Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 95/2004
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B 95/04

Urteil vom 10. Januar 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Widmer

B.________, 1949, Beschwerdeführer, vertreten durch die If AG,
Dienstleistungen für Soziale Sicherheit, Dornacherplatz 7, 4501 Solothurn,

gegen

ASPIDA Sammelstiftung für die Durchführung der BVG-konformen
Vorsorgemassnahmen, Avenue de Rumine 13, 1005 Lausanne, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch die La Suisse Lebens-Versicherungs-Gesellschaft,
Generaldirektion, Avenue de Rumine 13, 1005 Lausanne

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 9. August 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1949 geborene B.________ war vom 1. Juli 1990 bis 31. Dezember 1992 bei
der Firma I.________ AG als Geschäftsführer angestellt und damit bei der
ASPIDA Sammelstiftung für die Durchführung der BVG-konformen
Vorsorgemassnahmen (im Folgenden: Sammelstiftung) für die berufliche Vorsorge
versichert. Nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses bezog B.________
Arbeitslosenentschädigung. Im Juli 1994 nahm er eine selbstständige
Erwerbstätigkeit auf, vermochte damit aber kein ausreichendes Einkommen zu
erzielen, weshalb er ab April 1995 Sozialhilfeunterstützung in Anspruch
nehmen musste. Im November 1997 meldete er sich unter Hinweis auf ein
psychoorganisches Syndrom, Legasthenie, Seh- und Hörschwäche bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt auf ein Gutachten der
Medizinischen Abklärungsstelle am Spital X.________ (MEDAS) vom 30. Oktober
2002 und weitere Abklärungen in medizinischer und erwerblicher Hinsicht
gelangte die IV-Stelle des Kantons Solothurn zum Schluss, dass B.________
seit mindestens Anfang 1993 in seiner Arbeitsfähigkeit erheblich
eingeschränkt sei. Mit Verfügungen vom 15. Mai 2003 sprach sie dem
Versicherten mit Blick auf die im November 1997 eingereichte Anmeldung
rückwirkend ab 1. November 1996 bei einem Invaliditätsgrad von 78 % eine
ganze Invalidenrente zu.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2003 lehnte es die Sammelstiftung ab, dem
Versicherten Invalidenleistungen zu gewähren, weil die Arbeitsunfähigkeit
erst bei Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit im Jahre 1994
eingetreten sei.

B.
Am 12. Januar 2004 liess B.________ beim Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich Klage einreichen mit dem Antrag, die Sammelstiftung sei zu
verpflichten, ihm ab 1. Januar 1994 die gesetzlichen und reglementarischen
Invalidenleistungen, zuzüglich Verzugszins, zu bezahlen. Mit Entscheid vom 9.
August 2004 wies das kantonale Gericht die Klage ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B.________ das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern.
Die Sammelstiftung und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf
eine Vernehmlassung. Nachträglich reicht der Versicherte ein Schreiben einer
ehemaligen Mitarbeiterin ein.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf
Invalidenleistungen aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge (Art. 23
Abs. 1 BVG), den Umfang des Invalidenrentenanspruchs (Art. 24 Abs. 1 BVG),
den Beginn des Anspruchs (Art. 26 Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1
IVG), den Begriff der berufsvorsorgerechtlich relevanten Arbeitsunfähigkeit
sowie den für die Leistungspflicht der Vorsorgeeinrichtung für die nach
Beendigung des Vorsorgeverhältnisses eingetretene Invalidität vorausgesetzten
engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Arbeitsunfähigkeit und
Invalidität (BGE 123 V 264 Erw. 1c mit Hinweisen) richtig dargelegt. Ebenso
hat das kantonale Gericht zutreffend festgehalten, dass der Beschluss der
Invalidenversicherung betreffend Zusprechung einer ganzen Rente an den
Beschwerdeführer für die Sammelstiftung nicht bindend ist, der
Invaliditätsgrad und der Beginn der Arbeitsunfähigkeit vielmehr frei zu
prüfen sind, nachdem die Vorsorgeeinrichtung nicht in das
invalidenversicherungsrechtliche Verfahren einbezogen worden ist (BGE 129 V
73 ff.). Darauf kann verwiesen werden.

2.
Der Beschwerdeführer war bis 31. Dezember 1992 bei der Firma I.________ AG
angestellt. Gemäss Art. 10 Abs. 3 Satz 1 BVG (in der bis 31. Dezember 1994
gültig gewesenen Fassung) war er für die Risiken Tod und Invalidität bis 30.
Januar 1993 bei der Sammelstiftung versichert (Nachdeckung). Streitig und zu
prüfen ist somit, ob bis zu diesem Zeitpunkt eine Arbeitsunfähigkeit
eingetreten ist, die zur späteren Invalidität, welche mit Wirkung ab 1.
November 1996 den Anspruch auf eine ganze Rente der Invalidenversicherung
begründete, in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang steht,
wobei der Eintritt der berufsvorsorgerechtlich relevanten Arbeitsunfähigkeit
mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen) nachgewiesen sein
muss.

2.1 Die ältesten vorliegenden Arztberichte (des Dr. med. S.________ vom 19.
Oktober 1993, der Klinik Y.________ vom 18. November 1993 und des Dr. med.
M.________ vom 17. Januar 1994) befassen sich mit der beim Beschwerdeführer
diagnostizierten Schlafapnoe und den Behandlungsmöglichkeiten. Eine
(teilweise) Arbeitsunfähigkeit wird in keinem dieser Berichte attestiert. Dr.
med. S.________ erwähnte in der Anamnese, dass der Versicherte früher
Geschäftsführer in einem Orientteppichgeschäft gewesen sei. Seit Januar
(1993) sei er stellenlos und besuche zur Zeit eine Schule zur Weiterbildung.
Dr. M.________ stellte eine mittelgradige Nasenseptumdeviation fest, welche
operativ korrigiert werden könnte, und wies darauf hin, dass mit einem
solchen Eingriff nebst einem Spitalaufenthalt von rund fünf Tagen eine
Arbeitsunfähigkeit von zwei bis drei Wochen verbunden wäre (Bericht vom 17.
Januar 1994). Im Bericht vom 25. November 1997 zuhanden der
Invalidenversicherung diagnostizierte Dr. med. G.________ nebst der
Schlafapnoe bei mittelgradiger Nasenseptumdeviation einen Status nach
wahrscheinlich angeborenem psychoorganischem Syndrom mit multiplen leichten
körperlichen und geistigen Behinderungen, leichter Seh- und Hörschwäche. Der
Arzt hielt dafür, dass der Beschwerdeführer als Verkäufer (gelernter
Schreiner) hälftig arbeitsunfähig sei, konnte zum Beginn der Einschränkung
indessen keine sicheren Angaben machen. Die Gutachter der MEDAS
diagnostizierten in der Expertise vom 30. Oktober 2002 einen Verdacht auf
hirnorganische Störung mit mittelschweren bis schweren neuropsychologischen
Defiziten, eine mittelschwere intrinsische Dyssomnie mit mittelgradiger
obstruktiver Schlafapnoe, respiratorischer Schlaffragmentation, inferiorer
Mikro- und Retrognathie sowie eine Seh- und Hörschwäche. Zur beruflichen
Leistungsfähigkeit nahmen die Experten in dem Sinne Stellung, dass in der
freien Wirtschaft als Schreiner oder Verkäufer keine verwertbare
Arbeitsfähigkeit bestehe. Was den Beginn der Arbeitsunfähigkeit betrifft,
vertraten die Ärzte die Auffassung, dieser sei sehr schwierig zu bestimmen.
Die diagnostizierte Störung bestehe wahrscheinlich bereits seit der Kindheit
und es sei erstaunlich, dass sich der Versicherte über so lange Zeit im
Berufsleben habe halten können. Wahrscheinlich sei davon auszugehen, dass
seit dem Zeitpunkt des Selbstständigwerdens 1994 für die freie Wirtschaft
keine verwertbare Arbeitsfähigkeit bestanden hat.
Auf Anfrage der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers nahm Oberarzt Dr.
med. R.________ von der MEDAS am 6. Dezember 2002 erneut zum Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit Stellung. Er hielt nunmehr fest, aus medizinischer Sicht,
aufgrund der Vorakten und der durchgeführten Untersuchungen sei es plausibel
und nachvollziehbar mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, dass bereits zum
Datum des Austritts bei der Firma I.________ AG am 31. Dezember 1992 die von
der MEDAS attestierte Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Für die bisherige
Tätigkeit als Schreiner, Verkäufer und speziell als Geschäftsleiter habe
damals keine verwertbare Arbeitsfähigkeit bestanden. Ebenfalls auf Anfrage
der Rechtsvertreterin erklärte Dr. med. G.________ mit Schreiben vom 2.
Dezember 2003, der Versicherte habe ihn zwischen 9. September und 23.
Dezember 1992 sechs Mal aufgesucht. Dabei habe er immer wieder die Müdigkeit
zusammen mit einer Schlafstörung nachts erwähnt. Eine Arbeitsunfähigkeit sei
damals nie bescheinigt worden. Retrospektiv sei aber durchaus anzunehmen,
dass der Beschwerdeführer zu mindestens 20 %, wahrscheinlich sogar mehr,
arbeitsunfähig gewesen sei. Weiter bestätigte Dr. G.________, dass die
Arbeitseinsätze ab 1. Januar 1993 als gescheiterte Arbeitsversuche zu werten
seien.

2.2 Gestützt auf die Arztberichte aus dem Jahr 1993, die am nächsten beim
Zeitpunkt liegen, in welchem laut Vorbringen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde die (teilweise) Arbeitsunfähigkeit eingetreten
sein soll, wie auch die Expertise der MEDAS vom 30. Oktober 2002 kann nicht
davon ausgegangen werden, dass der Versicherte seit Dezember 1992/Januar 1993
erheblich in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt war. Die nachträglichen
Angaben der MEDAS und des Dr. G.________, die erst auf entsprechende Anfrage
der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers hin erfolgten, vermögen den
Nachweis, dass die Arbeitsunfähigkeit spätestens bis 30. Januar 1993
eingetreten ist, nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu
erbringen, wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat. Angesichts der
Schwierigkeiten, mit welchen die beteiligten Ärzte sich bei der Festlegung
des Beginns der Arbeitsunfähigkeit konfrontiert sahen, und angesichts des
Umstandes, dass der Versicherte während seiner gesamten beruflichen Tätigkeit
aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt war, erscheint es tatsächlich kaum
erklärbar, dass eine massgebliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit
unmittelbar im Anschluss an das Anstellungsverhältnis mit der Firma
I.________ AG das auf Ende 1992 aus wirtschaftlichen Gründen aufgelöst wurde,
eingetreten sein soll. Dagegen spricht insbesondere auch die Tatsache, dass
der Beschwerdeführer von September bis Dezember 1992 bei Dr. med. G.________
in Behandlung stand, dieser aber bei sechs Konsultationen keine Veranlassung
fand, eine mindestens teilweise reduzierte Arbeitsfähigkeit zu bescheinigen.
Im Lichte der medizinischen Unterlagen erscheint es zumindest ebenso
wahrscheinlich, dass eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens 20 % erst nach
Januar 1993 eingetreten ist, als der Beschwerdeführer nicht mehr bei der
Sammelstiftung versichert war. Da der rechtserhebliche medizinische
Sachverhalt umfassend abgeklärt ist und von zusätzlichen Untersuchungen keine
neuen Erkenntnisse erwartet werden können, ist von Aktenergänzungen
abzusehen. Nachdem es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des
Untersuchungsgrundsatzes aufgrund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu
ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der
Wirklichkeit zu entsprechen, liegt Beweislosigkeit vor. Diese wirkt sich zu
Ungunsten des Beschwerdeführers aus, der aus dem unbewiesen gebliebenen
Sachverhalt gegenüber der Sammelstiftung den Anspruch auf Invalidenleistungen
ableiten wollte (BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen).

2.3 Die vom Beschwerdeführer am 12. Oktober 2004 eingereichte Bestätigung
einer ehemaligen Mitarbeiterin vom 8. Oktober 2004 hat unberücksichtigt zu
bleiben, da nach Ablauf der Rechtsmittelfrist - ausser im Rahmen eines
zweiten Schriftenwechsels - keine neuen Akten mehr eingebracht werden können
(BGE 127 V 353).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 10. Januar 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: