Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.86/2004
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7B.86/2004 /bnm

Sitzung vom 19. August 2004
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Levante.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, Postfach, 8023
Zürich.

Abrechnung der Lohnpfändung und Auszahlung des Pfändungserlöses,

SchKG-Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen vom 14. April 2004 (NR030067/U).

Sachverhalt:

A.
A.a  Das Betreibungsamt A.________ pfändete in der von Y.________ gegen
Z.________ geführten Betreibung Nr. qqq das pfändbare Einkommen ab 2. Mai
2001 bis 2. Mai 2002 (Pfändung Nr. 1) und erliess am 19. Juni 2001 die
Pfändungsurkunde als provisorischen Verlustschein. Am 12. März 2003 rechnete
das Betreibungsamt über die eingegangenen Lohnquoten ab. Es hielt den Erlös
von Fr. 19'865.80 für die eingegangenen Lohnquoten Mai 2001 bis April 2002
zuzüglich Zins fest und errechnete zugunsten der Betreibungsgläubigerin
Y.________ einen Nettoerlös von Fr. 19'549.40, und nach Abzug des sofort
ausbezahlten Teilbetrages (Fr. 13'500.--) einen Resterlös von Fr. 6'049.40.

Gegen diese Abrechung erhob X.________ Beschwerde und verlangte, dass der
Erlös der eingegangenen Lohnquoten ihm auszuzahlen sei, da seine gestützt auf
die Abtretung vom 21. Januar 1999 erhobene Eigentumsansprache am gepfändeten
Einkommen anerkannt worden sei. Das Bezirksgericht Bülach als untere
kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen hiess die
Beschwerde mit Beschluss (CB030009/U) vom 28. Juli 2003 gut und hob die
Abrechnung des Betreibungsamtes vom 12. März 2003 über die Lohnpfändung in
Pfändung Nr. 1 auf und wies das Betreibungsamt an, eine neue Abrechnung zu
erstellen.

A.b  Mit Verfügung vom 15. Mai 2003 hielt das Betreibungsamt die Auszahlung
in
der ebenfalls gegenüber Z.________ vollzogenen Pfändung Nr. 2 den auf die
Betreibungsgläubigerin Y.________ entfallenden Erlös vorläufig im Umfang der
nach Pfändung Nr. 1 ausbezahlten Fr. 13'500.-- vorläufig - bis zum Abschluss
des betreffenden Beschwerdeverfahrens - zurück. Gegen diese Verfügung erhob
Y.________ Beschwerde, welche die untere Aufsichtsbehörde mit Beschluss
(CB030018/U) vom 28. Juli 2003 abwies, soweit darauf eingetreten wurde.

B.
Y. ________ erhob gegen beide erstinstanzlichen Beschlüsse Beschwerde. Das
Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen hiess die Beschwerde
gegen den Entscheid CB030009/U mit Beschluss vom 14. April 2004 gut und
setzte die angefochtene Abrechnung über die Lohnpfändung wieder in Kraft
(Dispositiv-Ziffer 1). Die Beschwerde gegen den Entscheid CB030018/U wurde
mit gleichem Beschluss abgewiesen (Dispositiv-Ziffer 2).

C.
X. ________ hat den Beschluss der oberen Aufsichtsbehörde mit
Beschwerdeschrift vom 3. Mai 2004 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und beantragt,
Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses sei aufzuheben und es sei -
im Sinne der Erstinstanz - die Abrechnung des Betreibungsamtes vom 12. März
2003 über die Lohnpfändung in Pfändung Nr. 1 aufzuheben und das
Betreibungsamt anzuweisen, eine neue Abrechnung zu erstellen und die
eingegangenen Lohnquoten (Mai 2001 bis April 2002) ihm auszuzahlen. Weiter
verlangt er aufschiebende Wirkung.

Die obere Aufsichtsbehörde hat anlässlich der Aktenüberweisung auf
Gegenbemerkungen (Art. 80 OG) verzichtet. Das Betreibungsamt hat sich nicht
vernehmen lassen. Die Betreibungsgläubigerin als Beschwerdegegnerin beantragt
die Abweisung der Beschwerde.

Mit Präsidialverfügung vom 10. Mai 2004 wurde der Beschwerde aufschiebende
Wirkung zuerkannt.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Y.  ________ beantragt in ihrer Vernehmlassung zur Beschwerde sinngemäss,
Dispositiv-Ziffer 2 des vom Beschwerdeführer angefochtenen Beschlusses sei
aufzuheben. Dieser Antrag ist unzulässig. Die Beschwerdegegnerin hat den
Beschluss der oberen Aufsichtsbehörde vom 14. April 2004 nicht innert Frist
(Art. 19 SchKG) angefochten, und eine Anschlussbeschwerde ist ausgeschlossen
(BGE 40 III 324 E. 1 S. 328; Art. 81 zweiter Satz OG e contrario).

2.
Die obere Aufsichtsbehörde hat festgehalten, die Beschwerdegegnerin habe die
Abtretung vom 21. Januar 1999, wonach der Schuldner sein Einkommen dem
Beschwerdeführer abgetreten hatte, mit Klage vom 18. April 2000 erfolgreich
nach Art. 288 SchKG angefochten (Urteil 5C.268/2001 des Bundesgerichts vom
28. Januar 2002). Diese Anfechtung habe sich dahingehend ausgewirkt, dass das
abgetretene Vermögenssubstrat im Rahmen der Pfändung Nr. 2 - im Verfahren, in
dem die Anfechtung erfolgt war - dem Schuldner zuzurechnen und pfändbar sei.
Das Anfechtungsurteil wirke indessen nicht nur für die Pfändung Nr. 2
(Lohnquoten 3. März 1999 bis 3. März 2000), sondern auch für die Pfändung Nr.
1 (Lohnquoten Mai 2001 bis April 2002). Es sei nicht sachgerecht, wenn die
Beschwerdegegnerin für dieselbe Forderung einen neuen Anfechtungsprozess über
die gleiche Abtretung des Schuldners zu führen hätte, um den Drittanspruch
des Beschwerdeführers noch einmal zu beseitigen. Daher könne der
Beschwerdegegnerin nicht schaden, dass das Bezirksgericht Bremgarten am 11.
September 2001 auf ihre Klage auf Bestreitung des Eigentumsanspruchs des
Beschwerdeführers an dem mit Pfändung Nr. 1 beschlagnahmten Einkommen wegen
Nichtleistens des Kostenvorschusses nicht eingetreten sei. Das frühere
Anfechtungsurteil bestimme endgültig darüber, dass der Beschwerdeführer als
Anfechtungsbeklagter die Zwangsvollstreckung in die von ihm erworbenen
Aktiven zu dulden habe, weshalb die Abrechnung des Betreibungsamtes zu
schützen sei.

Der Beschwerdeführer wirft der oberen Aufsichtsbehörde im Wesentlichen vor,
sie verletze Bundesrecht, weil sie dem Anfechtungsurteil materielle
Rechtskraft nicht nur für die frühere Pfändung Nr. 2, sondern auch für die
Pfändung Nr. 1 zuerkenne und weil sie übergehe, dass sein in dieser Pfändung
erhobener Eigentumsanspruch an den Lohnquoten nach Art. 108 Abs. 3 SchKG
anerkannt sei.

3.
3.1 Die Frage, ob und inwieweit jemand an der Betreibung teilnimmt und an der
Verteilung partizipiert, entscheidet das Betreibungsamt (BGE 116 III 42 E. 3a
S. 46). Dabei ist für das Betreibungsamt alleine die betreibungsrechtliche
Situation im Zeitpunkt der Verteilung massgebend (Schöniger, in: Kommentar
zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 66 zu Art. 144 SchKG).
Vorliegend ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer an der gepfändeten
Forderung für Einkommen Drittansprache erhoben, das Betreibungsamt der
Beschwerdegegnerin Frist zur Klage zur Bestreitung der Drittansprache nach
Art. 108 SchKG erteilt und die Beschwerdegegnerin gegen die Drittansprache
keine Klage erhoben, mithin die Drittansprache anerkannt hat. Auf das
Vorgehen des Betreibungsamtes zur Behandlung der Drittansprache kann im
vorliegenden Verfahren nicht mehr zurückgekommen werden. Strittig ist einzig,
ob das Betreibungsamt für die Erstellung der Abrechnung über die Pfändung
bzw. die Verteilung des Pfändungserlöses auf den Ausgang des früheren
Anfechtungsprozesses, mit welchem die Zession für anfechtbar erklärt worden
war, berücksichtigen durfte.

3.2  Die obere Aufsichtsbehörde stützt ihre Auffassung im Wesentlichen auf
Guldener (Zwangsvollstreckung und Zivilprozess, ZSR 74/1955, S. 40 und 48
f.), wonach u.a. das Urteil im Anfechtungsprozess auch in späteren
Betreibungsverfahren die Wirkung der materiellen Rechtskraft von
Zivilurteilen entfalten soll, sofern sich in der späteren Betreibung die
gleichen Parteien gegenüberstehen und keine Änderung der Rechtslage
eingetreten ist. Diese Meinung hat sich indessen nicht durchgesetzt. Die
Anfechtungsklage ist eine betreibungsrechtliche Klage mit Reflexwirkung auf
das materielle Recht (BGE 114 III 110 E. 3d S. 113; Amonn/Walther, Grundriss
des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Aufl. 2003, § 4 Rz 54 und 55, §
52 Rz 41; Stoffel, Voies d'exécution: Poursuite pour dettes, exécution de
jugements et faillite en droit suisse, § 7 Rz 41). Diese Reflexwirkung
beschränkt sich auf die Durchführung der hängigen Betreibung. Das
Anfechtungsurteil (ausserhalb des Konkurses) erwächst nur in der laufenden
Betreibung in materielle Rechtskraft (BGE 63 III 27 E. 3 S. 31). Es hat keine
Wirkung auf die Anfechtungsklage desselben oder eines anderen Gläubigers in
einer anderen Betreibung, sondern entfaltet Wirkung nur mit Bezug auf ein
bestimmtes Vollstreckungsverfahren (Amonn/Walther, a.a.O., § 4 Rz 54; D.
Staehelin, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs,
N. 24 zu Art. 289 SchKG; Bauer, in: Kommentar zum Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs, N. 9 zu Art. 291 SchKG; Gilliéron, Commentaire
de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, N. 16 zu Art.
291 SchKG; Stoffel, a.a.O.; Blumenstein, Handbuch des Schweizerischen
Schuldbetreibungsrechts, S. 108 f. und 856 f.). Anlass, um diese in
Rechtsprechung und Lehre gefestigte Auffassung in Frage zu stellen, besteht
nicht. Wenn die obere Aufsichtsbehörde angenommen hat, das im Rahmen der
Pfändung Nr. 2 (in den Betreibungen Nr. rrr und sss; Pfändungsverlustschein
vom 21. Mai 1999) ergangene Anfechtungsurteil entfalte auch Wirkung für die
Pfändung Nr. 1 (in der  Betreibung Nr. qqq; Pfändungsverlustschein vom 19.
Juni 2001), hat sie dem Anfechtungsurteil eine Wirkung zuerkannt, die vor
Bundesrecht nicht standhält und im Übrigen mit den berechtigten Interessen
anderer Gläubiger nicht vereinbar ist.

3.3  Daran ändert nichts, dass offenbar die Fortsetzung der Betreibung
gestützt auf den früheren Pfändungsverlustschein zur Pfändung Nr. 1 geführt
hat. Beim Fortsetzungsbegehren innert sechs Monaten nach Zustellung des
Verlustscheines handelt es sich um eine neue selbständige Betreibung (BGE 102
III 25 E. 3 S. 26; 98 III 12 E. 1 S. 16; Huber, in: Kommentar zum
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 32 zu Art. 149 SchKG;
Gilliéron, a.a.O., N. 43 zu Art. 149 SchKG). Entgegen der Auffassung der
oberen Aufsichtsbehörde kann daher die aufgrund eines
Pfändungsverlustscheines fortgesetzte Betreibung ohne neuen Zahlungsbefehl
nicht als ein Ganzes mit der ursprünglichen Betreibung betrachtet werden, in
welcher das Anfechtungsurteil ergangen ist.

3.4  Schliesslich übergeht die obere Aufsichtsbehörde, dass weder die Art.
286-288 SchKG von Amtes wegen angewendet werden (BGE 74 III 84 E. 2 S. 86),
noch die Betreibungsbehörden über die Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften zu
entscheiden haben. Sodann gilt nach Art. 108 Abs. 3 SchKG bei Nichtanhebung
der Klage der Anspruch des Dritten für die betreffende Betreibung als
anerkannt (A. Staehelin, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, N. 12 zu Art. 108 SchKG). Auch vor diesem Hintergrund ist nicht
haltbar, wenn die obere Aufsichtsbehörde zum Ergebnis gelangt ist, das
Betreibungsamt habe bei der Abrechnung über die Pfändung Nr. 1 auf das
frühere Anfechtungsurteil abstellen und die von der Beschwerdegegnerin
anerkannte Drittansprache des Beschwerdeführers übergehen dürfen.

3.5  Nach dem Dargelegten erweist sich die Beschwerde als begründet und
Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses ist aufzuheben. In der
Sache ist die Abrechnung des Betreibungsamtes vom 12. März 2003 über die
Lohnpfändung in Pfändung Nr. 1 aufzuheben und das Betreibungsamt anzuweisen,
eine neue Abrechnung im Sinne der Erwägungen zu erstellen, da die
Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Beschluss keine genügend
zuverlässige Berechnung des dem Beschwerdeführer auszubezahlenden
Nettoerlöses bzw. des daraus resultierenden Verlustscheinbetrages zulassen.

4.
Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG),
und es darf keine Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2
GebV SchKG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
1.1  Die Beschwerde wird gutgeheissen und Dispositiv-Ziffer 1 des Beschlusses
des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als oberer kantonaler
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen vom 14. April 2004
wird aufgehoben.

1.2  Die Abrechnung Lohnpfändung des Betreibungsamtes A.________ vom 12. März
2003 in der Pfändung Nr. 1 wird aufgehoben, und das Betreibungsamt wird
angewiesen, eine Abrechnung im Sinne der Erwägungen zu erstellen.

2.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Beschwerdegegnerin,  dem
Betreibungsamt A.________ und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. August 2004

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Der Gerichtsschreiber: