Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.87/2004
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7B.87/2004 /bnm

Urteil vom 26. August 2004
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Levante.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Züst,

gegen

Obergericht von Appenzell A.Rh. als Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und
Konkurs, Obergerichtskanzlei, Fünfeckpalast, 9043 Trogen.

Pfändung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen/ Verlustschein,

SchKG-Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts von Appenzell A.Rh. als
Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs vom 23. März 2004 (Nr. AB
04 4).

Sachverhalt:

A.
Der Einzelrichter des Kantonsgerichts von Appenzell A.Rh. als Arrestrichter
befahl am 2. September 2003 dem Betreibungsamt Appenzeller Vorderland, für
den Gläubiger X.________ "sämtliche Erbansprüche von Y.________ [Schuldner]
gegenüber der Erbengemeinschaft Z.________ sel., verstorben am 14. Juli 2003
in A.________" zu verarrestieren (Arrestbefehl Nr. ...). Am 22. September
2003 vollzog das Betreibungsamt den Arrest wie befohlen (Arresturkunde vom
25. September 2003). Gegen den Zahlungsbefehl in der von X.________
eingeleiteten (Arrestprosequierungs-) Betreibung Nr. ... erhob Y.________
(Teil-) Rechtsvorschlag nur in Bezug auf die Zinsen der in Betreibung
gesetzten Forderung von Fr. 50'000.--. Am 5. November 2003 stellte X.________
das Fortsetzungsbegehren. In der Folge vollzog das Betreibungsamt am 16.
Dezember 2003 die Pfändung, indem es den Lohn von Y.________ pfändete,
indessen keine pfändbare Lohnquote feststellen konnte und einen
provisorischen Verlustschein erliess (Pfändungsurkunde vom 20. Januar 2004).

B.
Gegen die Pfändungsurkunde vom 20. Januar 2004 erhob X.________ Beschwerde
und verlangte die Pfändung der Erbansprüche von Y.________. Mit Entscheid vom
23. März 2004 hiess das Obergericht von Appenzell A.Rh. als Aufsichtsbehörde
für Schuldbetreibung und Konkurs die Beschwerde teilweise gut; sie hob die
angefochtene Pfändungsurkunde auf und wies das Betreibungsamt an, eine neue
Pfändungsurkunde "im Sinne der Erwägungen" auszufertigen (Dispositiv-Ziffer
1).

C.
X. ________ hat den Beschluss der kantonalen Aufsichtsbehörde mit
Beschwerdeschrift vom 10. Mai 2004 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und beantragt, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das Betreibungsamt sei anzuweisen,
die Erbansprüche von Y.________ zu pfänden.

Die Aufsichtsbehörde hat anlässlich der Aktenüberweisung auf Gegenbemerkungen
(Art. 80 OG) verzichtet. Der Betreibungsschuldner Y.________ beantragt die
Abweisung der Beschwerde. Zugleich stellt er das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege. Das Betreibungsamt hat auf eine Stellungnahme verzichtet.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Die obere Aufsichtsbehörde hat die Pfändungsurkunde vom 20. Januar 2004 (über
den Pfändungsvollzug vom 16. Dezember 2003) aufgehoben und das Betreibungsamt
im Urteilsdispositiv angewiesen, eine neue Pfändungsurkunde "im Sinne der
Erwägungen" auszufertigen. Aus den Urteilserwägungen Ziff. 7 a-c geht hervor,
dass das Betreibungsamt die Pfändungsurkunde "in Anwendung von Art. 1 ff.
VVAG" auszufertigen habe, "der Arrest ins Leere" falle, kein
Pfändungssubstrat vorhanden sei und das Einkommen des Beschwerdegegners nicht
zu pfänden sei. Indem die Aufsichtsbehörde das Betreibungsamt angewiesen hat,
eine leere Pfändungsurkunde (als Verlustschein nach Art. 115 SchKG)
auszustellen, hat sie nicht bloss einen verfahrensleitenden Entscheid
getroffen, sondern eine Massnahme im Vollstreckungsverfahren angeordnet, die
Gegenstand einer Beschwerde gemäss Art. 19 SchKG sein kann (BGE 112 III 90 E.
1 S. 94). Der Beschwerdeführer verlangt - wie bereits vor der
Aufsichtsbehörde - die Pfändung der Erbansprüche des Beschwerdegegners
gegenüber der Erbmasse Z.________ selig. Die Beschwerde ist insoweit
zulässig.

2.
Die Aufsichtsbehörde hat festgehalten, es könne offen gelassen werden, ob der
Arrest überhaupt rechtzeitig mit Einleitung der Betreibung gemäss Art. 279
Abs. 1 SchKG prosequiert worden sei, d.h. ob überhaupt ein Arrestbeschlag
bestehe. Das Begehren um Fortsetzung der Betreibung nach Art. 279 Abs. 3
SchKG sei wohl verfrüht gestellt worden; dies habe indessen keine Nichtigkeit
der Pfändung zur Folge.  Allerdings sei "der Arrest ins Leere gefallen" und
kein Pfändungssubstrat vorhanden. Dabei hat die Aufsichtsbehörde auf den
Erbteilungsvertrag vom 18. November 2003 verwiesen, welcher der
Beschwerdegegner mit seinen Miterben abgeschlossen hat. Daraus geht hervor,
dass dem Beschwerdegegner ein Erbteil von Fr. 13'976.-- zugewiesen wird und
die Miterbin W.________ für diese Forderung Verrechnung mit einer Forderung
aus einem Darlehen erklärt, so dass der Beschwerdegegner aus der Erbteilung
nichts erhält.

Der Beschwerdeführer hält demgegenüber fest, dass er den Arrest mit
Betreibungsbegehren vom 2. Oktober 2003 rechtzeitig prosequiert habe und das
Betreibungsamt beim Pfändungsvollzug nicht auf den Erbvertrag hätte abstellen
dürfen. Er macht im Wesentlichen geltend, der Beschwerdegegner habe zu
Unrecht über den verarrestierten Liquidationsanspruch an der Erbschaft
verfügt und der Erbteilungsvertrag sei ohne Wirkung, ebenso die
Verrechnungserklärung der Miterbin. Von fehlendem pfändbarem Arrestsubstrat
und einer leeren Pfändung könne nicht gesprochen werden, da dem
Beschwerdegegner aus dem Erbvertrag Fr. 13'976.-- zugeteilt würden und ihm
vermutlich noch mehr zustehe.

2.1  Die Aufsichtsbehörde hat zunächst festgehalten, dass das Betreibungsamt
dem Fortsetzungsbegehren vom 5. November 2003 nicht hätte Folge leisten
dürfen, weil dieses frühestens am 14. November 2003 hätte gestellt werden
können. Sie hat indessen die Nichtigkeit der Pfändung, auf welche sich der
Beschwerdegegner berufen hatte, verneint. Diese Auffassung ist nicht zu
beanstanden. Eine Verletzung von Vorschriften im Sinne von Art. 22 Abs. 1
SchKG steht nicht in Rede. Anders als im Fall der Pfändung, die von einem
örtlich unzuständigen Betreibungsamt vorgenommen wird und daher nichtig ist
(BGE 105 III 60 E. 1 S. 61; 91 III 47 E. 3 S. 49), können sich Dritte beim
zuständigen Betreibungsamt über das Bestehen einer Pfändung erkundigen. Wenn
einem verfrühten und daher fehlerhaften Fortsetzungsbegehren Folge geleistet
wird, können die Gläubiger Beschwerde führen (Jent-Sørensen, in: Kommentar
zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 22 zu Art. 110 SchKG;
vgl. ferner Art. 9 Abs. 3 der Verordnung über die im Betreibungs- und
Konkursverfahren zu verwendenden Formulare und Register sowie die
Rechnungsführung [SR 281.31] betreffend Begehren, die höchstens zwei Tage zu
früh einlangen). Der Hinweis des Beschwerdegegners, die Pfändung sei nichtig,
geht daher fehl.

2.2  Nach den Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz (Art. 63 Abs. 2
i.V.m.
Art. 81 OG) hat das Betreibungsamt den Erbanteil des Beschwerdegegners am 22.
September 2003 verarrestiert. Sodann haben der Beschwerdegegner und seine
Miterben mit Vertrag vom 18. November 2003 ihre Erbschaft offenbar geteilt.
Zur Zeit des Arrestvollzuges hat also die Erbengemeinschaft noch bestanden.

2.2.1  Für die Verarrestierung des Erbanteils ist die Verordnung über die
Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (SR 281.41,
VVAG) massgebend (BGE 118 III 62 E. 2c S. 66). Wäre es zulässig, dass die
Erben trotz Verarrestierung des Erbanteils selbständig und auch für die
Gläubiger des betriebenen Miterben verbindlich teilen könnten, wären sie
damit ohne weiteres in der Lage, die Behörde gemäss Art. 609 ZGB
auszuschalten und damit den Schutzzweck, welcher deren Mitwirkung für die
Gläubiger haben soll, zu vereiteln (Bisang, Die Zwangsverwertung von Anteilen
an Gesamthandschaften, Diss. Zürich 1978, S. 135). Dies wollen Art. 6 und
Art. 12 VVAG verhüten. Nach der Rechtsprechung können denn auch weder der
Schuldner persönlich, noch an seiner Stelle das Betreibungsamt mit
verbindlicher Wirkung für die Gläubiger der Teilung zustimmen (BGE 61 III 160
S. 163 betreffend Erbteilung nach Verarrestierung des Erbanteils; BGE 71 III
99 E. 2 S. 103 ). Wollen die Erben schon vor dem Verwertungsstadium von sich
aus zur Teilung schreiten, so haben sie dies dem Betreibungsamt zu melden,
welches an die zuständige Behörde zu gelangen hat, damit diese mitwirke
(Urteil des Bundesgerichts vom 6. November 1947, E. 1, BlSchK 1948 S. 153).

2.2.2  Im vorliegenden Fall hat die zuständige Behörde unbestrittenermassen
an
der Erbteilung nicht mitgewirkt. Ist aber die nach dem Arrest ohne Mitwirkung
der Behörde vorgenommene Teilung für die Gläubiger nicht bindend (vgl.
Tuor/Picenoni, Berner Kommentar, N. 8 u. 14 zu Art. 609 ZGB), kann sie auch
nicht bewirken, dass der Erbteil aus dem Arrest fällt (Bisang, a.a.O.).
Bestreiten der Schuldner oder die Miterben, dass dem Schuldner aus der nach
dem Arrest vollzogenen Erbteilung etwas zustehe, so bleibt nach der
Rechtsprechung als Arrestsubstrat der nun als bestritten geltende
Liquidationsanteil (BGE 61 III 160 S. 162 f.; 87 III 106 E. 1 S. 108
betreffend Erbteilung nach Pfändung des Erbanteils), m.a.W. der Erbanteil
existiert als Arrestsubstrat weiter und kann gepfändet werden (für das
weitere Vorgehen vgl. BGE 61 III 95). Die Betreibungsbehörden sind nicht
zuständig für die Beurteilung materiell-rechtlicher Fragen und dürfen daher
nicht über die Höhe eines Anteils am Gemeinschaftsvermögen oder andere
Einwendungen des Schuldners oder beteiligter Drittpersonen entscheiden (BGE
61 III 160 S. 162; 87 III 106 E. 1 S. 108; 113 III 40 E. 3b S. 42). Der
Beschwerdeführer rügt daher zu Recht, dass sich die Aufsichtsbehörde darüber
ausgesprochen hat, ob dem Beschwerdegegner aus dem Erbteilungsvertrag etwas
zustehe. Wenn die Aufsichtsbehörde vor diesem Hintergrund zum Ergebnis
gelangt ist, es gebe kein Arrestsubstrat, das nach wirksamer Fortsetzung der
Arrestprosequierungsbetreibung mit Pfändung beschlagen werden könne, und
angenommen hat, es könne offen bleiben, ob ein Arrestbeschlag am Erbanteil
überhaupt bestehe, verletzt dies Bundesrecht.

2.3  Nach dem Dargelegten erweist sich die rechtzeitige Einleitung der
Prosequierungsbetreibung, mithin das Bestehen des Arrestbeschlages (Art. 280
SchKG; BGE 106 III 92 E. 2 S. 93) als rechtlich erhebliche Tatsache, welche
von der Aufsichtsbehörde zu Unrecht nicht von Amtes wegen erhoben worden ist
(vgl. Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG). Der angefochtene Entscheid ist daher in
Gutheissung der Beschwerde aufzuheben, und die Sache ist an die Vorinstanz
zur Erhebung des rechtserheblichen Sachverhaltes (Feststellung der
Rechtzeitigkeit der Einleitung der Prosequierungsbetreibung) und zu neuer
Entscheidung zurückzuweisen (Art. 64 Abs. 1 i.V.m. Art. 81 OG). Erweist sich
die Einleitung der Arrestprosequierungsbetreibung als rechtzeitig, besteht
der bestrittene Liquidationsanteil des Beschwerdegegners an der Erbschaft als
Arrestsubstrat, welcher mit Pfändung beschlagen werden kann.

2.4  Der Beschwerdeführer rügt schliesslich nicht (Art. 79 Abs. 1 OG), dass
die Aufsichtsbehörde angeordnet hat, das Einkommen des Beschwerdegegners sei
nicht zu pfänden; insoweit erübrigen sich weitere Ausführungen zum
angefochtenen Entscheid. Soweit der Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner
strafbares Handeln vorwirft und sich auf die Anfechtbarkeit von
Rechtsgeschäften nach Art. 288 SchKG beruft, kann auf die Vorbringen nicht
eingetreten werden, da im betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahren weder
das eine noch das andere beurteilt werden kann (vgl. Art. 17 Abs. 1 SchKG).

3.
Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG),
und es darf keine Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2
GebV SchKG). Das Gesuch des Beschwerdegegners um Befreiung von Gerichtskosten
ist gegenstandslos. Seinem Gesuch um Gewährung eines unentgeltlichen
Rechtsbeistandes kann nicht entsprochen werden, da sein Rechtsbegehren
(Abweisung der Beschwerde) als von vornherein aussichtslos bezeichnet werden
muss (Art. 152 OG; BGE 122 III 392 E. 3 S. 393).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, gutgeheissen, und
Dispositiv-Ziffer 1 des Entscheides des Obergerichts von Appenzell A.Rh. als
Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs vom 23. März 2004 wird
aufgehoben. Die Sache wird im Sinne der Erwägungen zu neuer Entscheidung an
die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Das Gesuch des Beschwerdegegners um Gewährung eines unentgeltlichen
Rechtsbeistandes wird abgewiesen.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Beschwerdegegner,  dem
Betreibungsamt Appenzeller Vorderland und dem Obergericht von Appenzell A.Rh.
als Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. August 2004

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Der Gerichtsschreiber: