Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 27/2004
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B 27/04

Urteil vom 21. Februar 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiber Widmer

Personalvorsorgestiftung der Firma S.________, Beschwerdeführerin, vertreten
durch Rechtsanwalt
Peter Rösler, Aeplistrasse 7, 9008 St. Gallen,

gegen

Z.________, 1948, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf
Sutter, Toggenburgerstrasse 24, 9500 Wil

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 10. Februar 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1948 geborene Z.________ arbeitete von 1981 bis Ende Juni 2002 als
Maschinist bei der Firma S.________ und war bei deren
Personalvorsorgestiftung für die berufliche Vorsorge versichert. Mit
Verfügungen vom 4. Oktober 2002 sprach ihm die IV-Stelle rückwirkend ab 1.
Oktober 2001 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Rente der
Invalidenversicherung zu. Die Nachzahlung für die Zeit vom 1. Oktober 2001
bis 30. September 2002 in der Höhe von Fr. 36'188.- verrechnete sie mit dem
Rückforderungsanspruch der Zürich Versicherungs-Gesellschaft (im Folgenden:
Zürich), welche dem Versicherten im fraglichen Zeitraum Taggelder
ausgerichtet hatte. Nachdem Z.________ die Personalvorsorgestiftung um
Zusprechung einer Invalidenrente aus der beruflichen Vorsorge ab 1. Oktober
2001 ersucht, diese sich aber auf den Standpunkt gestellt hatte, der
Rentenanspruch beginne infolge der von der Zürich erbrachten
Taggeldleistungen für krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit erst am 1.
Oktober 2002, was sie ihm am 14. November 2002 eröffnete, liess er am 17.
März 2003 beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen Klage einreichen.
Er beantragte, die Personalvorsorgestiftung sei zu verpflichten, ihm für den
Zeitraum vom 1. Oktober 2001 bis 30. September 2002 eine volle Invalidenrente
in der Höhe von Fr. 14'632.20, zuzüglich Zins zu 5 % seit 1. März 2002, zu
bezahlen. Mit Entscheid vom 10. Februar 2004 hiess das Versicherungsgericht
die Klage in dem Sinne gut, dass es den Anspruch von Z.________ auf
Invalidenleistungen der Vorsorgestiftung für die Zeit vom 1. Oktober 2001 bis
30. September 2002 dem Grundsatz nach bejahte.

B.
Die Personalvorsorgestiftung führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den
Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei der
Beginn des Anspruchs auf Invalidenleistungen auf den 26. Oktober 2002
festzusetzen; eventuell sei festzustellen, dass der Versicherte von Oktober
2001 bis September 2002 Anspruch auf eine monatliche Invalidenrente der
beruflichen Vorsorge von Fr. 356.35 hat.

Z. ________ und das Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf Abweisung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Für den Beginn des Anspruchs auf Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge
nach Art. 23 BVG gelten laut Art. 26 Abs. 1 BVG sinngemäss die entsprechenden
Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (Art. 29 IVG).
Nach Art. 26 Abs. 2 BVG kann die Vorsorgeeinrichtung in ihren
reglementarischen Bestimmungen vorsehen, dass der Anspruch aufgeschoben wird,
so lange der Versicherte den vollen Lohn erhält. Der vom Bundesrat gestützt
auf die Delegationsnorm des Art. 34 BVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig
gewesenen Fassung) erlassene Art. 27 BVV2 bestimmt, dass die
Vorsorgeeinrichtung den Anspruch auf Invalidenleistung bis zur Erschöpfung
des Taggeldanspruchs aufschieben kann, wenn der Versicherte an Stelle des
vollen Lohnes Taggelder der Krankenversicherung erhält, die mindestens 80 %
des entgangenen Lohnes betragen (lit. a), und die Taggeldversicherung vom
Arbeitgeber mindestens zur Hälfte mitfinanziert wurde (lit. b).
Die Beschwerdeführerin hat von der ihr in Art. 26 Abs. 2 BVG eingeräumten
Befugnis Gebrauch gemacht: Gemäss Art. 9 Abs. 6 ihres Vorsorgereglementes vom
10. Juli 1997 beginnt der Anspruch auf Invalidenrente und
Invaliden-Kinderrenten mit dem Anspruch auf eine Leistung der
Invalidenversicherung, frühestens aber, wenn der Lohn oder das ihn ersetzende
Kranken- oder Unfalltaggeld nicht mehr ausbezahlt werden.

2.
2.1 Laut Abrechnung vom 27. September 2002 zuhanden der AHV-Ausgleichskasse
richtete die Zürich dem Beschwerdegegner vom 1. Oktober 2001 bis 30.
September 2002 Taggelder für volle Arbeitsunfähigkeit in der Höhe von
insgesamt Fr. 45'741.80 aus. Nachdem sie Kenntnis von der Höhe der dem
Versicherten ab 1. Oktober 2001 zustehenden Rente der Invalidenversicherung
erhalten hatte, welche am 4. Oktober 2002 verfügt wurde, ersuchte die Zürich
am 27. September 2002 um Überweisung des Betrages von Fr. 36'188.-,
entsprechend der Differenz zwischen den geleisteten Taggeldzahlungen von Fr.
45'744.- und dem Taggeldanspruch nach Berücksichtigung der Leistungen der
Invalidenversicherung. In diesem Umfang verrechnete die IV-Stelle in den
Verfügungen vom 4. Oktober 2002 den Nachzahlungsanspruch des
Beschwerdegegners mit der Rückforderung der Zürich. Als restliche
Taggeldleistung der Zürich verblieb damit noch der Betrag von Fr. 9553.80
(Fr. 45'741.80 - Fr. 36'188.-). Wie die Vorinstanz zutreffend festhält, liegt
diese Summe ganz erheblich unter der Grenze von 80 % des dem Beschwerdegegner
von Oktober 2001 bis September 2002 entgangenen Lohnes, betrug doch sein
Monatsgehalt ab 1. Januar 2001 Fr. 4395.-, zuzüglich Leistungszuschläge. Ein
Aufschub des Anspruchs auf Invalidenleistung im Sinne von Art. 27 BVV2 und
der massgebenden Reglementsbestimmung fiel daher nach der Verrechnung der
Renten der Invalidenversicherung mit den Taggeldleistungen der Zürich, wie
sie die Vorsorgeeinrichtung gemäss Schreiben vom 14. November 2002 vornehmen
wollte, nicht mehr in Betracht.

2.2 Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen diese Auffassung der
Vorinstanz vorgebrachten Einwendungen sind unbegründet. Die
Personalvorsorgestiftung verkennt, dass Art. 26 Abs. 2 BVG und Art. 27 BVV2
nicht die Frage der Überentschädigung, sondern den Beginn des Anspruchs auf
Invalidenleistungen zum Gegenstand haben, der nur unter den in Art. 27 BVV2
näher umschriebenen Voraussetzungen bis zur Erschöpfung des Taggeldanspruchs
aufgeschoben werden kann, wenn das einschlägige Reglement dies vorsieht. Die
Ausführungen der Personalvorsorgestiftung erschöpfen sich in diesem
Zusammenhang denn auch im Wesentlichen in der Behauptung, die
Taggeldzahlungen der Zürich und die Invalidenrente führten zusammen mit den
Invalidenleistungen nach BVG zu einer Überentschädigung, weshalb sie bloss in
reduziertem Umfang Leistungen zu erbringen habe.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat sich zur Höhe der dem Versicherten für den Zeitraum vom
1. Oktober 2001 bis 30. September 2002 zustehenden Leistungen nicht
geäussert, obwohl in der Klage die Zusprechung einer vollen Invalidenrente
von Fr. 14'632.20, zuzüglich Zins zu 5 % ab 1. März 2002, beantragt worden
war. Vielmehr hat sie lediglich festgestellt, dass die Beschwerdeführerin für
die Zeit vom 1. Oktober 2001 bis 30. September 2002 grundsätzlich
leistungspflichtig sei und es der Personalvorsorgestiftung obliege, zu
prüfen, ob sie die vollen Leistungen zu erbringen habe oder ob allenfalls
zufolge Überentschädigung eine Kürzung Platz greife. In der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird diese Verfahrenserledigung gerügt.

3.2 Nach der Rechtsprechung ist der Entscheid des kantonalen
Berufsvorsorgegerichts, mit welchem ein Leistungsanspruch entsprechend dem
Klagebegehren der versicherten Person lediglich dem Grundsatz nach
festgestellt, nicht aber betraglich ermittelt wird, bundesrechtskonform (BGE
129 V 453 Erw. 3.4). Anders verhält es sich hingegen, wenn die Leistungsklage
betraglich beziffert ist. Diesfalls hat der BVG-Richter über Beginn und Höhe
des Anspruchs zu befinden, wenn er diesen im Grundsatz bejaht, da diese
Punkte zum Streitgegenstand gehören (BGE 129 V 453 Erw. 3.3 mit Hinweis).

3.3 Da der Beschwerdegegner seine Klage betraglich beziffert hat, wäre das
kantonale Gericht gehalten gewesen, über die Höhe des Anspruchs auf
Invalidenleistungen zu entscheiden und insbesondere auch zu prüfen, ob und
inwieweit im Sinne von Art. 34 Abs. 2 BVG (in der bis Ende 2002 gültig
gewesenen Fassung) und Art. 24 BVV2 eine Überentschädigung vorliegt, welche
eine Kürzung der Leistungen der Vorsorgestiftung rechtfertigt. Die Sache wird
daher an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie das Versäumte nachhole und
über die Klage in masslicher Hinsicht entscheide.

4.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Nach Art. 159 Abs. 2 OG darf in
Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde obsiegenden Behörden oder mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine
Parteientschädigung zugesprochen werden. Dies gilt auch für die Träger oder
Versicherer der beruflichen Vorsorge (BGE 126 V 150 Erw. 4a mit Hinweisen).
Die Vorsorgeeinrichtung, die letztinstanzlich teilweise obsiegt, indem der
angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache an das kantonale Gericht
zurückzuweisen ist, hat somit keinen Anspruch auf Parteientschädigung. Der
Beschwerdegegner obsiegt insoweit, als sein grundsätzlicher Anspruch auf
Invalidenleistungen für den Zeitraum vom 1. Oktober 2001 bis 30. September
2002 bestätigt wird. Diesem Verfahrensausgang gemäss hat er Anspruch auf eine
reduzierte Parteientschädigung zu Lasten der Beschwerdeführerin (Art. 135 in
Verbindung mit Art. 159 Abs. 3 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen,
dass der angefochtene Entscheid vom 10. Februar 2004 aufgehoben und die Sache
an das Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen zurückgewiesen wird,
damit es über die Klage im Sinne der Erwägungen neu entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Personalvorsorgestiftung der Firma S.________ hat dem Beschwerdegegner
für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
Parteientschädigung von Fr. 800.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 21. Februar 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: