Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Anklagekammer 8G.19/2004
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8G.19/2004 /kra

Urteil vom 12. März 2004
Anklagekammer

Bundesrichter Karlen, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Vizepräsident,
Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Monn.

Y. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Heinz Lüscher,

gegen

Bundesamt für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion
Auslieferung, Bundesrain 20, 3003 Bern.

Auslieferungshaftbefehl,

AK-Beschwerde gegen den Auslieferungshaftbefehl des Bundesamts für Justiz,
Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, vom 10. Februar
2004.

Sachverhalt:

A.
Y. ________ wird verdächtigt, im Jahre 1992 zusammen mit weiteren Personen in
Tirana einen bewaffneten Raubüberfall verübt zu haben. Weiter soll er im
Jahre  1995 einen albanischen Staatsangehörigen überfallen und getötet und
dabei 18'000'000 albanische Lek erbeutet haben.

Gestützt auf einen Haftbefehl des Gerichts in Tirana wegen Raubmordes etc.
vom 14. Oktober 1996 ersuchte Interpol Tirana am 10. November 2003 die
Schweiz um Inhaftnahme von Y.________ zwecks späterer Auslieferung.

Y. ________ beantragte am 6. Februar 2004 bei der Empfangsstelle in Basel, es
sei ihm Asyl in der Schweiz zu gewähren. Da er im Ripol zur Verhaftung
ausgeschrieben war, wurde er gestützt auf eine Haftanordnung des Bundesamtes
für Justiz in provisorische Auslieferungshaft versetzt.

Anlässlich einer Einvernahme vom 9. Februar 2004 erklärte sich Y.________ mit
einer vereinfachten Auslieferung im Sinne von Art. 54 IRSG nicht
einverstanden. Darauf erliess das Bundesamt für Justiz am 10. Februar 2004
einen Auslieferungshaftbefehl, der Y.________ am 12. Februar 2004 eröffnet
wurde.

B.
Y.________ wendet sich mit fristgerechter Beschwerde vom 23. Februar 2004 an
die Anklagekammer des Bundesgerichts und beantragt, er sei aus der Haft zu
entlassen. Eventualiter sei er gegen Hinterlegung einer angemessenen Kaution
aus der Haft zu entlassen. Subeventualiter sei er aus der Haft zu entlassen,
wobei ihm andere durch das Bundesamt für Justiz oder durch das Gericht zu
bestimmende Auflagen zu erteilen seien (act. 1).

Das Bundesamt für Justiz beantragt in seiner Vernehmlassung vom 2. März 2004,
die Beschwerde sei abzuweisen (act. 6).

Im zweiten Schriftenwechsel hält der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 9. März
2004 an seinen Anträgen fest. In prozessualer Hinsicht beantragt er, es sei
vorab über das Haftentlassungsgesuch von X.________ (8G.20/2004) zu befinden
(act. 8).

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Der Fall X.________ (8G.20/2004) wurde heute durch die Anklagekammer
entschieden. Damit ist dem prozessualen Antrag des Beschwerdeführers Genüge
getan.

2.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bildet die Verhaftung des
Beschuldigten während des ganzen Auslieferungsverfahrens die Regel (BGE 117
IV 359 E. 2a). Eine Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls und eine
Haftentlassung rechtfertigen sich nur ausnahmsweise. Dies ist der Fall, wenn
der Beschuldigte sich voraussichtlich der Auslieferung nicht entzieht und die
Strafuntersuchung nicht gefährdet (Art. 47 Abs. 1 lit. a IRSG), wenn er den
so genannten Alibibeweis erbringen und ohne Verzug nachweisen kann, dass er
zur Zeit der Tat nicht am Tatort war (Art. 47 Abs. 1 lit. b IRSG), wenn er
nicht hafterstehungsfähig ist oder andere Gründe vorliegen, die eine weniger
einschneidende Massnahme rechtfertigen (Art. 47 Abs. 2 IRSG), oder wenn sich
die Auslieferung als offensichtlich unzulässig erweist (Art. 51 Abs. 1 IRSG).
Offensichtlich unzulässig kann ein Auslieferungsersuchen sein, wenn ohne
jeden Zweifel und ohne weitere Abklärungen ein Ausschlussgrund vorliegt (vgl.
BGE 111 IV 108 E. 3a). Im Übrigen sind Vorbringen gegen die Auslieferung als
solche oder gegen die Begründetheit des Auslieferungsbegehrens nicht im
vorliegenden Beschwerdeverfahren, sondern im eigentlichen
Auslieferungsverfahren zu prüfen (vgl. BGE 110 Ib 193 E. 1c).

3.
Der Beschwerdeführer macht zur Hauptsache geltend, die Vorwürfe gegen ihn
beruhten auf politischen Motiven und einer Aversion gegenüber der Familie
X.________ und seien erfunden und konstruiert. Er sei in Tirana
erstinstanzlich von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen denn auch entlastet
worden (vgl. act. 1 S. 2 ff.).

Dabei handelt es sich durchwegs um Vorbringen, die im vorliegenden
Beschwerdeverfahren nicht geprüft werden können. Davon, dass der
Beschwerdeführer den Alibibeweis erbracht hätte oder dass die Auslieferung
ohne jeden Zweifel und ohne weitere Abklärungen unzulässig wäre, kann nicht
die Rede sein. Den Ausführungen im zweiten Schriftenwechsel ist erneut zu
entnehmen, dass der Beschwerdeführer die Bedeutung des vorliegenden
Beschwerdeverfahrens verkennt. Es ist nicht Sache der Anklagekammer,
"unzählige Dokumente, Zeitungsberichte, Videobänder und Disketten" sowie die
Akten des Asylverfahrens und mehrere albanische Urteile zu prüfen. Zu diesen
Urteilen und zur Frage, ob der Haftbefehl des Gerichts in Tirana noch gültig
ist (vgl. act. 1 S. 6 und 7/8), kann im Übrigen auf die zutreffenden
Ausführungen des Bundesamtes für Justiz verwiesen werden (vgl. act. 6 S. 4).

4.
Am Rande macht der Beschwerdeführer geltend, es bestehe keine Fluchtgefahr.
Er vertraue dem schweizerischen Rechtswesen und fände eine Flucht deshalb
"absurd". Zudem wüsste er nicht, wohin er fliehen sollte (act. 1 S. 7).

Auch in diesem Punkt kann auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamtes
für Justiz verwiesen werden (vgl. act. 6 S. 4/5), gegen die der
Beschwerdeführer im zweiten Schriftenwechsel nichts vorbringt.

Eine Haftentlassung gegen Kaution oder andere Auflagen kommt gemäss den
Ausführungen des Bundesamtes für Justiz ebenfalls nicht in Betracht. In
diesem Punkt mangelt es beiden Eingaben denn auch an einer nachvollziehbaren
Begründung (vgl. act. 1 S. 6 und 10; act. 8 S. 6).

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Da (wenn auch mit gewissen Bedenken) nicht
gesagt werden kann, der Beschwerdeführer habe das Verfahren leichtfertig
veranlasst, kann in Anwendung von Art. 48 Abs. 2 IRSG in Verbindung mit Art.
219 Abs. 3 BStP auf die Erhebung einer Gerichtsgebühr verzichtet werden.

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Bundesamt für Justiz,
Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 12. März 2004

Im Namen der Anklagekammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: