Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 100/2004
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B 100/04

Urteil vom 19. August 2005

I. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari,
Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Lustenberger; Gerichtsschreiber
Attinger

Kantonale Pensionskasse Solothurn, Werkhof-
strasse 29c, 4509 Solothurn, Beschwerdeführerin,

gegen

Einwohnergemeinde K.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher
Franz Müller, Casinoplatz 8, 3011 Bern

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 25. August 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1950 geborene O.________ arbeitete als Volksschullehrer in K.________ und
war bei der Kantonalen Pensionskasse Solothurn (PKS) für die berufliche
Vorsorge versichert. Ab 23. Oktober 2000 war er arbeitsunfähig. Mit Verfügung
vom 29. April 2002 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Solothurn unter
Zugrundelegung eines Invaliditätsgrades von 100 % ab 1. November 2001 eine
ganze Rente der Invalidenversicherung zu. Die PKS richtete ihrerseits die
berufsvorsorgerechtliche ganze Invalidenrente unter Hinweis auf den in ihren
Statuten vorgesehenen Rentenaufschub erst ab 1. November 2002 aus, weil der
Versicherte von November 2001 bis Oktober 2002 Taggelder der
Krankenversicherung in Höhe von 80 % des entgangenen Lohnes erhalten hatte.
Für den genannten Zeitraum verweigerte daraufhin die Einwohnergemeinde
K.________ die Bezahlung der Pensionskassenbeiträge für O.________.

B.
Die PKS reichte am 20. November 2003 beim Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn Klage ein mit dem Antrag, die Einwohnergemeinde K.________ sei zur
Bezahlung der ausstehenden Pensionskassenbeiträge für O.________ für den
Zeitraum vom 1. November 2001 bis 31. Oktober 2002 im Gesamtbetrag von Fr.
27'318.60 zu verpflichten ("zuzüglich 4 % Zins seit wann rechtens"). Das
kantonale Gericht wies die Klage mit Entscheid vom 25. August 2004 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert die PKS ihr vorinstanzliches
Rechtsbegehren ("zuzüglich Zins von 4 % seit Fälligkeit").

Während die Einwohnergemeinde K.________ auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, verzichtet das Bundesamt für
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die vorliegende Streitigkeit unterliegt der Gerichtsbarkeit der in Art.
73 BVG erwähnten richterlichen Behörden, welche sowohl in zeitlicher als auch
in sachlicher Hinsicht zuständig sind (BGE 130 V 104 Erw. 1.1, 112 Erw.
3.1.2, 128 II 389 Erw. 2.1.1, 128 V 258 Erw. 2a, 120 V 18 Erw. 1a, je mit
Hinweisen).

1.2 Im Rahmen von Art. 73 Abs. 4 BVG überprüft das Eidgenössische
Versicherungsgericht die Anwendung kantonalen und kommunalen Vorsorgerechts
frei und unabhängig davon, ob ein Streit um Versicherungsleistungen im Sinne
von Art. 132 OG vorliegt oder nicht. Hingegen erstreckt sich die
Überprüfungsbefugnis auch im Rahmen von Art. 73 Abs. 4 BVG nicht auf die
Angemessenheit der angefochtenen Verfügung oder auf die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts, wenn sich der Rechtsstreit -
wie hier (vgl. nachfolgende Erw. 2 in fine) - nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen dreht (Art. 132 in Verbindung mit
Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG; BGE 116 V 333 Erw. 2a und b).

1.3 Die Auslegung der Statuten der PKS vom 3. Juni 1992 (BGS 126.582) hat -
da es sich bei der betroffenen (umhüllenden) Vorsorgeeinrichtung um eine
solche des öffentlichen Rechts handelt (§ 2 Abs. 2 PKS-Statuten) - nach den
gewöhnlichen Regeln der Gesetzesauslegung (BGE 130 II 71 Erw. 4.2, 130 V 232
Erw. 2.2, 295 Erw. 5.3.1, 428 Erw. 3.2, 475 Erw. 6.5.1, 484 Erw. 5.2, je mit
Hinweisen) zu erfolgen.

2.
Unter sämtlichen Verfahrensbeteiligten ist zu Recht unbestritten, dass die
PKS den Beginn ihrer Rentenzahlungen bis 1. November 2002, d.h. bis zur
Erschöpfung des eingangs erwähnten Taggeldanspruchs gegenüber der
Krankenversicherung, hinausschieben durfte, weil sie in § 13 Abs. 2 ihrer
Statuten von der durch Art. 26 Abs. 2 BVG in Verbindung mit Art. 27 BVV 2 (in
der bis Ende 2004 geltenden Fassung) eingeräumten Befugnis zur
reglementarischen Festlegung eines Leistungsaufschubs Gebrauch gemacht hat,
wobei es mit Blick auf lit. b von Art. 27 BVV 2 anzufügen gilt, dass die
Taggeldversicherung vollumfänglich von der Arbeitgeberin finanziert wurde (§
31 Abs. 3 Dienst- und Gehaltsordnung der Einwohnergemeinde K.________ in der
ab 1. Januar 1999 gültigen Fassung [DGO]). Streitig und nachfolgend zu prüfen
ist hingegen, ob die Einwohnergemeinde K.________ auch für den Zeitraum des
Rentenaufschubs (1. November 2001 bis 31. Oktober 2002) weiterhin die
(gesamten) Pensionskassenbeiträge schuldete, was die Arbeitgeberin und die
Vorinstanz verneinen, die Beschwerde führende PKS indessen bejaht.

3.
§ 46 Abs. 2 PKS-Statuten lautet wie folgt:
"Die Beitragspflicht endet

a. wenn die Versicherung endet;

b. wenn die versicherte Person eine ganze Altersrente, eine ganze
Inva- lidenrente oder eine ganze Rente wegen unverschuldeter Entlassung
 oder Nichtwiederwahl bezieht;

c. wenn die versicherte Person das 65. Lebensjahr vollendet hat."
Der in lit. b dieser Bestimmung verwendete Begriff des "Beziehens" einer
jeweils ganzen Rente ist hinsichtlich der hier in Frage stehenden
Invalidenrente insofern nicht eindeutig, als sich die Frage stellt, ob für
die Beitragsbefreiung bereits die Entstehung des materiellrechtlichen
Rentenanspruchs (im vorliegenden Fall am 1. November 2001) ausreicht oder ob
tatsächlich Rentenzahlungen erfolgen müssen, womit im Falle eines
statutarischen Leistungsaufschubs die Beitragspflicht erst mit dem Wegfall
des Aufschubsgrundes enden würde (hier mit der Erschöpfung des
Taggeldanspruchs gegenüber der Krankenversicherung per Ende Oktober 2002).

Der Rechtssinn von § 46 Abs. 2 lit. b lässt sich über § 3 PKS-Statuten
erschliessen. Diese Vorschrift enthält im Zusammenhang mit der
Versicherungspflicht ebenfalls den Begriff des "Beziehens" von Leistungen:
Der obligatorischen Versicherung unterliegen neben den Arbeitnehmern oder
Arbeitnehmerinnen, welche der Versicherungspflicht nach dem BVG unterstehen
(lit. a), auch die ehemaligen Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen, welche von
der Kasse Versicherungsleistungen beziehen (lit. b der letztgenannten
Statutenbestimmung). Diesbezüglich wird nun offenkundig, dass der Ausdruck
des "Beziehens" von (ganzen) Renten bzw. von Versicherungsleistungen im
Rahmen der gesamten PKS-Statuten auf den materiellrechtlichen Renten- bzw.
Leistungsanspruch abzielt. Denn gerade § 3 lit. b der Statuten, welche als
Besonderheit eine weiter dauernde Versicherungspflicht für ehemalige, in den
Genuss von Versicherungsleistungen der Pensionskasse kommende Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen vorsieht, macht deutlich, dass der Statutengeber eine
durchgehende obligatorische Versicherung festlegte und in Fällen wie dem
vorliegenden sicherlich nicht beabsichtigte, die (statutarische) Versicherung
mit dem Wegfall der Versicherungspflicht gemäss § 3 lit. a PKS-Statuten (in
Verbindung mit Art. 1 lit. d BVV 2 in der hier anwendbaren, bis Ende 2004
gültig gewesenen Fassung) enden (§ 4 Abs. 2 PKS-Statuten) und erst nach
Ablauf des Rentenaufschubs wieder aufleben zu lassen. Ein solcher
Versicherungsunterbruch wird nur verhindert, wenn unter dem Begriff des
"Beziehens" von Versicherungsleistungen im Sinne von § 3 lit. b der in Frage
stehenden Statuten die Entstehung des materiellrechtlichen Leistungsanspruchs
verstanden wird - unabhängig von einem allfälligen statutarischen Aufschub
dieser Leistungen. Aufgrund des engen Sachzusammenhangs zwischen Beitrags-
und Versicherungspflicht ist der in § 46 Abs. 2 lit. b PKS-Statuten
verwendete Ausdruck des "Beziehens" einer ganzen Rente nicht anders
auszulegen: Die Beitragspflicht endet mit der Entstehung des
materiellrechtlichen Anspruchs auf die ganze Invalidenrente, d.h. im hier zu
beurteilenden Fall per 31. Oktober 2001. Die vorinstanzliche Klageabweisung
erfolgte mithin zu Recht.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem
Prozessausgang entsprechend hat die unterliegende PKS die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).
Der anwaltlich vertretenen, als Arbeitgeberin ins Recht gefassten obsiegenden
Einwohnergemeinde K.________ steht zu Lasten der PKS eine Parteientschädigung
zu (Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG; Urteil A. vom 27. Juni
2003, B 18/02).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1900.- werden der Kantonalen Pensionskasse
Solothurn auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Die Kantonale Pensionskasse Solothurn hat der Einwohnergemeinde K.________
für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 19. August 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der I. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: