Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 76/2004
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B 76/04

Urteil vom 25. Oktober 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Seiler;
Gerichtsschreiberin Keel Baumann

L.________, 1933, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt David
Husmann, Untermüli 6, 6300 Zug,

gegen

Personalvorsorgestiftung der Firma X.________ AG,  Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Advokat Dr. Hans-Ulrich Stauffer, Rümelinsplatz 14, 4001
Basel

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 1. Juni 2004)

Sachverhalt:

A.
Der am 7. November 1933 geborene L.________ war bei der Firma X.________ AG
als Arbeitnehmer tätig und in dieser Eigenschaft bei der
Personalvorsorgestiftung der Firma X.________ AG vorsorgeversichert
(nachfolgend: Personalvorsorgestiftung).

Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach ihm und seiner Ehefrau mit Verfügung
vom 14. Mai 1996 rückwirkend ab 1. Februar 1995 eine ganze Ehepaarrente
basierend auf einem Invaliditätsgrad von 100 % zu. Von der
Personalvorsorgestiftung bezog er eine Invalidenrente der beruflichen
Vorsorge in der Höhe von Fr. 16'920.-, was 40 % des versicherten Jahreslohnes
entsprach. Mit Wirkung auf Ende November 1998, in welchem Monat L.________
das 65. Altersjahr erreicht hatte, stellte die Personalvorsorgestiftung ihre
Invalidenleistungen ein und richtete L.________ ab 1. Dezember 1998 eine
Altersrente in der Höhe von Fr. 8342.- bzw. Fr. 9977.- einschliesslich
Teuerung aus.

B.
Mit Eingabe vom 13. November 2003 liess L.________ Klage erheben und
beantragen, es seien ihm Rentenleistungen in der Höhe der bisher gestützt auf
das Reglement ausgerichteten Invalidenleistungen zu bezahlen, nebst Zins zu 5
% seit jeweiligem Rentenfälligkeitstag. Mit Entscheid vom 1. Juni 2004 wies
das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Klage ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt L.________ das im kantonalen
Verfahren gestellte Rechtsbegehren erneuern.

Die Personalvorsorgestiftung schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Stellungnahme.

D.
Nach Abschluss des Schriftenwechsels hat der Rechtsvertreter der
Vorsorgeeinrichtung geltend gemacht, dass das von L.________ beigezogene,
nach den Akten seit 1. September 1990 geltende  Vorsorgereglement nie in
Kraft getreten und aus diesem Grunde das seit 1. Januar 1988 geltende
Reglement massgebend sei. Der Rechtsvertreter des L.________ erhielt
Gelegenheit, hiezu Stellung zu nehmen, wovon er in seiner Eingabe vom 7.
Oktober 2000 Gebrauch gemacht hat.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die vorliegende Streitigkeit unterliegt der Gerichtsbarkeit der in Art. 73
BVG erwähnten richterlichen Behörden, welche sowohl in zeitlicher als auch in
sachlicher Hinsicht zuständig sind (BGE 130 V 104 Erw. 1.1, 112 Erw. 3.1.2,
128 II 389 Erw. 2.1.1, 128 V 258 Erw. 2a, 120 V 18 Erw. 1a, je mit
Hinweisen).

2.
Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt,
sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen
Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der
Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG).

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht einen Anspruch des
Beschwerdeführers auf eine Altersrente in der Höhe der bisher ausgerichteten
Invalidenrente verneint hat.

4.
4.1 Für den obligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge sieht Art. 26
Abs. 3 Satz 1 BVG vor, dass der Anspruch auf Invalidenleistungen mit dem Tode
des Anspruchsberechtigten oder mit dem Wegfall der Invalidität erlischt. Im
Unterschied zur Rente der Invalidenversicherung ist demnach die
BVG-Invalidenrente eine Leistung auf Lebenszeit; sie wird nicht durch die
BVG-Altersrente abgelöst, wenn der Bezüger das gesetzliche Rücktrittsalter
(Art. 13 Abs. 1 BVG) erreicht (BGE 118 V 100; vgl. auch BGE 123 V 123 Erw.
3a; Urteile B. vom 23. März 2001, B 2/00, und M. vom 14. März 2001, B 69/99).
Hingegen kann reglementarisch vorgesehen werden, dass die Invalidenrente bei
Erreichen des Rücktrittsalters in eine Altersrente überführt wird. In diesem
Falle muss die sie ablösende Altersrente mindestens der bisherigen
Invalidenleistung entsprechen, d.h. gleichwertig sein (Urteil B. vom 23. März
2001, B 2/00, Erw. 2b).

4.2 Den Grundsatz, dass die Invalidenrente lebenslänglich ausgerichtet wird
beziehungsweise die Altersrente mindestens gleich hoch wie die bis zur
Pensionierung gewährte Invalidenrente sein muss, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht zwar in BGE 127 V 259 auf den weitergehenden Bereich der
beruflichen Vorsorge ausgedehnt. Nach einer eingehenden Auseinandersetzung
mit der im Schrifttum hieran geäusserten Kritik hat es in BGE 130 V 369
indessen eine Änderung der Rechtsprechung vorgenommen, welche das kantonale
Gericht in seinem Entscheid bereits vorweggenommen hat. Danach gilt, dass die
Vorsorgeeinrichtungen im weitergehenden Bereich der beruflichen Vorsorge
bestimmen können, dass der Anspruch auf eine Invalidenrente nur bis zum
Erreichen des Rentenalters besteht, bzw. Altersleistungen erbringen können,
die geringer als die vor Erreichen des Pensionierungsalters ausgerichtete
Invalidenrente sind.

5.
5.1 Zwischen den Parteien besteht Uneinigkeit in der Frage des anwendbaren
Reglements: Während sich der Beschwerdeführer auf das von ihm eingereichte,
nach den Akten ab 1. September 1990  geltende Reglement (nachfolgend:
Reglement 1990) stützt, hält die Vorsorgeeinrichtung das seit 1. Januar 1988
in Kraft stehende Reglement (nachfolgend: Reglement 1988) für einschlägig mit
der Begründung, beim Reglement 1990 handle es sich um ein Musterreglement des
Rückversicherers, welches vom Stiftungsrat nie verabschiedet worden sei. Wie
es sich damit verhält, kann indessen offen bleiben, weil beide Regelwerke -
wie sich aus nachstehenden Erwägungen ergibt - vorliegend zum selben Ergebnis
führen.

5.2 Die Reglemente der Beschwerdegegnerin sehen in beiden Fassungen in Art.
3.1.1 folgende Leistungen vor: bei Erreichen des Schlussalters eine
lebenslange Altersrente und Pensionierten-Kinderrenten; bei
Erwerbsunfähigkeit (Invalidität) eine Invalidenrente, Invaliden-Kinderrenten
und die Befreiung von der Beitragszahlung. In Art. 3.5.9 Satz 5 Reglement
1990 bzw. Art. 3.4.9 Satz 5 Reglement 1988 wird ausgeführt, dass der Anspruch
auf Erwerbsunfähigkeitsleistungen bei Erreichen des Schlussalters (daneben
auch wenn der Grad der Erwerbsunfähigkeit weniger als einen Viertel beträgt
oder mit dem Tod) erlischt. Auch wenn die einzig im Reglement 1990 enthaltene
Bestimmung des Art. 3.2.1 Satz 1 Anwendung fände, wonach auf die Witwen-,
Waisen-, Invaliden- und Invaliden-Kinderrenten vor Erreichen des
Schlussalters kein Anspruch entsteht, wenn ein Unfallversicherer gemäss
Unfallversicherungsgesetz [UVG] oder die Militärversicherung gemäss
Militärversicherungsgesetz [MVG] leistungspflichtig ist, vermöchte der
Beschwerdeführer - entgegen der von ihm vertretenen Auffassung - aus ihr
nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Denn diese Norm bezieht sich einzig auf
die Koordination mit der Unfall- und Militärversicherung; hinsichtlich des
(in Art. 3.5.9 Satz 5 Reglement 1990 [Art. 3.4.9 Satz 5 Reglement 1988]
eindeutig und abschliessend geregelten) Zeitpunktes des Erlöschens der
Erwerbsunfähigkeitsleistungen lässt sich ihr nichts entnehmen. Auch in der
die Altersleistungen regelnden Bestimmung des Art. 3.3 Reglement 1990 bzw.
Art. 3.2 Reglement 1988 - namentlich in dem die Höhe der Altersrente
normierenden Art. 3.3.2 Reglement 1990 bzw. Art. 3.2.2 Reglement 1988 - wird
nicht vorgesehen, dass die Altersrente nicht geringer als die bis zum
Erreichen des Rücktrittsalters ausgerichtete Invalidenrente sein darf. Damit
muss es bei der Feststellung sein Bewenden haben, dass der Beschwerdeführer
auch aus den massgebenden reglementarischen Bestimmungen keinen Anspruch auf
eine Altersrente in der Höhe der bisher ausgerichteten Invalidenrente
beanspruchen kann.

5.3 Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist die Vorsorgeeinrichtung für den
Fall, dass die massive Rentenreduktion bei Erreichen des Rücktrittsalters im
Reglement eine Stütze finden würde, aus culpa in contrahendo
leistungspflichtig (vgl. dazu auch Riemer, Die überobligatorische berufliche
Vorsorge im Schnittpunkt von BVG-Obligatorium und Vertragsrecht [zusätzliche
Bemerkungen zu BGE 127 V 259 ff.]). Da sich indessen die Höhe der Altersrente
nach Gesetz (Art. 14 Abs. 1 BVG in der bis 31. Dezember 2004 geltenden
Fassung) und Reglement (Art. 3.3.2 Reglement 1990 bzw. Art. 3.2.2 Reglement
1988) richtet, könnte eine allfällige Verletzung vorvertraglicher
Informationspflichten nicht mit einer Erhöhung der Rente kompensiert werden.
Soweit der Beschwerdeführer damit sinngemäss ein Begehren auf Leistung von
Schadenersatz im Umfang der Renteneinbusse stellt, kann darauf mangels
Anfechtungsgegenstandes nicht eingetreten werden.

6.
6.1 Der Beschwerdeführer macht sodann geltend, die Vorinstanz habe sich mit
seinem des Weitern erhobenen Einwand, dass die gemäss massgebendem Reglement
errechnete Altersrente nicht einmal den BVG-Minimalvorschriften zur Höhe der
lebenslangen Invalidenrente entspreche, überhaupt nicht auseinandergesetzt,
was eine Verletzung seines Anspruches auf rechtliches Gehör darstelle.

6.2 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches
Gehör. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits
stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines
Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung einer Person eingreift. Dazu
gehört insbesondere deren Recht, sich vor Erlass des in ihre Rechtsstellung
eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise
beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen
gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder
mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses
geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 129 II 504 Erw. 2.2, 127 I
56 Erw. 2b, 127 III 578 Erw. 2c, 126 V 131 Erw. 2b; zu Art. 4 Abs. 1 aBV
ergangene, weiterhin geltende Rechtsprechung: BGE 126 I 16 Erw. 2a/aa, 124 V
181 Erw. 1a, 375 Erw. 3b, je mit Hinweisen).
Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Die Verletzung des
rechtlichen Gehörs führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in
der Sache selbst zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Es kommt mit
anderen Worten nicht darauf an, ob die Anhörung im konkreten Fall für den
Ausgang der materiellen Streitentscheidung von Bedeutung ist, d.h. die
Behörde zu einer Änderung ihres Entscheides veranlasst wird oder nicht (BGE
127 V 437 Erw. 3d/aa, 126 V 132 Erw. 2b mit Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung kann eine - nicht besonders schwerwiegende -
Verletzung des rechtlichen Gehörs als geheilt gelten, wenn die betroffene
Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern,
die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Die
Heilung eines - allfälligen - Mangels soll aber die Ausnahme bleiben (BGE 127
V 437 Erw. 3d/aa, 126 I 72, 126 V 132 Erw. 2b, je mit Hinweisen).

6.3 Indem sich die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid darauf beschränkt
hat, die nach ihrer Darstellung einzig streitige Frage zu prüfen, ob dem
Beschwerdeführer eine Altersrente in Höhe der bis zum Erreichen des
Rücktrittsalters ausgerichteten Invalidenrente zusteht (vgl. dazu Erw. 5
hievor), und auf den weiter erhobenen Einwand, dass die Altersrente in der
ausgerichteten Höhe nicht einmal den BVG-Mindestvorschriften zur Höhe der
lebenslangen Invalidenrente entspreche, nicht eingegangen ist, hat sie das
rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt. Da diese im angefochtenen
Entscheid nicht behandelte Frage für den Ausgang des Rechtsstreites nach der
Höhe der dem Beschwerdeführer zustehenden Altersrente entscheidend ist, wiegt
die Gehörsverletzung schwer und ist einer Heilung nicht zugänglich, auch wenn
das Eidgenössische Versicherungsgericht die streitige Frage umfassend prüfen
kann (vgl. Erw. 2 hievor). Denn die zur Beurteilung erforderliche
Schattenrechnung ist vorinstanzlich nur zur Edition offeriert, aber nicht
vorgelegt worden. Die Sache wird daher an das kantonale Gericht
zurückgewiesen, damit es die Höhe der dem Beschwerdeführer zustehenden
Altersrente prüfe.

7.
Da es um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine
Gerichtskosten zu erheben.

Dem in der Hauptsache (Anspruch auf eine Altersrente in der Höhe der bisher
ausgerichteten Invalidenrente; Erw. 5 hievor) unterliegenden Beschwerdeführer
steht eine reduzierte Parteientschädigung zu (Art. 135 in Verbindung mit Art.
159 Abs. 3 OG). Die Beschwerdegegnerin kann als Trägerin der beruflichen
Vorsorge gemäss BVG praxisgemäss keine Parteientschädigung beanspruchen (Art.
159 Abs. 2 OG; BGE 126 V 149 Erw. 4a, 118 169 Erw. 7, 117 V 349 Erw. 8 mit
Hinweis).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist,
insoweit teilweise gutgeheissen, als der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 1. Juni 2004 aufgehoben
und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne der
Erwägungen verfahre.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Personalvorsorgestiftung der Firma X.________ AG hat dem Beschwerdeführer
für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
Parteientschädigung von Fr. 800.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 25. Oktober 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: