Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 104/2004
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B 104/04

Urteil vom 16. März 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Widmer

D.________, 1958, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dominique Chopard, Werdstrasse 36, 8004 Zürich,

gegen

Pensionskasse X.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin
Dr. Isabelle Vetter-Schreiber, Seestrasse 6, 8002 Zürich

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 18. August 2004)

Sachverhalt:

A.
Die 1958 geborene D.________ arbeitete vom 15. Mai bis 31. Dezember 1996 als
Lageristin bei der A.________ AG. Nach Beendigung dieses
Anstellungsverhältnisses bezog sie Taggelder der Arbeitslosenversicherung. Am
28. Juli 1997 nahm sie eine Tätigkeit als Verkäuferin bei der Genossenschaft
X.________ auf. Für die berufliche Vorsorge war sie bei der Pensionskasse
X.________ (im Folgenden: Pensionskasse) versichert. Nachdem Beschwerden in
den Fingern aufgetreten waren, wurde D.________ am 5. September 1997 auf den
13. September 1997 entlassen und ab 6. September 1997 von der Arbeit
freigestellt. Gestützt auf die Anmeldung zum Leistungsbezug vom 10. September
1998 sowie die beigezogenen medizinischen und erwerblichen Unterlagen sprach
die IV-Stelle des Kantons Zürich D.________ mit Verfügung vom 25. Juni 1999
rückwirkend ab 1. September 1998 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine
ganze Invalidenrente zu.
Mit Schreiben vom 23. September 1999 und 31. Januar 2001 lehnte es die
Pensionskasse ab, D.________ Invalidenleistungen aus der beruflichen Vorsorge
auszurichten.

B.
Am 30. September 2002 liess D.________ beim Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich Klage einreichen mit dem Antrag, die Pensionskasse sei zu
verpflichten, ihr ab 1. September 1998 eine Invalidenrente aus der
beruflichen Vorsorge auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 100 %
auszurichten. Das Sozialversicherungsgericht zog die Akten der
Invalidenversicherung bei und unterbreitete Dr. med. K.________ und Dr. med.
W.________ ergänzende Fragen zu Gesundheitszustand, Behandlung und
Arbeitsunfähigkeit von D.________ in den Jahren 1996 und 1997. Dr. W.________
äusserte sich am 21. November 2003, während anstelle von Dr. K.________
dessen Praxisnachfolger Dr. med. M.________ am 12. Mai 2004 die an seinen
Vorgänger gerichteten Fragen beantwortete. Mit Entscheid vom 18. August 2004
wies das kantonale Gericht die Klage ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt D.________ beantragen, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Pensionskasse zu
verpflichten, ihr ab 1. September 1998 eine Invalidenrente auf der Grundlage
einer Invalidität von 100 % zu bezahlen. Ferner ersucht sie um die
Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung.
Während die Pensionskasse auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Anspruch auf Invalidenleistungen
aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge (Art. 23 Abs. 1 BVG), den Umfang
des Invalidenrentenanspruchs (Art. 24 Abs. 1 BVG), den Beginn des Anspruchs
(Art. 26 Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 IVG) sowie die
Rechtsprechung zur Abgrenzung der Leistungspflicht bei Übertritt eines
Versicherten in eine neue Vorsorgeeinrichtung (BGE 123 V 264 Erw. 1c, 120 V
117 f. Erw. 2c) richtig dargelegt. Ebenso hat das kantonale Gericht
zutreffend festgehalten, dass der Beschluss der Invalidenversicherung
betreffend Zusprechung einer ganzen Rente an den Versicherten für die
Beschwerdeführerin nicht bindend ist, der Invaliditätsgrad und der Beginn der
Arbeitsunfähigkeit vielmehr frei zu prüfen sind, nachdem die
Vorsorgeeinrichtung nicht in das iv-rechtliche Verfahren einbezogen worden
ist (BGE 129 V 73 ff.). Darauf kann verwiesen werden.
Zu verdeutlichen ist, dass im Bereich der obligatorischen beruflichen
Vorsorge das Versicherungsprinzip gilt (BGE 123 V 262; Urteil M. vom 15. Juli
2003, B 40/01; unveröffentlichte Urteile B. vom 29. Januar 1998, B 17/97 und
B. vom 7. Oktober 1998, B 48/97). Tritt eine Person, welche bereits Bezügerin
einer Invalidenrente ist, einer Vorsorgeeinrichtung bei, so haftet diese bei
einer Verschlechterung des vorbestandenen Gesundheitszustandes nicht. Dies
gilt sowohl, wenn die Person vor dem Anschluss an die Vorsorgeeinrichtung im
Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit keiner Pensionskasse angehörte
(z.B. wegen eines Geburtsgebrechens, unveröffentlichtes Urteil B. vom 7.
Oktober 1998, B 48/97), als auch wenn eine teilzeitbeschäftigte Person im
bisherigen Rahmen weiterarbeitet und für den nicht versicherten
Aufgabenbereich eine halbe Invalidenrente erhält (SZS 2001 S. 85; Urteil M.
vom 15. Juli 2003, B 40/01). Ebenso hat eine Person, die vor ihrer
Unterstellung unter das BVG bereits teilweise arbeitsunfähig war, keinen
Anspruch auf Leistungen der obligatorischen beruflichen Vorsorge, wenn sich
dieser vorbestandene Gesundheitszustand nach dem Eintritt in die
Vorsorgeeinrichtung verschlechtert. Vorausgesetzt ist, dass die vorbestandene
Arbeitsunfähigkeit erheblich ist, was zutrifft, wenn sie mindestens 20 %
beträgt (unveröffentlichte Urteile B. vom 21. Januar 1998, B 17/97 und B. vom
7. Oktober 1998, B 48/97).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin bei Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit, die eine Invalidität zur Folge hatte, und zusammen mit
einem psychischen Leiden zur Zusprechung einer ganzen Rente der
Invalidenversicherung bei einem Invaliditätsgrad von 100 % ab 1. September
1998 führte, bei der Pensionskasse X.________ versichert war und aus diesem
Grund Invalidenleistungen beanspruchen kann.

3.
In einlässlicher Würdigung der medizinischen Akten der Invalidenversicherung
und der von ihr eingeholten Stellungnahmen der Dres. med. W.________ (vom 21.
November 2003) und M.________ (vom 12. Mai 2004) gelangte die Vorinstanz zum
Schluss, dass die Beschwerdeführerin bereits vor Stellenantritt bei der
Genossenschaft X.________ am 28. Juli 1997 in ihrer Arbeitsfähigkeit als
Verkäuferin/ Kassiererin während längerer Zeit erheblich eingeschränkt
gewesen sei. Die sechswöchige Tätigkeit bei der Genossenschaft X.________ sei
daher lediglich als Arbeitsversuch zu betrachten.
Die Beschwerdeführerin wendet im Wesentlichen ein, es sei nicht belegt, dass
sie bei Antritt der Stelle bereits seit einiger Zeit zumindest 20 %
arbeitsunfähig gewesen sei. Frühere Anstellungsverhältnisse seien nicht aus
gesundheitlichen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen aufgelöst worden, und
auch aus der Bestätigung der Arbeitslosenkasse Y.________, bei der sie sich
am 3. Februar 1997 mit einer Vermittlungsfähigkeit von 80 % meldete, sei für
die Zeit vor Stellenantritt bei der Genossenschaft X.________ keine
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit ersichtlich.

4.
4.1 Der Beschwerdeführerin ist darin beizupflichten, dass eindeutige ärztliche
Angaben zum Grad der Einschränkung der Arbeitsfähigkeit in der Zeit
unmittelbar vor Antritt der Stelle bei der Genossenschaft X.________ am 28.
Juli 1997 fehlen.
Dr. med. W.________, FMH Rheumatologie, Physikalische Medizin/
Rehabilitation, hielt in seiner Auskunft zuhanden der Vorinstanz vom 21.
November 2003 fest, bei der erstmaligen Konsultation am 24. Januar 1997 seien
die klinischen Befunde bescheiden gewesen. Die
Ganzkörper-Skelettszintigraphie habe aber doch pathologische Mehrbelegungen
an verschiedenen Gelenken gezeigt, was auf eine chronische Polyarthritis
hingedeutet habe. Der Hausarzt Dr. med. K.________ habe im
Zuweisungsschreiben vom 15. Januar 1997 auf die seit Oktober/November 1996
entstandenen Schmerzen in den kleinen Gelenken hingewiesen und eine
Schmerzausbreitung in den Ellbogen- und Kniebereich erwähnt, wobei er den
Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung (ohne exakte Diagnose) gehabt habe.
Am 5. März 1997 hatte Dr. W.________ alsdann den Verdacht auf eine chronische
Polyarthritis. Er sah die Beschwerdeführerin erst wieder am 20. Oktober 1997.
In der Zwischenzeit waren die Beschwerden laut Angaben des Arztes
wechselhaft, wobei auch eine psychische Überlagerung mit zu berücksichtigen
sei. Die chronische Polyarthritis, die anfänglich nur habe vermutet und erst
im weiteren Verlauf eindeutig habe bestätigt werden können, verlaufe in
Schüben, wobei es vorübergehend zu Teilremissionen kommen könne.
Gestützt auf die Krankengeschichte des Dr. med. K.________ machte dessen
Nachfolger Dr. med. M.________ gegenüber dem Sozialversicherungsgericht am
12. Mai 2004 zur Entwicklung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin
die folgenden Angaben: Im Juli 1996 habe sie eine Tendovaginitis
(Sehnenscheidenentzündung) des rechten Handgelenks sowie anschliessend eine
Fingergelenkschwellung der linken Hand im Rahmen der rheumatoiden Arthritis
erlitten. Anschliessend sei es zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden
gekommen. Im Dezember 1996 habe Beschwerdefreiheit vorgelegen. Bis Juni 1997
seien wieder mehr Fingergelenkschmerzen aufgetreten, vor allem nach dem
damaligen Wohnungsumzug. Im Juli 1997, bei Stellenantritt, sei sie
beschwerdearm gewesen. Am 5. August 1997 sei erwähnt worden, dass die
Gelenkschmerzen bei der strengen Arbeit eher zugenommen hätten. Am 11. August
1997 seien die Beschwerden wieder eher geringer gewesen, worauf eine Woche
später eine schubartige Verschlechterung der Symptomatik aufgetreten sei, die
möglicherweise einer Injektionspause im Juli 1997 zuzuschreiben gewesen sei.
Zusammenfassend finde sich ein wechselhafter Beschwerdeverlauf. Unter der
damaligen Medikation sei immer wieder eine Besserung der Symptomatik erfolgt
und es hätten auch beschwerdefreie Intervalle erreicht werden können.
Mit Bezug auf die Einschränkung in der Leistungsfähigkeit hielt Dr.
M.________ fest, eine erste länger dauernde Arbeitsunfähigkeit sei für die
Zeit vom 5. bis 14. Juli 1996 bestätigt worden. Bei Stellenantritt am 28.
Juli 1997 habe volle Arbeitsfähigkeit bestanden. Ab 15. September 1997 sei
dann volle Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden.

4.2 Aufgrund einer Würdigung dieser einlässlichen Auskünfte der Dres. med.
W.________ und M.________ gegenüber dem kantonalen Sozialversicherungsgericht
kann als erstellt gelten, dass die Beschwerdeführerin spätestens seit Herbst
1996 an Polyarthritis gelitten hat. Zu welchem Zeitpunkt die genaue Diagnose
gestellt wurde, ist nicht ausschlaggebend, zumal der Hausarzt Dr. K.________
die Beschwerdeführerin bereits am 15. Januar 1997 an Dr. W.________ überwies,
wobei er den Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung äusserte. Dr.
W.________ wiederum fand am 5. März 1997 Hinweise auf eine chronische
Polyarthritis und empfahl dementsprechend im Bericht vom 6. März 1997 eine
Basistherapie mit Gold. Unter zweckmässiger medikamentöser Therapie war die
Beschwerdeführerin für eine leidensangepasste Erwerbstätigkeit offenbar auch
nach Ausbruch der Polyarthritis nicht wesentlich in der Arbeitsfähigkeit
eingeschränkt. Anders verhielt es sich jedoch für die ab 28. Juli 1997
verrichtete Arbeit als Verkäuferin und Kassiererin bei der Genossenschaft
X.________. Es ist als erwiesen anzusehen, dass bei dieser die Finger sehr
stark belastenden Tätigkeit von Anfang an eine erheblich, um mindestens 20 %,
reduzierte Arbeitsfähigkeit bestand. Anders liesse sich nicht erklären, dass
die Beschwerdeführerin bereits am 3. September 1997, gut fünf Wochen nach
Stellenantritt, Dr. K.________ aufsuchte, der im Zeugnis vom gleichen Tag
bestätigte, dass bei der Arbeit an der mechanischen Kasse Beschwerden in
Händen und Fingern aufgetreten seien, die eine medizinische Behandlung nötig
gemacht und zu einer allgemeinen Überbelastung geführt hätten. Ab 15.
September 1997 war die Beschwerdeführerin zu 50 % arbeitsunfähig (Zeugnis des
Dr. med. K.________ vom 31. August 1998).

4.3 Ist nach dem Gesagten mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erstellt,
dass die Beschwerdeführerin infolge der Polyarthritis, die sich erstmals im
Herbst 1996 manifestiert hatte, bereits bei Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit
bei der Genossenschaft X.________ für die in Frage stehende Arbeit als
Verkäuferin/Kassiererin seit längerer Zeit zu mindestens 20 % eingeschränkt
war, haftet die Pensionskasse X.________ nicht für die zumindest teilweise
auf diesen Gesundheitsschaden zurückzuführende Invalidität, für welche die
Invalidenversicherung ab 1. September 1998 eine Rente ausrichtet. Soweit die
Invalidität die Folge eines psychischen Gesundheitsschadens darstellt,
entfällt die Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin, weil nicht erwiesen
ist, dass während des Anstellungsverhältnisses bei der Genossenschaft
X.________ und der Nachdeckungsfrist von einem Monat gemäss Art. 10 Abs. 3
BVG eine relevante psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist.

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Als mit öffentlich-rechtlichen
Aufgaben betraute Institution hat die obsiegende Pensionskasse keinen
Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 126 V 150 Erw. 4a
mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin stellte ein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung,
hat das ihr am 4. Oktober 2004 zugestellte Formular betreffend ihre
wirtschaftlichen Verhältnisse indessen innert der angesetzten Frist von 30
Tagen nicht ausgefüllt und mit der Bestätigung der zuständigen
Gemeindebehörde beigebracht, weshalb auf Grund der Akten zu entscheiden ist.
Diese lassen eine Bedürftigkeit als eine der Voraussetzungen für die
Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung (Art. 152 in Verbindung mit
Art. 135 OG; BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen) nicht
erkennen, weshalb dem Gesuch keine Folge zu geben ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 16. März 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: