Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.57/2004
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7B.57/2004 /bnm

Urteil vom 19. Juli 2004
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Levante.

Schweizerische Eidgenossenschaft,
Kanton Tessin, 6501 Bellinzona,
Gemeinde Muralto, 6600 Muralto,
Beschwerdeführer,
alle drei vertreten durch Divisione delle contribuzioni del Cantone Ticino,
viale S. Franscini 6, 6500 Bellinzona,

gegen

Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden als Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs, Poststrasse 14, 7002 Chur.

Arrestvollzug,

SchKG-Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses von
Graubünden als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs  vom 16.
März 2004 (SKA 04 9).

Sachverhalt:

A.
Die Schweizerische Eidgenossenschaft, der Kanton Tessin und die Gemeinde
Muralto erliessen durch das Ufficio esazione e condoni des Kantons am 21.
Januar 2004 gegenüber X.________, Monaco, gestützt auf
Sicherstellungsverfügungen drei Arrestbefehle (Nrn. 1, 2, 3) für
Steuerforderungen im Umfang von insgesamt über 33 Mio. Franken. In den
Arrestbefehlen wurden die Arrestgegenstände wie folgt bezeichnet:
"Bei der Bank Z.________, 7500 St. Moritz, alle Guthaben des
Arrestschuldners; insbesondere Kontoguthaben, Wertschriften, Edelmetalle,
Treuhanddepots, Safe-Inhalte, die auf den Namen des Schuldners oder auf den
Namen von Frau Y.________, gestorben am 20.03.2003, lauten; wie auch jeden
Wert, keinen ausgeschlossen, welcher entweder auf den Namen des Schuldners
oder auf den Namen von Frau Y.________ eingetragen und/oder in dessen
Eigentum ist oder bei dem der Schuldner oder Frau Y.________ als
Wirtschaftsberechtigter sich erweist. Insbesondere das Konto A.________, das
Konto n. 4 und das Konto n. 5. Alles soweit verarrestierbar, bis zur Deckung
der Arrestforderung nebst Zinsen und Kosten."
Das Betreibungsamt Oberengadin vollzog die Arreste am 22. Januar 2004 gemäss
Arrestbefehlen und nannte als Arrestgegenstände - in wörtlicher Wiederholung
der Angaben in den Arrestbefehlen - auch jeden Vermögenswert bei der Bank
Z.________ in St. Moritz, bei dem sich "der Schuldner oder Frau Y.________
als [wirtschaftlich berechtigt] erweist". Hiergegen erhob die Bank Z.________
Beschwerde mit dem Begehren, die Arreste seien insoweit aufzuheben, als die
Arrestlegung auf allfällige Vermögenswerte und Guthaben angeordnet worden
sei, bei denen X.________ und/oder Y.________ als wirtschaftlich Berechtigte
erscheinen.

B.
Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden als Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 16. März
2004 gut und hob den Arrestvollzug des Betreibungsamtes insoweit auf, als er
sich auf Vermögenswerte bei der Bank Z.________ in St. Moritz bezieht, welche
nicht auf den Namen von X.________ oder Y.________ lauten, sondern diese
lediglich daran wirtschaftlich Berechtigte sein sollen.

C.
Die Schweizerische Eidgenossenschaft, der Kanton Tessin und die Gemeinde
Muralto haben den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde mit
Beschwerdeschrift vom 1. April 2004 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und beantragen die
Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Bestätigung des
Arrestvollzuges des Betreibungsamtes.

Die Aufsichtsbehörde schliesst ohne Gegenbemerkungen (Art. 80 OG) auf
Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Bank Z.________
als Beschwerdegegnerin beantragt ebenfalls die Abweisung. Weitere
Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
1.1  Die Aufsichtsbehörde hat den Arrestvollzug des Betreibungsamtes nur
insoweit aufgehoben, als er sich auf Vermögenswerte bei der
Beschwerdegegnerin in St. Moritz bezieht, welche nicht auf den Namen von
X.________ oder Y.________ lauten, diese aber daran wirtschaftlich
Berechtigte sein sollen. Daraus folgt, dass der Arrestvollzug im Übrigen
wirksam ist, was von der Beschwerdegegnerin übrigens weder vor der kantonalen
Behörde in Frage gestellt wurde noch im vorliegenden Verfahren bestritten
wird. Somit ergibt sich, dass die Aufsichtsbehörde den Arrestvollzug in
positiver - im Vergleich zum angefochtenen Entscheid deutlicherer -
Formulierung in folgendem Umfang als zulässig erachtet hat (die von der
Aufsichtsbehörde aufgehobene Formulierung ist durchgestrichen):

"Bei der Bank Z.________, 7500 St. Moritz, alle Guthaben des
Arrestschuldners; insbesondere Kontoguthaben, Wertschriften, Edelmetalle,
Treuhanddepots, Safe-Inhalte, die auf den Namen des Schuldners oder auf den
Namen von Frau Y.________, gestorben am 20.03.2003, lauten; wie auch jeden
Wert, keinen ausgeschlossen, welcher entweder auf den Namen des Schuldners
oder auf den Namen von Frau Y.________ eingetragen und/oder in dessen
Eigentum ist oder bei dem der Schuldner oder Y.________ als
Wirtschaftsberechtigter sich erweist. Insbesondere das Konto A.________, das
Konto n. 4 und das Konto n. 5. Alles soweit verarrestierbar, bis zur Deckung
der Arrestforderung nebst Zinsen und Kosten."
1.2 Die Aufsichtsbehörde hat den Arrest in Bezug auf die Konten A.________,
Nr. 4 und Nr. 5 nicht aufgehoben. Soweit die Beschwerdeführer rügen, der
Arrestvollzug sei insbesondere in Bezug auf die Konten A.________, Nr. 4 und
Nr. 5 zu Unrecht als unzulässiger Sucharrest aufgehoben worden, kann auf ihre
Beschwerde nicht eingetreten werden. Die Beschwerdeführer machen insoweit
weder ein schützenswertes Interesse an der Aufhebung oder Abänderung (vgl.
Art. 21 SchKG) des angefochtenen Entscheides geltend, noch ist ein solches
Interesse ersichtlich (BGE 120 III 42 E. 3 S. 44; 112 III 1 E. 1 S. 3). Die
Beschwerde ist zulässig, soweit die Beschwerdeführer meinen, der Arrest sei
über die genannten Konten auszuweiten, und es sich dabei nicht um ein neues
und unzulässiges Vorbringen handelt.

2.
2.1 Die Aufsichtsbehörde hat erwogen, dass die Formulierung in den
Arrestbefehlen, wonach alle Werte des Schuldners bei der Beschwerdegegnerin
in St. Moritz zu verarrestieren seien, bei denen sich erweise, dass
X.________ oder Y.________ daran wirtschaftlich berechtigt seien, die
Arrestgegenstände ungenügend spezifiziere und faktisch auf einen verpönten
Sucharrest hinauslaufe. Weiter werde nirgends glaubhaft gemacht, dass die
genannten Personen an Vermögenswerten, welche bei der Beschwerdegegnerin in
St. Moritz lägen und auf den Namen Dritter lauteten, wirtschaftlich
berechtigt seien. Der Arrestbefehl sei insoweit nichtig.

2.2  Strittig ist, ob die Aufsichtsbehörde den Arrestvollzug in Bezug auf die
in den Arrestbefehlen verwendete Formulierung "[jeder Wert] ... bei dem
[sich] der Schuldner oder Frau Y.________ als [wirtschaftlich berechtigt]
erweist" aufheben durfte.

2.2.1  Die Aufsichtsbehörde bezieht sich mit ihrer Erwägung, dass die
strittige Formulierung in den Arrestbefehlen die Arrestgegenstände ungenügend
spezifiziere, auf den im Beschwerdeverfahren gerügten Umstand, dass im
Arrestbefehl der Name derjenigen Person(en), die Vermögenswerte des
Arrestschuldners ohne eigene wirtschaftliche Berechtigung hält (halten),
nicht bezeichnet wird. Die Rechtsprechung leitet aus dem mit der
SchKG-Revision eingeführten Art. 272 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG ab, dass zumindest
die Namen derjenigen Dritten anzugeben sind, die lediglich formell
Vermögenswerte, insbesondere Forderungen des Schuldners halten, damit der
Arrest überhaupt durchführbar ist (BGE 126 III 95 E. 4a S. 97 mit Hinweis auf
BGE 109 III 120 E. 6 S. 125; vgl. Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale
sur la poursuite pour dettes et la faillite, N. 36 a.E. zu Art. 274 SchKG).
Im konkreten Fall fehlt in den Steuerarrestbefehlen - abgesehen von der
Person Y.________ - zumindest die Namensangabe von Dritten, denen Vermögen
des Arrestschuldners lediglich formell gehören soll. Unter diesen Umständen
ist nicht zu beanstanden, wenn die Aufsichtsbehörde zum Ergebnis gelangt ist,
die Arrestbefehle seien insoweit nicht durchführbar und deren Vollzug
aufzuheben (BGE 129 III 203 E. 2.3 S. 207), soweit Vermögenswerte, an denen
X.________ und/oder Y.________ wirtschaftlich berechtigt seien, bei der
Beschwerdegegnerin in St. Moritz zu verarrestieren seien.

2.2.2  An diesem Ergebnis vermag der Hinweis der Beschwerdeführer auf das
Urteil des Bundesgerichts vom 17. Februar 1999 (BlSchK 2000 S. 142) nichts zu
ändern. Gegenstand des zitierten Urteils war ein anhand einzelner Bankkonten
konkretisierter und zulässiger Gattungsarrest (vgl. dazu Stoffel, in:
Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 29 zu Art.
272 SchKG; Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts,
7. Aufl. 2003, § 51 Rz. 35 und 50), genauso wie er - abgesehen von der
fraglichen Formulierung - unbestrittenermassen vorliegt. Wie hier waren nicht
alle Bankkonti bekannt. Anders als hier sollten dort ausschliesslich Guthaben
eines bestimmten Bankkunden verarrestiert werden. Deshalb lässt sich jenem
Urteil nichts entnehmen, was das Erfordernis nach BGE 126 III 95 E. 4a S. 97
in Frage stellt, wonach zumindest die Namen der Dritten anzugeben sind, die
lediglich formell Vermögenswerte des Arrestschuldners halten, um den Arrest
überhaupt durchzuführen.

2.2.3  Die Beschwerdeführer versuchen ebenso vergeblich, aus BGE 129 III 239
etwas für sich abzuleiten. Wohl wird in diesem - ein Pfändungsverfahren
betreffenden - Entscheid festgehalten, dass die Betreibungsbehörden gestützt
auf Art. 91 Abs. 4 SchKG von einer Bank die Angabe der Vermögenswerte
verlangen können, an welchen der Betriebene wirtschaftlich berechtigt ist
(BGE 129 III 239 E. 3.2 E. 241). Die für die Pfändung statuierte
Auskunftspflicht gilt sinngemäss auch für den Arrestvollzug (Art. 275 SchKG;
vgl. BGE 125 III 391 E. 2b S. 393). Das bedeutet, dass die Beschwerdegegnerin
über die im Arrestbefehl genannten Arrestgegenstände Auskunft geben muss,
also auch über Gegenstände und Guthaben, an denen nominell ein Dritter, und
nicht der Schuldner berechtigt erscheint (vgl. Gilliéron, a.a.O., N. 50 f.
und 57 zu Art. 275 SchKG); umgekehrt darf der Betreibungsbeamte nicht
Nachforschungen über nicht im Arrestbefehl genannte Vermögenswerte anstellen
oder verlangen (Reiser, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, N. 75 zu Art. 275 SchKG; Markus Müller-Chen, Die
Auskunftspflicht Dritter beim Pfändungs- und Arrestvollzug, BlSchK 2000 S.
226). Im konkreten Fall kann demnach das Betreibungsamt ohne weiteres
insbesondere über die in den Arrestbefehlen ausdrücklich aufgeführten Konten
- unabhängig davon, wer daran formell berechtigt ist - Auskunft verlangen.
Wenn aber in den Arrestbefehlen die Namensangabe von Dritten, denen - nicht
genannte - Vermögenswerte des Arrestschuldners lediglich formell gehören,
fehlt, und die Arrestbefehle insoweit nicht durchführbar sind (E. 2.2.1),
darf der Betreibungsbeamte zum Arrestvollzug nicht selber Nachforschungen
über entsprechende Dritte machen oder von der Beschwerdegegnerin weitere
Auskünfte verlangen. Auch vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis der
Aufsichtsbehörde nicht zu beanstanden.

2.2.4  Die Aufsichtsbehörde hat - im Sinne einer Eventualerwägung -
schliesslich festgehalten, es werde auch nirgends glaubhaft gemacht, dass
X.________ oder Y.________ an (weiteren) Vermögenswerten, welche bei der
Beschwerdegegnerin in St. Moritz lägen und auf den Namen Dritter lauteten,
wirtschaftlich berechtigt seien. Die Beschwerdeführer kritisieren die
Auffassung der Vorinstanz mit Hinweis auf deren Überprüfungsbefugnis. Darüber
zu entscheiden, ob dem Gläubiger die Glaubhaftmachung gelungen sei, dass
gewisse Vermögenswerte entgegen dem formellen Anschein dem Arrestschuldner
zustehen, ist in der Tat Sache des Arrestrichters (BGE 126 III 95 E. 4a a.E.
S.  97), bzw. - falls nicht wie in Steuergesetzen ausgeschlossen - des
Einspracherichters (BGE 129 III 203 E. 2.2 und 2.3 S. 206). Demnach hätte die
Aufsichtsbehörde über entsprechende Vorbringen gar nicht entscheiden können,
vielmehr bleibt in der alleinigen Befugnis der Beschwerdeführer als
Arrestbehörde (Art. 170 DBG; Art. 78 StHG; Art. 249 LT/TI), selber im
Arrestbefehl die Arrestgegenstände oder zumindest den Namen von Personen
anzugeben, die lediglich formell Vermögenswerte, insbesondere Forderungen des
Schuldners halten. Soweit die Beschwerdeführer diesem Erfordernis nicht
nachgekommen sind, ist der Arrest nicht durchführbar, und die Vorbringen der
Beschwerdeführer sind unbehelflich.

2.3  Nach dem Dargelegten ergibt sich, dass der angefochtene Entscheid der
Aufsichtsbehörde, mit welchem der Vollzug der Arrestbefehle insoweit
aufgehoben worden ist, als er sich auf Vermögenswerte bei der
Beschwerdegegnerin in St. Moritz bezieht, welche nicht auf den Namen von
X.________ oder Y.________ lauten, sondern diese lediglich daran
wirtschaftlich Berechtigte sein sollen, insgesamt vor Bundesrecht standhält.

3.
Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG),
und es darf keine Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2
GebV SchKG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, den Beschwerdegegnern (Bank
Z.________, vertreten durch Rechtsanwalt Georg Zondler; X.________, Monaco,
vertreten durch Avvocato Michele Franscini), dem Betreibungsamt Oberengadin
und dem Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden als Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Juli 2004

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Der Gerichtsschreiber: