. vom 15. März 1999 (B
47/97) sowie auf BGE 129 V 141 Erw. 4.2.

Demgegenüber macht die Beschwerdeführerin geltend, das Eidgenössische
Versicherungsgericht habe ausdrücklich entschieden, dass bei
Teilzeitangestellten der Versicherer des Arbeitgebers, bei dem die
Arbeitstätigkeit zunächst unvermindert weitergeführt werde,
leistungspflichtig werde, wenn sich der Invaliditätsgrad nachträglich erhöhe
(BGE 129 V 132 Erw. 4.4). Daraus folge ohne weiteres, dass bei einer Erhöhung
des Invaliditätsgrades eine Leistungspflicht bestehe. Gemäss Art. 23 BVG
schulde diejenige Vorsorgeeinrichtung die IV-Leistungen, bei der die
anspruchsberechtigte Person im Zeitpunkt des Eintritts des versicherten
Ereignisses, hier der Arbeitsunfähigkeit, welches zur Invalidität führe,
versichert gewesen sei. Ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang im Sinne
von Art. 23 BVG sei im vorliegenden Fall vorhanden.

2.2 Die Beschwerdeführerin hat nach der Zusprechung einer halben
Invalidenrente der Invalidenversicherung im bisherigen Umfang bei ihrer
Arbeitgeberin weitergearbeitet. Unter diesen Umständen hatte sie zum
damaligen Zeitpunkt noch keinen Anspruch auf Invalidenleistungen der
Beschwerdegegnerin, wie das Eidgenössische Versicherungsgericht wiederholt
entschieden hat (SZS 2001 S. 85 und 2003 S. 434). Auf 1. Januar 1995
wechselte ihr Arbeitgeber zu einer anderen Vorsorgeeinrichtung, wobei die
Beschwerdeführerin zunächst mit dem bisherigen Pensum weiterarbeitete. Erst
im Laufe dieses neuen Versicherungsverhältnisses trat bei der
Beschwerdeführerin für die beim Verein B.________ versehene Tätigkeit eine
Arbeitsunfähigkeit ein. Unter diesen Umständen handelt es sich nicht um die
Frage der Erhöhung des Invaliditätsgrades, sondern darum, ob gestützt auf
Art. 23 BVG der sachliche und zeitliche Zusammenhang gegeben ist. Aus diesem
Grund ist die Rechtsprechung, wonach beim Wechsel der Vorsorgeeinrichtung
durch den Arbeitgeber die zu Art. 23 BVG entwickelten Abgrenzungskriterien
der Haftung mehrerer Vorsorgeeinrichtungen keine Anwendung finden (SVR 2004
BVG Nr. 18 S. 57), nicht zu berücksichtigen.

2.3 Mit den Beteiligten ist davon auszugehen, dass auf Grund der ärztlichen
Berichte der sachliche Zusammenhang gegeben ist, da der gleiche
Gesundheitsschaden nunmehr auch für die beim Verein B.________ versehene
Tätigkeit eine Arbeitsunfähigkeit bewirkt. In zeitlicher Hinsicht ergibt sich
aus den Akten, dass die Beschwerdeführerin nach dem Wechsel der
Vorsorgeeinrichtung auf 1. Januar 1995 mit dem bisherigen Pensum
weiterarbeitete. Der Arbeitgeber führte im Fragebogen vom 19. April 1996 für
die Jahre 1995 und 1996 zwar mehrere Arbeitsunfähigkeiten von 100 %, an, doch
jeweils nur für einen oder wenige Tage. Im Bericht vom 9. April 1996
bescheinigt Dr. med. E.________ im bisherigen Beruf ab Januar 1991 bis Ende
Mai 1995 eine Arbeitsunfähigkeit von 40 % und ab Juni 1995 eine solche von 70
%. Im Bericht vom 23. September 1999 bestätigte Dr. med. E.________ für die
Zeit ab September 1996 weiterhin eine Arbeitsunfähigkeit von 70 %. Die
IV-Stelle Basel-Stadt erhöhte die halbe Invalidenrente mit Wirkung ab 1.
September 1996. Angesichts dieser Akten und der Rechtsprechung, wonach eine
mehrmonatige uneingeschränkte Arbeitsleistung den zeitlichen Zusammenhang
unterbricht (SZS 2002 S. 153), ist eine Leistungspflicht der
Beschwerdegegnerin zu verneinen. Der Beschwerdeführerin steht es offen, ihren
Anspruch gegenüber der ab 1. Januar 1995 zuständigen Vorsorgeeinrichtung
geltend zu machen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 17. August 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
i.V. i.V.