Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 26/2004
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B 26/04

Urteil vom 3. Dezember 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiberin Keel Baumann

Personalvorsorgestiftung der Y.________ AG, General Guisan-Quai 26, 8022
Zürich, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Frick,
Florastrasse 44, 8008 Zürich,

gegen

S.________, 1945, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Agathe
M. Wirz-Julen, Brantschenhaus 18, 3920 Zermatt

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 23. Februar 2004)

Sachverhalt:

A.
Die 1945 geborene S.________ arbeitete seit 1. November 1967 bei der Firma
X.________ und war ab 1. Januar 1970 bei der Vorsorgeeinrichtung 1 der
Z.________ vorsorgeversichert. Per 1. Oktober 2001 übertrug die Firma
X.________ den Betrieb auf die Y.________ AG, welche sich einstweilen der
Vorsorgeeinrichtung der Z.________ anschloss. Mit Wirkung per 1. Januar 2002
traten die Statuten der neu gegründeten Personalvorsorgestiftung der
Y.________ AG, bei welcher S.________ seither versichert war, in Kraft.

Am 26. September 2001 hatte S.________ der Firma X.________ unter Hinweis auf
die einjährige reglementarische Ankündigungsfrist mitgeteilt, dass sie am 1.
Oktober 2002 in den frühzeitigen Ruhestand treten werde. Entsprechend einer
am 4. Oktober 2001 mit der Y.________ AG als neuer Arbeitgeberin getroffenen
Vereinbarung bezog sie im Oktober 2001 ihre restlichen Ferientage und in der
Zeit vom 1. November 2001 bis 30. September 2002 unbezahlten Urlaub, wobei
die Versicherung bei der Vorsorgeeinrichtung weitergeführt wurde.

Am 27. September 2002 stellte die Arbeitgeberin S.________ den
Versicherungsausweis der Personalvorsorgestiftung der Y.________ AG per 1.
Oktober 2002 zu, in welchem die jährliche Altersrente ab diesem Datum mit Fr.
31'644.- beziffert wird, welcher Betrag S.________ in der Folge ausgerichtet
wurde. Daran hielt die Personalvorsorgestiftung auch fest, als S.________ die
Ausrichtung einer höheren Rente beantragte unter Hinweis auf eine von der
Vorsorgeeinrichtung 1 der Z.________ am 13. Oktober 2000 erstellte
Rentenberechnung, gemäss welcher bei einer Pensionierung per 1. Oktober 2002
eine jährliche Rente von Fr. 44'679.- geschuldet ist.

B.
Am 27. Februar 2003 erhob S.________ Klage mit dem Antrag, es sei die
Beklagte zu verpflichten, ihr ab 1. Oktober 2002 eine jährliche Altersrente
von Fr. 44'752.- zu bezahlen, zuzüglich Zins zu 5 % seit Klageeinleitung und
unter Verrechnung der bereits ausgerichteten Rentenzahlungen. Mit Entscheid
vom 23. Februar 2004 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
die Klage teilweise gut und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin mit
Wirkung ab 1. Oktober 2002 eine Altersrente in der Höhe von Fr. 43'901.-
jährlich, abzüglich der bereits geleisteten Rentenzahlungen auszurichten,
zuzüglich Verzugszins von 5 % für die von Oktober 2002 bis Februar 2003 noch
geschuldeten Rentenbetreffnisse ab 27. Februar 2003, für die restlichen ab
dem jeweiligen Fälligkeitsdatum.

C.
Die Personalvorsorgestiftung der Y.________ AG erhebt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des kantonalen
Entscheides und Abweisung der Klage.

S. ________ lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Stellungnahme.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gemäss Ziff. 4.1 Abs. 2 des bis 31. Dezember 2001 anwendbar gewesenen
Reglements der Vorsorgeeinrichtung 1 der Z.________ (nachfolgend: altes
Reglement) bemisst sich die jährliche Altersrente in Prozenten des
versicherten Lohnes und in Abhängigkeit der möglichen Versicherungsdauer,
wobei bei einer Dauer von 32 und mehr Jahren ein Rentensatz von 64 % zur
Anwendung gelangt (für vor dem 1. Januar 1995 eingetretene Versicherte 65 %).
Fehlen einer versicherten Person bis zum Schlussalter höchstens 60 Monate,
kann sie sich laut Ziff. 3.7 des alten Reglements unter Beachtung einer
12monatigen Ankündigungsfrist jeweils auf ein Monatsende vorzeitig
pensionieren lassen (Abs. 1). Die gemäss Ziff. 4.1 bestimmte Altersrente wird
dabei um 0,4 % für jeden fehlenden Monat bis zum reglementarischen
Schlussalter gekürzt. Für jeden Monat der möglichen Versicherungsdauer, der
32 Jahre übersteigt, reduziert sich die Kürzung um 0,2 % der Altersrente
(Abs. 2).

Lässt sich eine berechtigte Person, die vor dem 1. Januar 1993 in die
Hauptversicherung eingetreten ist, vorzeitig pensionieren, wird die Reduktion
der Kürzung gemäss Ziffer 3.7 Abs. 2 des alten Reglementes aufgrund der
möglichen Versicherungsdauer, die 30 Jahre übersteigt, festgelegt (Art. 8.2.2
des alten Reglementes).

1.2 Gemäss Art. 30 des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Reglementes der
Beschwerdeführerin (nachfolgend: neues Reglement) entspricht die jährliche
Altersrente dem im Zeitpunkt des Rücktritts vorhandenen Altersguthaben gemäss
Artikel 11, multipliziert mit einem in Anhang B desselben Reglementes
aufgeführten Umwandlungssatz.
Beendigt ein Versicherter sein Arbeitsverhältnis vor dem ordentlichen
Rücktrittsalter, jedoch nach dem letzten Tag des Monats, in dessen Verlauf er
das 57. Altersjahr vollendet, zahlt er ab diesem Zeitpunkt keine Beiträge
mehr und erhält eine vorzeitige Altersrente, sofern er nicht die Überweisung
der gemäss Artikel 64 und 65 berechneten Freizügigkeitsleistung an die
Vorsorgeeinrichtung des neuen Arbeitgebers verlangt oder eine solche
Überweisung von der Vorsorgeeinrichtung eines neuen Arbeitgebers verlangt
wird (Art. 29 Abs. 1 Satz 1 des neuen Reglementes).

1.3 In übergangsrechtlicher Hinsicht sieht das neue Reglement in Art. 90 vor,
dass für Personen, die den Vorsorgeeinrichtungen 1 und 2 der Z.________ am
31. Dezember 2001 als beitragspflichtige Versicherte angeschlossen waren, die
auf diesen Zeitpunkt und gemäss dem anwendbaren Reglement berechneten
Leistungen bei gleichem Lohn und Beschäftigungsgrad in Franken garantiert
werden, sofern inzwischen kein Vorbezug im Rahmen der Wohneigentumsförderung
geltend gemacht oder kein Pfand verwertet wurde, keine Freizügigkeitsleistung
bei Ehescheidung überwiesen wurde und die Altersleistung nicht in Kapitalform
verlangt wurde. Der Arbeitgeber übernimmt die daraus resultierenden Kosten.

2.
Es steht fest und ist unbestritten, dass zwischen Beschwerdeführerin und
Beschwerdegegnerin keine von den reglementarischen Bestimmungen abweichende
Regelung betreffend die Höhe der Altersrente im Hinblick auf die vorzeitige
Pensionierung per 1. Oktober 2002 getroffen worden ist, weshalb das im
Zeitpunkt des Rentenbeginnes in Kraft stehende neue Reglement zur Anwendung
gelangt. Uneinigkeit besteht unter den Parteien in Bezug auf die Auslegung
von Art. 90 desselben Reglementes, wonach "die auf diesen Zeitpunkt [31.
Dezember 2001] und gemäss dem anwendbaren Reglement berechneten Leistungen
bei gleichem Lohn und Beschäftigungsgrad in Franken garantiert werden". Die
Beschwerdeführerin vertritt - anders als Vorinstanz und Beschwerdegegnerin -
die Auffassung, die in dieser Bestimmung statuierte Leistungsgarantie beziehe
sich nur auf das ordentliche Pensionierungsalter, so dass die
Beschwerdegegnerin, die vorzeitig in den Ruhestand getreten ist, daraus
nichts zu ihren Gunsten ableiten könne.

3.
3.1 Die Auslegung des Reglements als vorformulierter Inhalt des
Vorsorgevertrages geschieht nach dem Vertrauensprinzip. Dabei sind jedoch die
den Allgemeinen Versicherungsbedingungen innewohnenden Besonderheiten zu
beachten, namentlich die so genannten Unklarheits- und
Ungewöhnlichkeitsregeln. Nach diesen Auslegungsgrundsätzen gilt es ausgehend
vom Wortlaut und unter Berücksichtigung des Zusammenhanges, in dem eine
streitige Bestimmung innerhalb des Reglements als Ganzes steht, den
objektiven Vertragswillen zu ermitteln, den die Parteien mutmasslich gehabt
haben. Dabei hat das Gericht zu berücksichtigen, was sachgerecht ist, weil
nicht angenommen werden kann, dass die Parteien eine unvernünftige Lösung
gewollt haben. Sodann sind nach konstanter Rechtsprechung mehrdeutige
Wendungen in vorformulierten Vertragsbedingungen im Zweifel zu Lasten ihres
Verfassers auszulegen.

Steht demgegenüber eine im Einzelfall getroffene vorsorgevertragliche Abrede
in Frage, ist nach den gewöhnlichen Regeln der Vertragsauslegung zunächst
nach dem übereinstimmenden wirklichen (subjektiven) Parteiwillen (Art. 18
Abs. 1 OR) zu suchen. Lässt sich ein übereinstimmender Wille der Parteien
nicht feststellen, so sind deren Erklärungen ebenfalls nach dem
Vertrauensprinzip auszulegen. Danach sind Willenserklärungen so zu deuten,
wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durften und mussten
(BGE 122 V 146 Erw. 4c mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung; vgl. auch
Erw. 4.1 des Urteils W. vom 22. August 2003, B 101/02).

3.2 Mit Blick darauf, dass vorliegend nicht eine im Einzelfall getroffene
vorsorgevertragliche Abrede, sondern eine Reglementsbestimmung zur Diskussion
steht, wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zwar zu Recht geltend
gemacht, dass die Vorinstanz nicht nach dem übereinstimmenden (subjektiven)
Willen der Parteien hätte forschen sollen, sondern direkt eine Auslegung nach
dem Vertrauensprinzip vorzunehmen gewesen wäre. Wie zu zeigen ist, ändert
dies indessen nichts an der Richtigkeit der im angefochtenen Entscheid
schliesslich in Anwendung des Vertrauensprinzips entwickelten Lösung.

Vorab ist festzuhalten, dass die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte
Auffassung, nach welcher Art. 90 einzig bezweckte, die den versicherten
Personen bei Erreichen des ordentlichen Rentenalters zustehende
Altersleistung zu garantieren, womit Frühpensionierungen, die zur
Fristwahrung noch unter altem Recht angekündigt werden mussten und in der
Folge unter altem Recht verbindlich vereinbart worden waren, von der
Leistungsgarantie ausgenommen wären, im Wortlaut keinen Niederschlag gefunden
hat. Sodann besteht bezüglich der streitigen Rechtsfrage auch keine Lücke im
Reglement, welche vom Gericht nach Massgabe dessen zu füllen wäre, was die
Parteien nach dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbart hätten, wenn sie
den nicht geregelten Punkt in Betracht gezogen hätten (BGE 120 V 317; SZS
1995 S. 51 Erw. 3b; nicht veröffentlichtes Urteil D. vom 10. April 1992, B
40/90). Auch die Argumentation in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ändert
nichts daran, dass der Stiftungsrat, hätte er unter altem Recht erfolgte
Frühpensionierungen von der Regelung des Art. 90 wirksam ausschliessen
wollen, dies im Reglement ausdrücklich hätte festhalten müssen. Solange es an
einer solchen Bestimmung fehlt, verbietet das Vertrauensprinzip eine
Auslegung des Reglementes in dem von der Beschwerdeführerin vertretenen
Sinne. Keine Rolle spielt dabei, dass die Vorsorgeeinrichtung an den
Informationsveranstaltungen vom 25. Oktober und 5. November 2001 - an welchen
die zu dieser Zeit Ferien oder unbezahlten Urlaub beziehende
Beschwerdegegnerin, was unbestritten ist, nicht teilgenommen hat - den Inhalt
der Bestimmung in dem von ihr vertretenen Sinne erläutert haben will. Mit der
Vorinstanz ist somit festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin sich auf die
in Art. 90 des neuen Reglementes enthaltene Leistungsgarantie berufen kann.

4.
Nicht zu beanstanden ist sodann, dass die Vorinstanz im Rahmen der Berechnung
der Altersrente von einer Leistungsgarantie per 31. Dezember 2001 ausgegangen
ist, die neunmonatige Betriebszugehörigkeit im Jahr 2002 nicht zusätzlich
reduktionskürzend im Sinne von Ziff. 4.1 Abs. 2 des alten Reglementes
berücksichtigt hat und auf diese Weise zu einer jährlichen Altersrente von
Fr. 43'901.- (ab 1. Oktober 2002) gelangt ist (ausgehend von einem
Kürzungsfaktor von 7,2 % [24 % {entsprechend 60 bis zum reglementarischen
Schlussalter fehlenden Monaten, multipliziert mit 0,4 %} abzüglich 16,8 %
{entsprechend 84 reduktionsmindernd zu berücksichtigenden Monaten à 0,2 %}]
und einer Grundrente von Fr. 47'307.- [65 % des versicherten Lohnes von Fr.
72'780.-]).

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG).
Die unterliegende Beschwerdeführerin hat der anwaltlich vertretenen
Beschwerdegegnerin für das letztinstanzliche Verfahren eine
Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135
OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor dem
Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 3. Dezember 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: