Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 36/2004
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B 36/04

Urteil vom 21. April 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Arnold

1. S.________, 1950,

2. D.________, 1966,

Beschwerdeführerinnen, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Niklaus Widmer,
Poststrasse 23, 9000 St. Gallen,

gegen

Betriebliche Altersvorsorgeeinrichtung GastroSuisse, Bahnhofstrasse 86, 5001
Aarau, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Isabelle
Vetter-Schreiber, Seestrasse 6, 8002 Zürich,

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 24. März 2004)

Sachverhalt:

A.
A.a F.________, geb. 1939, arbeitete ab 1. Februar 1994 im Restaurant
X.________ und war dadurch bei der BAV Betriebliche Altersvorsorge
GastroSuisse (nachfolgend: BAV GastroSuisse) berufsvorsorgerechtlich
versichert. Mit Wirkung ab 26. Juli 1998 richtete die BAV GastroSuisse ihm
eine Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 50 % aus, woraus
quartalsweise ein Betrag von Fr. 436.- resultierte.

A.b Am 7. Januar 2002 starb F.________. Als gesetzliche Erben hinterliess er
seine Ehefrau S.________, geb. 1950, sowie seine Tochter D.________, geb.
1966. Die BAV GastroSuisse anerkannte mit Wirkung ab 1. Februar 2002 einen
Anspruch von S.________ auf eine Witwenrente in der Höhe von Fr. 555.- pro
Quartal (Schreiben vom 18. Februar 2002). In der nachfolgenden Korrespondenz
erzielten die anwaltlich vertretene S.________ und die BAV GastroSuisse keine
Einigkeit über die Höhe der dem Grundsatz nach unbestrittenen Witwenrente.
Strittig war dabei insbesondere, welche Wirkungen der Umstand zeitigt, dass
die Pensionskasse B.________ AG, bei welcher F.________ bis Ende April 1991
Mitglied gewesen war, der BAV GastroSuisse im Frühjahr 1998 eine F.________
zustehende Austrittsleistung in Höhe von Fr. 161'208.30, wovon Fr. 34'274.-
als "Betrag nach BVG", überwiesen hatte.

B.
Am 30. Mai 2003 liessen S.________ und D.________ Klage beim
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen einreichen mit folgendem
Rechtsbegehren:
"1. Es sei die Invalidenrente von F.________ rückwirkend ab 26. Juli 1998 bis
zum Tode am 7. Januar 2002, unter Einschluss des gesamten Altersguthabens
gemäss Art. 24 BVG neu zu berechnen. Die Differenz sei den Erben (Witwe und
Tochter) je zur Hälfte nachzubezahlen.

2.  Die Witwenrente von S.________ sei aufgrund der neu berechneten
BVG-IV-Rente ihres verstorbenen Ehemannes gemäss Art. 24 und 15 BVG neu zu
berechnen.

3.  Eventuell sei der nicht obligatorische Teil des Alterskapitals von
F.________ sel. den Klägerinnen nach Erbrecht je zur Hälfte auszubezahlen.
(...)"

Das kantonale Gericht wies die Klage ab (Entscheid vom 24. März 2004).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lassen S.________ und D.________ das
vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern.

Die BAV GastroSuisse lässt auf kosten- und entschädigungspflichtige Abweisung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für
Sozialversicherung verzichtet auf eine Stellungnahme.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Streitigkeit unterliegt der Gerichtsbarkeit der in Art. 73 BVG erwähnten
richterlichen Behörden, welche sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher
Hinsicht zuständig sind (BGE 130 V 104 Erw. 1.1, 112 Erw. 3.1.2, 128 II 389
Erw. 2.1.1, 128 V 258 Erw. 2a, 120 V 18 Erw. 1a, je mit Hinweisen).

2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen und reglementarischen Grundlagen
für die Beurteilung der im Streite liegenden Ansprüche auf eine
berufsvorsorgerechtliche Invaliden- und Witwenrente zutreffend dargelegt,
worauf verwiesen wird. Es betrifft dies insbesondere die Bestimmungen über
die Höhe der Invalidenrente der Vorsorgeeinrichtung im obligatorischen (Art.
24 BVG) sowie im überobligatorischen (Art. 13 Ziff. 4 des Reglements [in der
ab 1. Januar 1997 gültigen Fassung]) Bereich, die Höhe der obligatorischen
(Art. 21 BVG) sowie der reglementarischen (Art. 14 Ziff. 2 des
Vorsorgereglements [in der ab 1. Januar 1999 in Geltung stehenden Fassung])
Witwenrente und den Grundsatz, wonach die Vorsorgeeinrichtungen im Bereich
der weitergehenden beruflichen Vorsorge im Rahmen von Art. 49 Abs. 2 BVG und
der verfassungsmässigen Schranken (wie Rechtsgleichheit, Willkürverbot und
Verhältnismässigkeit) hinsichtlich der Vertragsgestaltung, wie beispielsweise
der Ausgestaltung der Leistungen und deren Finanzierung, grundsätzlich frei
sind (vgl. hiezu statt vieler: BGE 130 V 376 Erw. 6.4 mit Hinweisen; Hermann
Walser, Weitergehende berufliche Vorsorge, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz. 142 mit Hinweisen).

3.
Letzt- wie bereits vorinstanzlich dreht sich der Streit im Wesentlichen
darum, ob bei der Berechnung des Anspruchs auf eine Invaliden- und
Witwenrente die der Beschwerdegegnerin durch die Pensionskasse B.________ AG
im Frühjahr 1998 überwiesene Austrittsleistung des F.________ in Höhe von Fr.
161'208.30 insgesamt - so die Beschwerdeführer - oder bloss im Umfange des
Obligatoriums (34'274.-) - so die Vorinstanz und die Beschwerdegegnerin - zu
berücksichtigen ist. Im Eventualpunkt stellen sich die Beschwerdeführer auf
den Standpunkt, der "nicht obligatorische Teil des Alterskapitals"
(Rechtsbegehren Ziff. 3) sei ihnen je hälftig auszubezahlen.

4.
4.1 Nach Lage der Akten stimmen sämtliche Verfahrensbeteiligten zu Recht darin
überein, dass die dem Leistungsprimat unterliegenden reglementarischen
Leistungen bei Invalidität und Todesfall (jährliche Invalidenrente ab Juli
1998: Fr. 1'744.- und Witwenrente ab Februar 2002: Fr. 2'220.-) tiefer liegen
als die entsprechenden obligatorischen berufsvorsorgerechtlichen
Rentenansprüche. Dies führt dazu, dass - vorbehältlich der Zulässigkeit der
vorsorgevertraglichen Regelung - Anspruch auf die gesetzlichen
Mindestleistungen besteht.

4.2 Die Beschwerdegegnerin ist eine umhüllende Vorsorgeeinrichtung, welche
neben der obligatorischen auch die weitergehende berufliche Vorsorge
betreibt, wobei die Ansprüche der versicherten Personen in einem einzigen
Reglement geregelt werden, welches nicht zwischen den beiden Bereichen
unterscheidet. Die Streitgegenstand bildenden Ansprüche bei Invalidität und
Todesfall unterliegen reglementarisch dem Leistungsprimat (vgl. Art. 13 Ziff.
4 des Vorsorgereglements [in der ab 1. Januar 1997 gültigen Fassung] sowie
Art. 14 Ziff. 2 des Vorsorgereglements [in der ab 1. Januar 1999 in Geltung
stehenden Fassung]), wobei laut Art. 13 Ziff. 3 des Vorsorgereglements (in
der ab 1. Januar 1997 gültigen Fassung) der Anspruch auf eine Invalidenrente
im Rücktrittsalter durch den Anspruch auf Altersleistungen abgelöst wird,
welche mindestens den BVG-Invaliditätsleistungen im Rücktrittsalter
entsprechen. Besteht im Todesfall kein Anspruch auf eine Ehepartnerrente, so
hat der Ehepartner Anspruch auf eine Kapitalabfindung im dreifachen Betrag
der jährlichen Ehepartnerrente. Wird keine Rente oder eine entsprechende
Abfindung fällig, wird das durch eigene Beiträge finanzierte Altersguthaben
an die Kinder, bei deren Fehlen an die Eltern ausgerichtet. Die versicherten
Personen können mit einer schriftlichen Erklärung auch andere gesetzliche
Erben oder Personen, die sie zur Hauptsache unterstützt haben, begünstigen
(Art. 14 Ziff. 3 und 5 des Vorsorgereglements [in der ab 1. Januar 1999
gültigen Fassung]).

Inwieweit diese vertragliche Ordnung gegen Art. 49 Abs. 2 BVG oder
übergeordnetes Bundesrecht verstossen soll (vgl. Erw. 2 in fine), wird nicht
näher dargetan. Während die Ablösung einer (dem Leistungsprimat
unterliegenden) Invalidenrente durch eine (dem Beitragsprimat unterstehende)
Altersrente im Rücktrittsalter mit Blick auf die grundsätzliche Freiheit bei
der Ausgestaltung der weitergehenden Vorsorge ohne weiteres zulässig ist,
führt die vorsorgevertragliche Ausgestaltung der Todesfallleistungen
gegebenenfalls dazu, dass die im Todesfall primär geschuldete Ehepartnerrente
beim Tod eines Invalidenrentners als Folge des Leistungsprimats bei
verhältnismässig niedrigen Löhnen tiefer ausfällt als die obligatorische
Witwenrente. Das mag im Einzelfall zu unbefriedigenden Resultaten führen,
bedeutet aber insbesondere nicht, dass die vorsorgevertragliche Regelung an
sich in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen würde und
als solche als willkürlich zu qualifizieren wäre (BGE 129 I 9 Erw. 2.1, 58
Erw. 4, 127 I 41 Erw. 2a; vgl. Erw. 2 hievor).

4.3 Mit der Vorinstanz und der Beschwerdegegnerin ist bei der Berechnung der
obligatorischen Witwen- und Invalidenrente (Art. 15, 21, 24 BVG) schliesslich
einzig derjenige Teil der eingebrachten Freizügigkeitsleistung (Fr.
161'208.30) zu berücksichtigen, der in Anwendung des Obligatoriums (Fr.
34'274.-) resultierte. Dies aus dem Grunde, weil beim Neueintritt in eine
Vorsorgeeinrichtung für die Erhaltung des bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen
obligatorischen Vorsorgeschutzes nur derjenige Teil der Austrittsleistung
benötigt wird, der aus dem Obligatorium herrührt. Enthält die
Austrittsleistung einer Vorsorgeinrichtung, wie im hier zu beurteilenden Fall
diejenige der Pensionskasse B.________ AG, nebst einem obligatorischen auch
einen vor-, unter- und/oder überobligatorischen Teil, stellt sich die von den
Beschwerdeführerinnen aufgeworfene Frage, was mit dem nicht verwendeten Teil
der mitgebrachten Austrittsleistung geschieht (hiezu Art. 13 FZG), erst dann,
wenn die Austrittsleistung höher ist als die nötige Eintrittsleistung für die
obligatorischen und reglementarischen Leistungen (vgl. hiezu Art. 9 FZG
"Aufnahme in die reglementarischen Leistungen"). Das ist etwa der Fall, wenn
die neue Vorsorgeeinrichtung ein tieferes Leistungsniveau aufweist oder es
sich bei ihr, im Unterschied zur bisherigen Vorsorgeeinrichtung, um eine
BVG-Minimalkasse handelt, die bloss den obligatorischen Minimalrahmen des
Aufgabenbereichs (Art. 13 - 41 BVG) abdeckt (Jürg Brühwiler, Obligatorische
berufliche Vorsorge, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR],
Soziale Sicherheit, Rz. 15). Im Unterschied zu den hier strittigen Ansprüchen
bei Invalidität und Todesfall, die dem Leistungsprimat unterliegen, hat die
Beschwerdegegnerin für die Altersleistungen reglementarisch vorgesehen, dass
diese auf dem gesamten vorhandenen (obligatorischen und überobligatorischen)
Altersguthaben beziehungsweise unter Einschluss der gesamten von der
Pensionskasse B.________ AG geleisteten Austrittsleistung berechnet werden
(vgl. Art. 12 des Reglements in der ab 1. Januar 1997 gültigen Fassung). Weil
die Altersleistungen reglementarisch dem Beitragsprimat unterstellt sind,
fällt mit der Vorinstanz ein Tatbestand gemäss Art. 13 FZG (wie er der Sache
nach in BGE 115 V 109 vorlag) in casu ausser Betracht. Dem kantonalen Gericht
ist schliesslich auch darin zu folgen, dass keine Pflicht der
Beschwerdegegnerin dazu bestand, den Versicherten bei Beginn des
Vertragsverhältnisses darauf hinzuweisen, dass der grösste Teil der
Austrittsleistung der Pensionskasse B.________ AG zwar für den Vorsorgeschutz
bei Eintritt des "Alters", nicht aber bei Eintritt von "Tod" und
"Invalidität", verwendet werde.

5.
Da Versicherungsleistungen im Streite liegen, sind keine Gerichtskosten zu
erheben (Art. 134 OG). Gemäss Art. 159 Abs. 2 OG darf im Verfahren der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde obsiegenden Behörden oder mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine
Parteientschädigung zuerkannt werden. Diese Bestimmung findet nach der
Rechtsprechung auch auf Träger oder Versicherer der beruflichen Vorsorge
gemäss BVG Anwendung (in BGE 129 V 381 nicht publizierte Erw. 6 des Urteils
R. vom 23. Mai 2003 mit Hinweisen auf BGE 126 V 149 Erw. 4, 118 V 169 Erw. 7
und 117 V 349 Erw. 6 mit Hinweis), weshalb der obsiegenden Beschwerdegegnerin
keine Parteientschädigung zuzusprechen ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen
zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 21. April 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: