Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 61/2004
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B 61/04

Urteil vom 18. Oktober 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiberin
Keel Baumann

L.________, 1937, Beschwerdeführer, vertreten durch die If AG,
Dienstleistungen für Soziale Sicherheit, Dornacherplatz 7, 4500 Solothurn,

gegen

ASPIDA Sammelstiftung für die Durchführung der BVG-konformen
Vorsorgemassnahmen, Avenue de Rumine 13, 1005 Lausanne, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch die La Suisse Lebens-Versicherungs-Gesellschaft, Avenue de
Rumine 13, 1005 Lausanne

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 5. April 2004)

Sachverhalt:

A.
Der am 29. September 1937 geborene L.________ arbeitete vom 1. Juni 1998 bis
30. September 2000 für die Firma X.________ und war während dieser Zeit bei
der ASPIDA Sammelstiftung für die Durchführung der BVG-konformen
Vorsorgemassnahmen (nachfolgend: Aspida) versichert. Am 4. August 1999
unterzeichnete er eine Erklärung, wonach er für das ihm im
Rücktrittszeitpunkt reglementarisch zustehende Kapital auf die vorgesehene
Auszahlung in Rentenform verzichte und stattdessen eine Kapitalauszahlung
verlange. Gestützt darauf wurde für L.________ am 16. Januar 2001 eine
Freizügigkeitspolice mit Fälligkeit am 30. September 2002 erstellt. Nachdem
L.________ auf ein Schreiben der Aspida vom 1. Mai 2002 mit der Bitte um
Einreichung der für die Auszahlung der Police am 30. September 2002
erforderlichen, im Einzelnen bezeichneten Dokumente nicht reagiert hatte,
veranlasste die Aspida am 25. September 2002 - wie im Schreiben angekündigt -
die Überweisung der Austrittsleistung von Fr. 17'940.- an die Stiftung
Auffangeinrichtung BVG.

Seit März 2000 ist L.________ arbeitsunfähig. Gestützt auf einen
Erwerbsunfähigkeitsgrad von 100 % sprach ihm die IV-Stelle Basel-Landschaft
mit Wirkung ab 1. März 2001 eine ganze Rente zu. Die Aspida richtete ihm in
der Zeit vom 2. März bis 30. September 2002 eine Invalidenrente von jährlich
Fr. 19'296.- bzw. monatlich Fr. 1608.- aus, wovon Fr. 1302.- (7,2 % von Fr.
18'089.-) auf die obligatorische Vorsorge entfielen. Im Juli 2003 erfolgte
eine Nachzahlung der obligatorischen BVG-Invalidenrente für den Zeitraum vom
1. März 2001 bis 1. März 2002. Das in der Zeit vom 1. Oktober 2000 bis 30.
September 2002 geäufnete Alterskapital von Fr. 19'589.-, wovon Fr. 18'556.-
auf die obligatorische berufliche Vorsorge entfielen, zahlte die Aspida dem
Versicherten in Kapitalform aus.

B.
Die von L.________ erhobene Klage mit dem Rechtsbegehren, es sei die Aspida
zu verpflichten, ihm über den 30. September 2002 hinaus "die gesetzlichen,
vertraglichen und reglementarischen Invalidenleistungen" bzw. "die jährliche
Invalidenrente in der Höhe von Fr. 19'296.-" auszurichten, wies das
Sozialversicherungsgericht  Basel-Stadt mit Entscheid vom 5. April 2004 ab.

C.
L. ________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben und das im kantonalen
Verfahren gestellte Rechtsbegehren erneuern.

Die Aspida beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob dem Beschwerdeführer über den 30. September
2002 hinaus eine Rente auszurichten ist, deren Höhe der bis zu diesem
Zeitpunkt ausgerichteten Invalidenrente entspricht.

2.
2.1 Für den obligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge sieht Art. 26
Abs. 3 Satz 1 BVG vor, dass der Anspruch auf Invalidenleistungen mit dem Tode
des Anspruchsberechtigten oder mit dem Wegfall der Invalidität erlischt. Im
Unterschied zur Rente der Invalidenversicherung ist demnach die
BVG-Invalidenrente eine Leistung auf Lebenszeit; sie wird nicht durch die
BVG-Altersrente abgelöst, wenn der Bezüger das gesetzliche Rücktrittsalter
(Art. 13 Abs. 1 BVG) erreicht (BGE 118 V 100; vgl. auch BGE 123 V 123 Erw.
3a; Urteile B. vom 23. März 2001, B 2/00, und M. vom 14. März 2001, B 69/99;
Jürg Brühwiler, Obligatorische berufliche Vorsorge, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, S. 38 Rz 91; Erich Peter,
Die Koordination von Invalidenrenten, Zürich 1997, S. 147). Hingegen kann
reglementarisch vorgesehen werden, dass die Invalidenrente bei Erreichen des
Rücktrittsalters in eine Altersrente überführt wird. In diesem Falle muss die
sie ablösende Altersrente mindestens der bisherigen Invalidenleistung
entsprechen, d.h. gleichwertig sein (Urteil B. vom 23. März 2001, B 2/00,
Erw. 2b).

2.2 Den Grundsatz, dass die Invalidenrente lebenslänglich ausgerichtet wird
beziehungsweise die Altersrente mindestens gleich hoch wie die bis zur
Pensionierung gewährte Invalidenrente sein muss, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht in BGE 127 V 259 auf den weitergehenden Bereich der
beruflichen Vorsorge ausgedehnt. Dabei führte es zur Begründung an, dass die
Ablösung der Invalidenrente durch eine niedrigere Altersrente dem
Verständnis, das der Gesetzgeber vom System der beruflichen Vorsorge habe,
widerspräche. Zum einen liesse sie sich nicht vereinbaren mit dem im Bereich
der beruflichen Vorsorge allgemein geltenden Grundsatz, dass die versicherte
Person bei Erreichen des Rentenalters ihre gewohnte Lebenshaltung solle
fortsetzen können. Zum andern sei die Verminderung der Altersvorsorge auf die
Invalidität selbst zurückzuführen, welche die weitere Finanzierung der
Altersvorsorge verhindert habe, sodass es sich um eine Altersrente handelte,
für welche die versicherte Person wegen ihrer Invalidität nicht in demselben
Masse habe Beiträge entrichten können wie die anderen Versicherten, die bis
zum Erreichen des Rentenalters gearbeitet hätten.

2.3 Das Reglement der Vorsorgekasse zugunsten des Personals der Firma
X.________ sieht in Art. D.1 Ziff. 1 vor, dass die (im Sinne von Art. B.4)
invalide versicherte Person Anspruch auf eine Invalidenrente und auf die
Befreiung von der Prämienzahlung nach Ablauf der entsprechenden Wartefrist
hat. Der Anspruch auf die Invalidenrente beginnt, sobald das Recht auf die
IV-Rente besteht oder bestehen würde (wenn die Voraussetzungen bezüglich
Anzahl Beitrags- oder Wohnsitzjahre in der Schweiz erfüllt wären). Der
Anspruch auf die Invalidenrente erlischt, wenn die Invalidität entfällt, wenn
die versicherte Person stirbt oder das Rücktrittsalter erreicht.

2.4 Hinsichtlich der Altersrente sieht Art. C.1 des Reglementes vor, dass
diese fällig wird, sobald die versicherte Person das Rücktrittsalter erreicht
(Ziff. 1). Die Altersrente pro Jahr ergibt sich durch Multiplikation des bei
Erreichen des Rücktrittsalters erworbenen Altersguthabens in Anwendung der
Bestimmungen von Art. 14 BVG. Folgt eine Altersrente auf eine laufende
Invalidenrente, ist diese mindestens so hoch wie die der Teuerung angepasste
gesetzliche Invalidenrente (Ziff. 2). Diese Regelung steht im Einklang mit
der Rechtsprechung, wonach die Ablösung einer gesetzlichen Invalidenrente
durch eine Altersrente zulässig ist, sofern der Besitzstand in Höhe und
Umfang der Rente gewahrt bleibt (Urteil vom 23. März 2001, B 2/00; vgl. Erw.
2.1 hievor).

3.
3.1 Im zur Publikation in der Amtlichen Sammlung bestimmten Urteil K. vom 24.
Juni 2004 (B 106/02) hat sich das Eidgenössische Versicherungsgericht
eingehend mit der im Schrifttum geäusserten Kritik an BGE 127 V 259
auseinandergesetzt und seine Rechtsprechung geändert. Danach steht es den
Vorsorgeeinrichtungen im weitergehenden Bereich der beruflichen Vorsorge frei
zu bestimmen, dass der Anspruch auf eine Invalidenrente nur bis zum Erreichen
des Rentenalters besteht, bzw. Altersleistungen zu erbringen, die geringer
als die vor Erreichen des Pensionierungsalters ausgerichtete Invalidenrente
sind. Das Gericht erwog, der in BGE 127 V 259 herangezogene allgemeine
Grundsatz der beruflichen Vorsorge, gemäss welchem die versicherte Person bei
Erreichen des Rentenalters die gewohnte Lebenshaltung solle fortsetzen
können, vermöge als Stütze nicht zu überzeugen. Die Verfassungsbestimmung des
Art. 113 BV beinhalte einen blossen Auftrag an den Gesetzgeber, sodass daraus
kein konkreter, klagbarer Leistungsanspruch auf eine Vorsorgeleistung
abgeleitet werden könne. Zudem gehe das in Art. 113 Abs. 2 lit. a BV
festgeschriebene Leistungsziel der beruflichen Vorsorge - die Fortsetzung der
gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise - von einer vollständigen
Beitrags- bzw. Versicherungsdauer in der ersten und der zweiten Säule aus.
Ebenso wenig treffe die in BGE 127 V 259 angeführte Begründung zu, wonach die
Verminderung der Altersvorsorge auf die Invalidität selber zurückzuführen
sei, welche die weitere Finanzierung der Altersvorsorge verhindert habe. Denn
die meisten Vorsorgepläne, die temporäre Invalidenrenten vorsehen, die bei
Erreichen des reglementarischen Rücktrittsalters durch Altersleistungen
abgelöst werden, würden das Institut der so genannten Beitragsbefreiung
kennen, indem während der Dauer der Invalidität bis zum Erreichen des
Rücktrittsalters auf dem im Zeitpunkt des Eintritts der Invalidität
versicherten Lohn die Beiträge für die Altersversicherung weiter geäufnet
werden, sodass im selben Ausmass Beiträge für die Altersversicherung
gutgeschrieben werden wie bei einem aktiven Vorsorgenehmer mit dem gleichen
versicherten Lohn (vgl. auch Art. 34 Abs. 1 lit. b BVG in Verbindung mit Art.
14 BVV2 für das Obligatorium). Die Rechtsprechung gemäss BGE 127 V 259
verletze auch das Äquivalenzprinzip, welches das versicherungstechnische
Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben zum Zweck habe, da die
Vorsorgeeinrichtungen ohne entsprechende reglementarische Grundlage zur
Ausrichtung von Leistungen verpflichtet würden, für welche in der
Vergangenheit keine Beiträge bezahlt worden seien. Denn die
Berechnungsgrundlagen für die temporären Invalidenrenten beruhten stets auf
der Annahme, dass mit Erreichen des Rücktrittsalters eine Ablösung durch in
der Regel tiefere Altersleistungen stattfinde. Als entscheidender
Gesichtspunkt komme der Grundsatz hinzu, wonach die Vorsorgeeinrichtungen im
Bereich der weitergehenden Vorsorge bei der Festsetzung der Leistungen im
Rahmen von Art. 49 Abs. 2 BVG und der verfassungsmässigen Schranken (wie
Rechtsgleichheit, Willkürverbot und Verhältnismässigkeit) hinsichtlich der
Vertragsgestaltung grundsätzlich frei sind. Dieses Prinzip verbiete es, die
Vorsorgeeinrichtungen auch im weitergehenden Bereich der beruflichen Vorsorge
zu verpflichten, die Invalidenrente über das Erreichen des Rentenalters
hinaus auszurichten bzw. Altersleistungen zu erbringen, die mindestens der
vor Erreichen des Pensionierungsalters ausgerichteten Invalidenrente
entsprechen.

3.2 Im Lichte dieser mit Urteil K. vom 24. Juni 2004 eingeleiteten und von
der Vorinstanz bereits vorweggenommenen Rechtsprechungsänderung erweist sich
der kantonale Entscheid als richtig. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen
hat, setzt das in der Verfassung verankerte Leistungsziel, wonach die
berufliche Vorsorge zusammen mit der AHV die Fortsetzung der gewohnten
Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen soll, was Rentenleistungen
von 60 bis 70 % des letzten Verdienstes entspricht (vgl. dazu auch Botschaft
des Bundesrates zum Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-
und Invalidenvorsorge vom 19. Dezember 1975, BBl 1976 I S. 157; Pierre-Yves
Greber, Kommentar zu Art. 34quater aBV, Rz 84 ff.; Hans Michael Riemer, Das
Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, S. 30 Rz 18) voraus, dass der
Versicherte in der beruflichen Vorsorge eine vollständige Beitragsdauer für
das Risiko Alter aufweist, d.h. ab dem Kalenderjahr nach Vollendung des 24.
Altersjahres (Art. 7 Abs. 1 BVG) ohne Unterbruch in der beruflichen Vorsorge
versichert ist. Genau dies trifft beim Beschwerdeführer nicht zu, war er doch
nach den Akten erst ab 1998 bei der Beklagten versichert, wobei er weder eine
Freizügigkeitsleistung einbrachte noch zusätzliche Versicherungsjahre
einkaufte. Unter diesen Umständen wäre es völlig unrealistisch, von der
beruflichen Vorsorge eine (zusammen mit der AHV-Rente) dem Verfassungsauftrag
entsprechende Altersleistung erwarten zu wollen. Diese wäre ebenso wenig
finanziert wie eine Altersleistung, welche sich an der bisherigen, dem
Leistungsprimat unterliegenden Invalidenleistung orientieren würde.

3.3 Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, erlosch der Anspruch auf
die reglementarische Invalidenrente von Fr. 19'296.- pro Jahr am 30.
September 2002 (Art. D.1 Ziff. 1 Reglement) und wurde am 1. Oktober 2002 eine
lebenslängliche Altersrente fällig (Art. C.1 Ziff. 1 Reglement), die sich
nach Art. 14 BVG berechnet und mindestens so hoch sein muss wie die der
Teuerung angepasste gesetzliche Invalidenrente (Art. C.1 Ziff. 2 Reglement).
Nicht zu beanstanden ist, dass die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer ab
1. Oktober 2002 keine Altersrente ausrichtete, sondern auf diesen Zeitpunkt
hin eine Kapitalauszahlung vornahm, weil sie sich mit diesem Vorgehen an die
Erklärung des Beschwerdeführers vom 4. August 1999 hielt, wonach er auf die
vorgesehene Auszahlung in Rentenform verzichte und stattdessen eine
Kapitalleistung verlange. Da dem ausbezahlten Altersguthaben von Fr. 19'589.-
eine Altersrente von Fr. 1410.- pro Jahr (7,2 % von Fr. 19'589.-) entspricht,
was die Invalidenrente nach BVG, welche sich auf Fr. 1302.- pro Jahr (7,2 %
von Fr. 18'089.-) belaufen würde,  übersteigt, ist gegen die durch die
Beschwerdegegnerin vorgenommene Kapitalauszahlung auch in masslicher Hinsicht
nichts einzuwenden.

4.
Da es um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine
Gerichtskosten zu erheben.

Nach Art. 159 Abs. 2 OG darf im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
obsiegenden Behörden oder mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten
Organisationen in der Regel keine Parteientschädigung zuerkannt werden. Diese
Bestimmung findet nach der Rechtsprechung auch auf Träger oder Versicherer
der beruflichen Vorsorge gemäss BVG Anwendung (BGE 126 V 149 Erw. 4, 118 169
Erw. 7, 117 V 349 Erw. 8 mit Hinweis). Aus diesem Grunde ist der obsiegenden
Beschwerdegegnerin keine Parteientschädigung zuzusprechen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 18. Oktober 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: