Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.99/2004
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7B.99/2004 /rov

Urteil vom 22. September 2004
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Gysel.

Bank Z.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Peter Straub und Dr. Jens B. Lehne,

gegen

Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden als Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs, Poststrasse 14, 7002 Chur.

Pfändung in der Arrestbetreibung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 10. Mai 2004.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
1.1  Am 16. Dezember 1993 erliess der Kreispräsident von Chur auf Begehren
der
Bank Z.________ für eine Forderungssumme von 4,916 Mio. Franken einen
Arrestbefehl gegen die Y.________ Ltd. (Arrest Nr. xxx). Als
Arrestgegenstände wurden bezeichnet:

"Sämtliche bei der Bank X.________, gelegenen Vermögenswerte der
Gesuchsgegnerin, wie Barschaft in in- und ausländischer Währung,
Kundenguthaben, Edelmetalle, Wertschriften, Herausgabeansprüche aus
Depotverträgen, Safe- und Schrankfachinhalte und sonstige Vermögenswerte,
inklusive zukünftige Erträgnisse aus solchen Vermögenswerten, lautend auf
ihren Namen, auf denjenigen von Dr. N.________, auf V.________ Limited, auf
U.________ G.m.b.H., auf T.________Stiftung, einen Decknamen oder unter
Treuhandverhältnissen, von denen die Bank weiss oder wissen muss, dass sie
der Gesuchsgegnerin zustehen, als Sicherung für die Forderung der
Gesuchstellerin von OeS 40'000'000, nebst Zins zu 10 % seit dem 10.12.1993."

Das Betreibungsamt Chur vollzog den Arrest am 17. Dezember 1993, was es der
Bank X.________ noch am gleichen Tag im Sinne von Art. 99 SchKG (Formular Nr.
9) anzeigte.

In der zur Prosequierung eingeleiteten Betreibung Nr. yyy des
Betreibungsamtes Chur schlug die Y.________ Ltd. am 13. Januar 1994 Recht
vor.

Mit Schreiben vom 21. Juni 1994 teilte die Bank X.________ dem
Kreispräsidenten von Chur mit, dass Vermögenswerte im Gesamtbetrag von Fr.
137'307.-- gesperrt worden seien.

1.2  Durch Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden (Zivilkammer) vom 14.
Januar 2003 wurde die Y.________ Ltd. verpflichtet, der Bank Z.________ Fr.
305'392.60 nebst Zins zu 10 % seit 10. Dezember 1993 zu zahlen. Gleichzeitig
wurde in der Betreibung Nr. yyy für diese Schuld definitive Rechtsöffnung
erteilt. Am 11. Dezember 2003 erkannte die I. Zivilabteilung des
Bundesgerichts, dass auf die von der Y.________ Ltd. eingereichte Berufung
nicht eingetreten werde.
Am 23. Dezember 2003 stellte die Bank Z.________ das Fortsetzungsbegehren,
worauf das Betreibungsamt die Bank S.________ (vormals Bank X.________) am
12. Januar 2004 aufforderte, die bei ihr vorhandenen Vermögenswerte
(Aktienzertifikate, Depots, Konti usw.) aufzulisten. Die Bank S.________
erklärte mit Schreiben vom 20. Februar 2004, dass wegen einer "Panne" die
Kontoguthaben sich verringert hätten und dem Depot Wertschriften und Münzen
hätten entnommen werden können. Im Depot befänden sich nur noch die 710
Anteile O.________ (ohne Handelswert) und die Konti wiesen noch
Vermögenswerte von Fr. 1'477.90, USD 458.11 und EUR 109.14 auf.

Das Betreibungsamt vollzog am 16. März 2004 die Pfändung, wobei die von der
Bank S.________ im Schreiben vom 20. Februar 2004 deklarierten Vermögenswerte
mit Beschlag belegt wurden.

1.3  Mit Eingabe vom 2. April 2004 erhob die Bank Z.________ beim
Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden als Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde und verlangte, das Betreibungsamt
anzuweisen, unter Berücksichtigung aller arrestierten Vermögenswerte und
Forderungen gegenüber der Bank S.________ nach aktuellem Wert eine neue
Pfändungsurkunde auszustellen.

Der Kantonsgerichtsausschuss wies die Beschwerde am 10. Mai 2004 ab.

Die Bank Z.________ nahm diesen Entscheid am 14. Mai 2004 in Empfang.

1.4  Mit einer vom 24. Mai 2004 datierten und noch am gleichen Tag zur Post
gebrachten Eingabe führt die Bank Z.________ (rechtzeitig) Beschwerde an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts und erneuert das im
kantonalen Verfahren gestellte Rechtsbegehren.

Die kantonale Aufsichtsbehörde beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit
darauf einzutreten sei, und das Betreibungsamt Chur hat auf Vernehmlassung
ausdrücklich verzichtet. Die Beschwerdegegnerin Y.________ Ltd. hat sich
nicht vernehmen lassen.

2.
Ist der vom Arrestschuldner in der Prosequierungsbetreibung erhobene
Rechtsvorschlag beseitigt worden, muss der Gläubiger das Fortsetzungsbegehren
stellen, worauf die Betreibung, je nach Person des Schuldners, auf dem Weg
der Pfändung oder des Konkurses fortgesetzt wird (Art. 279 Abs. 3 SchKG). Im
Falle der Pfändung tritt der Pfändungsbeschlag an die Stelle des Arrestes,
der seinen Zweck als vorläufige Sicherungsvorkehr erfüllt hat (Amonn/Walther,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Auflage, § 51 Rz 94).
Eine Besonderheit der Pfändung im Anschluss an einen Arrest besteht darin,
dass das Pfändungssubstrat vorgegeben ist, indem einzig die im Arrestbefehl
bzw. in der Arresturkunde verzeichneten Vermögenswerte mit Beschlag belegt
werden dürfen (vgl. BGE 110 III 27 E. 1b S. 29 f.; 51 III 117 E. 4 S. 122 f.;
Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,
II, Band, 3. Auflage, § 60 Rz 10; Hans Reiser, Kommentar zum SchKG, Basel
1998, N 7 zu Art. 279; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Auflage, N 18 zu Art. 279 SchKG). Das
Betreibungsamt hat im Rahmen des Vollzugs der Pfändung somit keine
Pfändungsobjekte ausfindig zu machen, sondern an sich einzig abzuklären, ob
die arrestierten Objekte noch vorhanden sind (dazu Jaeger, Schuldbetreibung
und Konkurs, Zürich 1911, N 2 zu [a]Art. 280 SchKG, S. 334), und diese in die
Pfändungsurkunde aufzunehmen.

3.
Der Auffassung des Kantonsgerichtsausschusses, es seien nur diejenigen
Vermögenswerte zu pfänden, die auf den verschiedenen Konten der
Arrestschuldnerin bei der Bank S.________ zur Zeit tatsächlich noch vermerkt
seien, hält die Beschwerdeführerin entgegen, die Arrestgegenstände seien nach
wie vor in ihrer Gesamtheit vorhanden, da es sich um Forderungen und andere
Ansprüche handle, die unter Art. 99 SchKG fielen. Nach dieser Bestimmung, die
gemäss Art. 275 SchKG ausdrücklich auch für den Arrest gilt, wird bei der
Pfändung (bzw. bei der Arrestierung) von Forderungen oder Ansprüchen, für die
nicht eine an den Inhaber oder an Order lautende Urkunde besteht, dem
Schuldner des Betriebenen angezeigt, dass er rechtsgültig nur noch an das
Betreibungsamt leisten könne.

3.1  Eine Anzeige dieser Art hat die Bank S.________ bzw. ihre
Rechtsvorgängerin im Anschluss an den Arrestvollzug unbestrittenermassen
zugestellt erhalten. Geldzahlungen, die zu Lasten der vom Arrest betroffenen
Konten an die Arrestschuldnerin gegangen sind, hatten auf Grund der
dargelegten Umstände somit keine befreiende Wirkung und führten auch nicht zu
einem entsprechenden Untergang der arrestierten Forderungen. Vielmehr kann
die Bank durch das Betreibungsamt (vgl. Art. 100 SchKG) oder durch
denjenigen, der im Verwertungsverfahren die Forderung erwirbt (vgl. Art. 131
SchKG) nochmals belangt werden (Jaeger, a.a.O., N 7 zu Art. 99 SchKG).

Die Kontokorrentguthaben der Arrestschuldnerin gegenüber der Bank S.________
sind nach dem Gesagten in der arrestierten Höhe in die Pfändungsurkunde
aufzunehmen. Gleichzeitig wird in der Rubrik "Bemerkungen" in geeigneter Form
auf die Erklärungen der Bank zum gegenwärtigen Stand der Konten hinzuweisen
sein.

3.2  Die Beschwerdeführerin verlangt, dass auch die bei der Bank S.________
bzw. der Bank X.________ deponierten Wertschriften und Goldmünzen im
arrestierten Umfang zu pfänden seien. Arrestgegenstand sei hier der Anspruch
der Arrestschuldnerin auf Herausgabe der genannten Objekte gewesen, für den
keine an den Inhaber oder an Order lautende Urkunde bestehe und der deshalb
ebenfalls unter Art. 99 SchKG falle. Was in diesem Zusammenhang zur
Verwahrung von deponierten Wertpapieren und Edelmetallen in tatsächlicher
Hinsicht geltend gemacht wird, findet in den vorinstanzlichen Feststellungen
keine Stütze. Die Ausführungen haben als im Sinne von Art. 79 Abs. 1 zweiter
Satz OG neu zu gelten und sind deshalb unbeachtlich, zumal Gelegenheit und
auch Anlass bestanden hätte, sie schon im kantonalen Verfahren vorzutragen.
Sie sind im Übrigen insofern unbehelflich, als für den Ausgang des
Beschwerdeverfahrens ohne Belang ist, ob der Arrest sich auf die deponierten
Vermögenswerte selbst oder auf den Herausgabeanspruch bezogen hatte. Entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführerin gilt für einen Herausgabeanspruch Art.
99 SchKG nämlich nicht.

3.2.1  Die in dieser Bestimmung (stillschweigend) enthaltene, im Formular Nr.
9 ausdrücklich festgehaltene Androhung, im Falle einer Zahlung an den
Schuldner statt an das Betreibungsamt für die arrestierte oder gepfändete
Forderung unter Umständen nochmals belangt zu werden, kann nur bei Leistungen
zum Tragen kommen, die auf Grund ihrer Natur überhaupt ein zweites Mal
erbracht werden können. Einem Herausgabeanspruch liegt die Hinterlegung einer
individualisierten beweglichen Sache oder auch von vertretbaren Gütern zu
Grunde (Art. 472 Abs. 1; 481 Abs. 3 OR). Mit der Rückgabe der hinterlegten
Objekte (in der hinterlegten Menge) an den Hinterleger erlischt der
Herausgabeanspruch, da es dem Aufbewahrer (ohne Verletzung des Vertrags mit
einem allfälligen anderen Hinterleger) nicht möglich ist, seine
Rückgabeleistung ein zweites Mal zu erbringen. Unter Art. 99 SchKG fallen
denn auch einzig Ansprüche, die auf Geldzahlungen gerichtet sind, so etwa
Renten, Lohnforderungen oder Ansprüche aus einer Lebensversicherung (vgl.
Jaeger, a.a.O., N 3 zu Art. 99 SchKG).

3.2.2  Für den vorliegenden Fall bedeutet das Gesagte, dass eine Pfändung der
hinterlegten Wertschriften und Münzen nur in dem auf den Konten der
Arrestschuldnerin bei der Bank S.________ tatsächlich noch vorhandenen Umfang
in Frage kommt. In diesem Punkt ist der angefochtene Entscheid daher nicht zu
beanstanden und die Beschwerde abzuweisen.

Demnach erkennt die Kammer:

1.
1.1  Soweit auf die Beschwerde einzutreten ist, wird sie teilweise
gutgeheissen, und der Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses von Graubünden
als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 10. Mai 2004 wird
aufgehoben.

1.2  Das Betreibungsamt Chur wird angewiesen, in der Betreibung Nr. yyy die
Kontokorrentguthaben der Y.________ Ltd. bei der Bank S.________ in der im
Arrest Nr. xxx mit Beschlag belegten Höhe zu pfänden, verbunden mit einem
geeigneten Hinweis auf die Erklärungen der Bank vom 20. Februar 2004 zum
gegenwärtigen Stand der Konten.

Bezüglich der Pfändung der von der Y.________ Ltd. bei der Bank S.________
hinterlegten Wertschriften und Münzen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin Y.________
Ltd., vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Jean-Luc Rioult, dem
Betreibungsamt Chur und dem Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden als
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. September 2004

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Der Gerichtsschreiber: