Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.36/2004
Zurück zum Index Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 2004
Retour à l'indice Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 2004


7B.36/2004 /bnm

Urteil vom 29. April 2004
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Levante.

X. ________ AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

Obergericht des Kantons Thurgau als kantonale Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs, Promenadenstrasse 12, 8500 Frauenfeld.

Aufhebung des Steigerungszuschlags,

SchKG-Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau als
kantonaler Auf-
sichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 19. Dezember 2003
(BS.2003.23).

Sachverhalt:

A.
Das Betreibungsamt A.________ teilte der X.________ AG am 26. August 2003
mit, dass in den gegen sie laufenden Betreibungen Nr. yy und Nr. zz die
Betreibungsgläubigerin am 2. April 2003 bzw. 7. August 2003 das Begehren um
Verwertung der gepfändeten Gegenstände (eine Abkantpresse und eine
Schlagschere im Schätzwert von ingesamt Fr. 55'000.--) verlangt hatte.
Gleichzeitig gab das Betreibungsamt bekannt, dass die Steigerung am 26.
September 2003 um 10 Uhr am Sitz der Betreibungsschuldnerin stattfinden und
die Publikation der Steigerung am 24. September 2003 erfolgen werde. An der
Steigerung vom 26. September 2003 wurden die gepfändeten Gegenstände mit
einem Erlös von Fr. 11'000.-- verwertet. Hiergegen erhob die X.________ AG am
4. Oktober 2003 Beschwerde und verlangte die Aufhebung des
Steigerungszuschlages. Mit Verfügung vom 12. November 2003 wies der
Gerichtspräsident von Arbon als untere Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungssachen die Beschwerde ab. Auf Beschwerde der X.________ AG
hin bestätigte das Obergericht des Kantons Thurgau als obere kantonale
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs mit Beschluss vom 19.
Dezember 2003 den erstinstanzlichen Beschwerdeentscheid.

B.
Die X.________ AG hat den Beschluss der oberen Aufsichtsbehörde mit
Beschwerdeschrift vom 1. März 2004 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und beantragt, der
angefochtene Beschluss sowie der Steigerungszuschlag seien aufzuheben. Weiter
verlangt sie aufschiebende Wirkung.

C.
Mit Präsidialverfügung vom 9. März 2004 wurde der Beschwerde aufschiebende
Wirkung zuerkannt. Die Betreibungsgläubigerin und die Ersteigererin als
Beschwerdegegnerinnen beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
eingetreten werden könne. Das Betreibungsamt schliesst auf Abweisung. Die
obere Aufsichtsbehörde hat anlässlich der Aktenüberweisung auf
Gegenbemerkungen (Art. 80 OG) verzichtet.

D.
Auf eine in der gleichen Sache erhobene staatsrechtliche Beschwerde wurde mit
Urteil (5P.116/2004) vom 8. April 2004 nicht eingetreten.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das Bundesgericht kann aus Gründen der Zweckmässigkeit das Verfahren
aussetzen, insbesondere wenn das Urteil von der Entscheidung in einem anderen
Rechtsstreit beeinflusst werden kann (Art. 40 OG i.V.m. Art. 6 BZP).
Derartige Gründe liegen nicht vor, wenn die Beschwerdeführerin mit Eingabe
vom 19. April 2004 die Sistierung mit der Begründung verlangt, sie sei
überzeugt, dass die Betreibungsgläubigerin eine "Korrektur der
Steuerforderungen" vornehmen werde, und es sei daher eine Eingabe der
Betreibungsgläubigerin abzuwarten.

1.2 Gemäss Art. 79 Abs. 1 OG ist in der Beschwerdeschrift kurz darzulegen,
welche Bundesrechtssätze und inwiefern diese durch den angefochtenen
Entscheid verletzt worden sind (BGE 119 III 49 E. 1); dabei ist unerlässlich,
dass auf die Begründung des angefochtenen Entscheides eingegangen wird (BGE
121 III 46 E. 2 S. 47, m.H.). Die Beschwerdeführerin hat der
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts eine
Beschwerdeschrift eingereicht, in der wortwörtlich (S. 1 bis S. 2 Mitte, S. 3
bis S. 9 oben) die bereits im Verfahren vor der oberen Aufsichtsbehörde
eingereichte Rechtsschrift  wiedergegeben wird. Die Unbeachtlichkeit der
Verweisung auf Vorbringen im kantonalen Verfahren kann indessen nicht dadurch
umgangen werden, dass Abschriften von bereits für andere Verfahren bestimmten
Rechtsschriften eingereicht werden (BGE 106 III 40 E. 1 S. 42; Pfleghard, in:
Geiser/Münch, Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Auflage 1998, Rz. 5.82).
Soweit sich die Beschwerdeführerin in der vorliegenden Eingabe offensichtlich
nicht mit den Entscheidgründen der Vorinstanz auseinandersetzt bzw. auf eine
Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss sogar ausdrücklich
verzichtet, genügt die Beschwerde den gesetzlichen Anforderungen nicht, und
die Beschwerdeführerin kann insoweit mit ihren Vorbringen nicht gehört
werden.

1.3 Die Beschwerdeführerin behauptet sodann vergeblich, dass die
Steuerforderungen viel zu hoch seien, da auf dem Beschwerdeweg der Bestand
der in Betreibung gesetzten Forderung nicht in Frage gestellt werden kann
(BGE 113 III 2 E. 2b S. 3). Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die
obere Aufsichtsbehörde habe verkannt, dass die Betreibungsforderung durch
Zahlungen an die Gläubigerin untergegangen sei, geht sie fehl: Nur die
Zahlung der gesamten Betreibungsforderung einschliesslich Zins und Kosten an
das Betreibungsamt bringt die ganze Betreibung zum Erlöschen (Art. 12 SchKG;
BGE 72 III 6 E. 2 S. 8; Emmel, in: Kommentar zum Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs, N. 7, 20 und 22 zu Art. 12 SchKG). Dass die
Betreibungsgläubigerin nach dem Eingang von direkt an sie geleisteten
Zahlungen gegenüber dem Betreibungsamt den Verzicht auf Weiterführung der
ganzen Betreibung erklärt hätte (vgl. Emmel, a.a.O.), geht aus dem
angefochtenen Beschluss nicht hervor (Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Art. 81 OG).
Schliesslich legt die Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern die obere
Aufsichtsbehörde Art. 123 SchKG verletzt habe, wenn sie zur Auffassung
gelangt ist, die Voraussetzungen zur Gewährung eines Verwertungsaufschubes
seien nicht gegeben. Auf die nicht substantiierte Beschwerde kann insoweit
nicht eingetreten werden.

2.
2.1 Selbst bei einer formell unzureichenden Beschwerde, wie sie hier vorliegt,
kann die erkennende Kammer eingreifen, wenn sie auf eine nichtige Verfügung
(Art. 22 SchKG) tatsächlich aufmerksam wird (BGE 94 III 65 E. 2 S. 68 u. 71).
Die obere Aufsichtsbehörde hat die angefochtene Steigerung vom 26. September
2003 im Ergebnis geschützt. Die Beschwerdeführerin macht Nichtigkeit geltend,
weil das Betreibungsamt die an sie gerichteten Mitteilungen vom 26. August
2003 über die Verwertungsbegehren zugleich als Anzeige der Steigerung
verwendet habe, zumal die Frist zwischen Publikation der Steigerung und deren
Durchführung auch für die Interessenten zu kurz gewesen sei.

2.2 Aus dem angefochtenem Beschluss und den kantonalen Akten geht hervor,
dass das Betreibungsamt der Beschwerdeführerin als Schuldnerin mit (am 27.
August 2003 durch Einschreiben zugestelltem)  Formular Nr. 28 den Eingang der
Verwertungsbegehren mitgeteilt hat und gleichzeitig das Datum (26. September
2003 um 10 Uhr) und den Ort (Sitz der Betreibungsschuldnerin) der Steigerung
sowie deren Publikation (24. September 2003) bekannt gegeben hat. Dass dem
Schuldner mit der Anzeige über den Eingang des Verwertungsbegehrens (Art. 120
SchKG) bereits die Daten der Verwertung und der Publikation bekannt gegeben
werden (Art. 125 SchKG), ist indessen nicht zu beanstanden (Frey, in:
Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 4 zu Art.
120 SchKG; Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour
dettes et la faillite, N. 8 zu Art. 120 SchKG). Im Übrigen hat das
Betreibungsamt die Dreitagesfrist für die Anzeige an Beteiligte (Art. 125
Abs. 3 SchKG) im vorliegenden Fall ohne weiteres gewahrt. Von einem
Anhaltspunkt zum Einschreiten von Amtes wegen kann - abgesehen von der Frage,
ob insoweit überhaupt Vorschriften im Sinne von Art. 22 SchKG verletzt sind -
keine Rede sein.

2.3 Bleibt zu prüfen, ob die Steigerung nichtig sei, weil das Publikum nicht
rechtzeitig von der Durchführung der Steigerung erfahren habe.

2.3.1 Die obere Aufsichtsbehörde hat zu Recht festgehalten, dass nicht nur
die Anzeige an die Beteiligten, sondern auch die öffentliche Bekanntmachung
der Steigerung beweglicher Sachen mindestens drei Tage vorher zu erfolgen hat
(BGE 38 I 739 E. 1 S. 741 f.; bestätigt in der Lehre: Gilliéron, a.a.O., N.
16, 24 und 37 zu Art. 125 SchKG; vgl. Kreisschreiben Nr. 2 des Bundesgerichts
vom 7. November 1912; BGE 54 III 78; 122 III 327). Wenn die Publikation - wie
die Vorinstanz verbindlich festgestellt hat (Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Art. 81
OG) - erst am 24. September 2003 in der Tagespresse erfolgt ist, hat das
Betreibungsamt die Publikationsvorschrift für die Steigerung vom 26.
September 2003 nicht eingehalten, was im angefochtenen Beschluss zu Recht
erkannt worden ist. Entgegen der Auffassung der oberen Aufsichtsbehörde ist
nicht erheblich (und nicht ernstlich überprüfbar), ob bei Einhaltung der
Dreitagesfrist mehr Steigerungsinteressenten höhere Angebote gemacht hätten
und ein höherer Verwertungserlös resultiert hätte. Massgebend in einem (den
formellen Anforderungen genügenden) Beschwerdeverfahren ist, ob das
Betreibungsamt das Verfahren gesetzmässig durchführt (Art. 17 Abs. 1 SchKG)
und - mit vorliegendem Bezug auf die Steigerung - die Vorschriften zur
öffentlichen Publikation einhält (vgl. BGE 121 III 88 E. 6a S. 90; 110 III 30
E. 2 S. 32; Gilliéron, a.a.O., N. 24 zu Art. 125 SchKG; Rutz, in: Kommentar
zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 9 zu Art. 132a SchKG;
Häusermann/Stöckli/Feuz, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, N. 21 a.E. zu Art. 143a SchKG).

2.3.2 Die - hier einzig zu prüfende (vgl. E. 2.1) - Kassation der Steigerung
von Amtes wegen kommt nur in Frage, wenn beim Steigerungsverfahren absolut
zwingende Vorschriften verletzt worden sind (Art. 22 SchKG; vgl. Gilliéron,
a.a.O., N. 64 zu Art. 132a SchKG; Rutz, a.a.O., N. 6 zu Art. 132a SchKG;
Häusermann/Stöckli/Feuz, a.a.O., N. 31 zu Art. 143a SchKG). Dies ist hier
aber nicht der Fall. Der Umstand der zu kurzfristigen öffentlichen
Auskündigung ist zwar geeignet, dass das interessierte Publikum nicht die
nötige Zeit hatte, um sich auf die Steigerung vorzubereiten (vgl.
Kreisschreiben, a.a.O.). An der Vorschrift über die Publikation der
Steigerung sind indessen die Gläubiger und der Schuldner interessiert, weil
sie dazu dient, einen möglichst hohen Erlös zu erzielen (BGE 121 III 88 E. 6a
S. 90; 119 III 26 E. 2c S. 28), nicht aber die Steigerungsinteressenten
(Jaeger/ Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs, 4. Aufl. 1997, N. 14 zu Art. 125 SchKG). Da eine zu kurz angesetzte
Frist zwischen Publikation und Durchführung der Steigerung keinen Verstoss
gegen eine Vorschrift im Sinne von Art. 22 SchKG darstellt, besteht kein
Anlass, die Aufhebung der Steigerung von Amtes wegen in Betracht zu ziehen.

2.4 Nach dem Dargelegten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, soweit
darauf überhaupt eingetreten werden kann.

3.
Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG),
und es darf keine Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2
GebV SchKG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Sistierung des Verfahrens wird
abgewiesen.

2.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, den Beschwerdegegnerinnen, dem
Betreibungsamt A.________ und dem Obergericht des Kantons Thurgau als
kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 29. April 2004

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Der Gerichtsschreiber: