Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Anklagekammer 8G.12/2004
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8G.12/2004 /pai

Urteil vom 16. Februar 2004
Anklagekammer

Bundesrichter Karlen, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Vizepräsident,
Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Monn.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lucien W. Valloni,

gegen

Bundesamt für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion
Auslieferung, Bundesrain 20, 3003 Bern.

Auslieferungshaftbefehl,

AK-Beschwerde gegen den Auslieferungshaftbefehl des Bundesamts für Justiz,
Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, vom 21. Januar
2004.

Sachverhalt:

A.
Der italienische Staatsangehörige X.________ wird beschuldigt, in Deutschland
mit Betäubungsmitteln gehandelt zu haben. Gestützt auf einen Haftbefehl des
Gerichts in Chemnitz vom 9. November 1999 ersuchte Interpol Wiesbaden am 25.
Januar 2000 die Schweiz um Inhaftnahme des Beschuldigten zwecks späterer
Auslieferung an Deutschland.

Am 13. Januar 2004 wurde X.________ in Baden festgenommen. Das Bundesamt für
Justiz wurde am 21. Januar 2004 über die Festnahme sowie über den Umstand
informiert, dass sich der Beschuldigte einer vereinfachten Auslieferung
widersetze. Deshalb erliess das Bundesamt noch am selben Tag einen
Auslieferungshaftbefehl, der dem Beschuldigten per Fax zugestellt wurde.

B.
X.________ wendet sich mit fristgerechter Beschwerde von Montag, den 2.
Februar 2004, an die Anklagekammer des Bundesgerichts und beantragt, der
Auslieferungshaftbefehl sei unverzüglich aufzuheben und er sofort aus der
Haft zu entlassen (act. 1).

Das Bundesamt für Justiz beantragt in seiner Vernehmlassung vom 6. Februar
2004, die Beschwerde sei abzuweisen (act. 5).

In seiner Stellungnahme vom 10. Februar 2004 hält der Beschwerdeführer an
seinen Anträgen fest. Zusätzlich beantragt er, er sei eventualiter unter
Auferlegung einer Kaution von nicht mehr als Fr. 15'000.-- vorläufig auf
freien Fuss zu setzen, allenfalls unter Verfügung weiterer angemessener
Massnahmen (act. 7).

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesamt für Justiz hebt 18 Tage nach der Festnahme die Haft auf, wenn
das Auslieferungsersuchen der ausländischen Behörde und die dazugehörigen
Unterlagen nicht bei ihm eingetroffen sind. Diese Frist kann aus besonderen
Gründen bis auf 40 Tage verlängert werden (Art. 50 Abs. 1 IRSG). Das IRSG
regelt gemäss dessen Art. 1 das Verfahren jedoch nur insoweit, als
internationale Vereinbarungen nichts anderes bestimmen. Art. 16 Ziff. 4 des
Europäischen Auslieferungsübereinkommens (EAUe; SR 0.353.1) sieht vor, dass
die Auslieferungshaft aufgehoben werden kann, wenn das Auslieferungsersuchen
und die dazu gehörigen Unterlagen dem ersuchten Staat nicht innerhalb von 18
Tagen nach der Verhaftung vorliegen; die Haft darf allerdings in keinem Fall
40 Tage vom Zeitpunkt der Verhaftung an überschreiten.

Die Frist von 18 Tagen lief am 2. Februar 2004 ab. In der Beschwerde vom
selben Tag ging der Beschwerdeführer davon aus, die deutschen Behörden hätten
kein Fristerstreckungsgesuch gestellt (act. 1 S. 4 Ziff. 13 und 14). Diese
Annahme war unrichtig, denn ein solches Gesuch wurde bereits am 24. Januar
2004 durch die Staatsanwaltschaft Chemnitz gestellt (Beilagen zur
Vernehmlassung des Bundesamtes für Justiz, act. 6, Beleg 9; Schreiben der
Staatsanwaltschaft Chemnitz S. 3: "Es wird darum gebeten, die Frist zur
Vorlage der Auslieferungsunterlagen auf 40 Tage zu verlängern"). Da die
Fristverlängerung gemäss dem oben Gesagten grundsätzlich möglich ist, kommt
es entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers (vgl. act. 7 S. 3 Ziff. 9)
nicht darauf an, dass dem Ersuchen erst am 3. Februar 2004 entsprochen worden
ist (a.a.O. Beleg 14).

In seiner Stellungnahme rügt der Beschwerdeführer, die deutschen Behörden
seien verspätet über seine Inhaftierung informiert worden, was ihm nicht zum
Nachteil gereichen dürfe (act. 7 S. 2/3 Ziff. 7). Es trifft zu, dass zwischen
der Inhaftierung des Beschwerdeführers und der diesbezüglichen Information
des Bundesamtes für Justiz einige Tage verstrichen sind (s. oben lit. A). Ein
Nachteil entsteht ihm dadurch aber jedenfalls insoweit nicht, als die
deutschen Behörden ausdrücklich davon in Kenntnis gesetzt wurden, dass der
Beschwerdeführer "am 13.1.2004 in provisorische Auslieferungshaft versetzt
wurde" (a.a.O. Beleg 11). Die verlängerte Frist läuft folglich gemäss der
gesetzlichen Regelung ab dem Tag, an dem der Beschwerdeführer festgenommen
wurde.
Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang jedoch vor allem geltend,
es lägen keine besonderen Gründe vor, die eine Fristerstreckung rechtfertigen
könnten, und insbesondere könne die Verfahrensverschleppung in der Schweiz
nicht zur Begründung eines solchen Gesuches dienen (act. 7 S. 2/3 Ziff. 7 und
8). Dem kann jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht gefolgt werden. Die
Polizei in Baden hat dem Bundesamt für Justiz bereits am 14. Januar 2004 in
einem Fax die Festnahme des Beschwerdeführers mitgeteilt. Die späteren
Abklärungen über die Verzögerung ergaben, dass der Fax aufgrund einer
technischen Panne nicht an den Empfänger weitergeleitet wurde (a.a.O. Beleg
10). Davon, dass die Behörden durch eine bewusste "Verfahrensverschleppung"
einen Grund für eine rechtswidrige Verlängerung der Haft hätten setzen wollen
(act. 7 S. 3 Ziff. 8), kann folglich nicht die Rede sein. Unter den gegebenen
Umständen liegt ein Grund für die Fristerstreckung vor, zumal der Wortlaut
von Art. 16 Ziff. 4 EAUe dafür spricht, dass in dieser Frage kein besonders
hoher Massstab gelten soll.

2.
Eventualiter beantragt der Beschwerdeführer, er sei gegen eine Kaution von
Fr. 15'000.-- aus der Haft zu entlassen. Da er jedoch über seine finanziellen
Verhältnisse keine Ausführungen macht (vgl. act. 7 S. 3/4 Ziff. 12), kommt
eine Haftentlassung gegen Kaution nicht in Betracht. Auch ist nicht
ersichtlich, welche weiteren Massnahmen eine allfällige Flucht zu verhindern
vermöchten.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Da der Beschwerdeführer das Verfahren
offensichtlich nicht leichtfertig veranlasst hat, ist in Anwendung von Art.
48 Abs. 2 IRSG in Verbindung mit Art. 219 Abs. 3 BStP auf die Erhebung einer
Gerichtsgebühr zu verzichten.

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Bundesamt für Justiz,
Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 16. Februar 2004

Im Namen der Anklagekammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: