Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.219/2004
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7B.219/2004 /bnm

Urteil vom 28. Januar 2005
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Marazzi,
Gerichtsschreiber Levante.

1. X.________ AG,
2.Y.________,
Beschwerdeführerinnen,
beide vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Balz Gross und Matthias Lerch,

gegen

Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, als Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs, Aabachstrasse 3, 6301 Zug.

Freihandverkauf,

SchKG-Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug,
Justizkommission, als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom
18. Oktober 2004 (JA 2004/3).

Sachverhalt:

A.
Am 8. Juli 2003 wurde über die Z.________ AG der Konkurs eröffnet und in der
Folge die Durchführung des Konkurses im summarischen Verfahren angeordnet.
Das Konkursamt Zug sandte am 20. August 2003 der W.________ GmbH den
Kaufvertrag über "alle im Anhang aufgeführten Inventarpositionen und Marken"
der Gemeinschuldnerin zum Pauschalpreis von Fr. 5'000.-- und unterzeichnete
den Vertrag, nachdem er von der Erwerberin unterzeichnet retourniert worden
war. Am 5. Dezember 2003 machte das Konkursamt die Auflage (bis 29. Dezember
2003) von Kollokationsplan und Inventar im Schweizerischen Handelsamtsblatt
und im Amtsblatt des Kantons Zug bekannt.

B.
Am 6. Januar 2004 teilte die X.________ AG, Alleinaktionärin der
Gemeinschuldnerin, dem Konkursamt mit, dass sie bereit wäre, für die vom
Freihandverkauf erfassten Vermögenswerte (insbesondere die Marken) Fr.
150'000.-- zu bezahlen. Gleichzeitig erhob sie sowie Y.________, vormalige
Verwaltungsratspräsidentin der Gemeinschuldnerin, Beschwerde gegen den
Freihandverkauf bei der Justizkommission des Obergerichts als
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs. Mit Beschluss vom 18.
Oktober 2004 trat die Aufsichtsbehörde auf die Beschwerde nicht ein.

C.
Die X.________ AG und Y.________ haben den Beschluss der kantonalen
Aufsichtsbehörde mit Beschwerdeschrift vom 1. November 2004 (rechtzeitig) an
die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und
beantragen, es sei die Nichtigkeit des Freihandverkaufs vom 20. August 2003
festzustellen; eventuell sei der Freihandverkauf aufzuheben. Weiter seien der
X.________ AG die mit dem Freihandverkauf übertragenen Marken "V.________"
(Schweizer Marke, Internationale Marke, US-Marke) zuzusprechen; eventuell sei
der Freihandverkauf erneut durchzuführen.
Die Aufsichtsbehörde hat anlässlich der Aktenüberweisung auf Gegenbemerkungen
(Art. 80 OG) verzichtet und auf die Abweisung der Beschwerde geschlossen,
soweit darauf einzutreten sei. Die W.________ GmbH (Beschwerdegegnerin)
beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Konkursamt beantragt ebenfalls
Nichteintreten bzw. Abweisung der Beschwerde.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Aufsichtsbehörde hat im Wesentlichen festgehalten, dass der
Freihandverkauf vom 20. August 2003, bei dem vorgängig weder den Gläubigern
noch den Aktionären das Recht zu einem höheren Angebot eingeräumt worden sei,
nicht nichtig sei. Im Übrigen bestehe im vorliegenden Konkursverfahren keine
Aussicht auf einen Aktivenüberschuss, sodass die Voraussetzung, der
Beschwerdeführerin 1 die Möglichkeit zu einem Höhergebot nach Art. 256 Abs. 3
SchKG zu geben, ohnehin nicht erfüllt sei. Sodann spiele es für die
Gültigkeit des Freihandverkaufs keine Rolle, ob die im Anhang aufgeführten
Gegenstände dem von den Beschwerdeführerinnen behaupteten Lagerbestand
entspreche oder nicht, zumal Vermögensobjekte, die bis zur Konkurseröffnung
entzogen worden seien, mit Anfechtungsklagen gemäss Art. 285 ff. SchKG zur
Masse gezogen werden müssten. Weiter hat die Aufsichtsbehörde erwogen, dass
die Beschwerdeführerin 1 am 6. Januar 2004 "erfolgreich" (d.h. vom Konkursamt
offenbar anerkannte) Forderungen eingegeben habe und damit Gläubigerin
geworden sei, allerdings nicht im Zeitpunkt, als der Freihandverkauf
abgeschlossen wurde, so dass ihr nicht nur deswegen die Legitimation zur
Anfechtung fehle, sondern weil es ihr vorab um ihre eigenen übergangenen
Interessen als Erwerberin gehe. Die Beschwerdeführerin 2 sei schliesslich
eine unbeteiligte Drittperson, welche zur Beschwerde nicht legitimiert sei.

1.2 Die Beschwerdeführerinnen machen im Wesentlichen geltend, der
Freihandverkauf vom 20. August 2003 sei nichtig bzw. anfechtbar, weil die zu
verwertenden Objekte ungenügend individualisiert seien, keine Möglichkeit zum
Höhergebot gemäss Art. 256 Abs. 3 SchKG gegeben worden sei, der
Freihandverkauf vor Ablauf der Eingabefrist gemäss Art. 231 Abs. 3 Ziff. 2
SchKG erfolgt sei, der Konkursbeamte sein Ermessen verletzt habe und im
Übrigen auf das Inventar bzw. den Freihandverkauf deliktisch eingewirkt
worden sei.

2.
Die Beschwerdeführerinnen bringen vor, im Vertrag zwischen dem Konkursamt und
der Beschwerdegegnerin vom 20. August 2003 sei der Kaufgegenstand ("alle im
Anhang aufgeführten Inventarpositionen und Marken") in Bezug auf die Marken
nicht genügend individualisiert. Es sei nicht klar, welche Marke übertragen
werden solle, da weder im Anhang zum Freihandverkauf noch im Konkursinventar
die Markenrechte verzeichnet seien. Daher sei der Freihandverkauf nichtig.

2.1 Verfügungen, die gegen im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am
Verfahren nicht beteiligten Personen erlassene Vorschriften verstossen, sind
nichtig (Art. 22 Abs. 1 SchKG). Gegen öffentliche Interessen verstossen
betreibungsrechtliche Anordnungen, die unvollständig oder unbestimmt sind
(Imboden, Nichtige Betreibungshandlungen, BlSchK 1944 S. 134; Lorandi,
Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, N. 22 und 40 zu Art. 22
SchKG). So ist eine Pfändung nichtig, wenn der Beamte nicht genau angibt,
welche Vermögenswerte mit Beschlag belegt sind (BGE 114 III 75 E. 1 S. 76).
Die gleichen Grundsätze gelten für den Inhalt der Freihandverkaufsverfügung:
Wenn die Umschreibung des zu verwertenden Objekts mangelhaft, unklar oder
mehrdeutig ist, so dass eine Individualisierung nicht möglich ist, führt dies
zur Nichtigkeit (Lorandi, Der Freihandverkauf im schweizerischen
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Diss. St. Gallen 1993, S. 194).

2.2 Die Beschwerdegegnerin macht in Bezug auf die Individualisierung der
verkauften Marken geltend, wegen der fehlenden Präzisierung könne davon
ausgegangen werden, dass sämtliche Marken "V.________" übertragen worden
seien, "da es keinen Sinn macht, die eine Marke zu übertragen und die andere
nicht"; sodann seien die Vertragsparteien davon ausgegangen, dass sämtliche
Marken (Schweizer Marke, Internationale Marke, US-Marke) gemeint seien. Diese
Vorbringen zur Auslegung der Verfügung sind unbehelflich. Der Freihandverkauf
wird rechtlich als Verwertungsakt und damit als Verwaltungsverfügung
qualifiziert (BGE 106 III 79 E. 4 S. 82; 128 III 104 E. 3a S. 107;
Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Aufl.
2003, § 26 Rz. 24, § 27 Rz. 44, § 47 Rz. 26; Häusermann/Stöckli/Feuz, in:
Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 5 zu Art.
143b SchKG). Wohl sind die privatrechtlichen Regeln über die
Willenserklärungen im Allgemeinen und jene über den Vertragsschluss im
Besonderen analog anzuwenden (Urteil 7B.167/1999 des Bundesgerichts vom 1.
November 1999, E. 4; Lorandi, Freihandverkauf, a.a.O., S. 59, S. 68). Die
Notwendigkeit der Zustimmung des Erwerbers zur Freihandverkaufsverfügung
ändert indessen nichts daran, dass die Behörde die
zwangsvollstreckungsrechtliche Enteignung der Gemeinschuldnerin nach Massgabe
des Gesetzes vornimmt bzw. vornehmen muss (vgl. Häfelin/Müller, Allgemeines
Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 186 Rz. 899).

2.3 Es bleibt zu prüfen, ob die hier zu verwertenden, aus den Aktiven der
Konkursmasse ausscheidenden Markenrechte mit der gesetzlich geforderten
Bestimmtheit individualisiert sind.

2.3.1 Nach dem angefochtenen Beschluss und dem (in den Akten liegenden)
Kaufvertrag vom 20. August 2003 geht hervor, dass das Konkursamt für die
Konkursmasse "alle im Anhang aufgeführten Inventarpositionen und Marken" der
Beschwerdegegnerin verkauft hat. Die Aufsichtsbehörde hat im angefochtenen
Beschluss keine Sachverhaltsfeststellungen in Bezug auf die Marke(n) oder den
im Kaufvertrag erwähnten Anhang getroffen. Im in den Akten liegenden Inventar
vom 15. Mai 2003, das offenbar (von der Beschwerdegegnerin unbestritten)  dem
Kaufvertrag beigelegen hat, sind zahlreiche, detailliert bezeichnete
Gegenstände (Mobiliar, Laboreinrichtung, Werkstatt, Fertigprodukte etc.),
aber keine Markenrechte aufgeführt. Die Aufsichtsbehörde hat einzig
festgehalten, dass im Konkursinventar (Seite 3) unter Ziffer II (Bewegliche
Sachen) das "Inventar gemäss Listen" mit einem Schätzwert von Fr. 5'000.--
aufgeführt sei und auf den Kaufvertrag verwiesen werde. Im in den Akten
liegenden Konkursinventar vom 5. Dezember 2003 sind keine Markenrechte
aufgeführt. Dass dem Kaufvertrag das Schreiben der Patentanwälte R.________ &
Co. vom 2. Juni 2003 an die Beschwerdegegnerin beigelegen habe, geht weder
aus dem Kaufvertrag selber noch aus den kantonalen Sachverhaltsfeststellungen
hervor und wird von der Beschwerdegegnerin bestritten; im Übrigen lässt sich
daraus nicht entnehmen, welche der erwähnten Marken vom Konkursamt der
Beschwerdegegnerin verkauft werden sollen.

2.3.2 Bei registrierten Immaterialgüterrechten als von der
Zwangsvollstreckung erfassten Vermögenswerten sind allgemein die wichtigsten
Registerangaben zu erwähnen (Cornaz, L'exécution forcée des droits de
propriété intellectuelle, Diss. Lausanne 2002, S. 147 Rz. 275). Bei der
vorliegenden Freihandverkaufsverfügung ist indessen nicht hinreichend
bestimmt, welche Marken verwertet worden sind, denn es fehlt insbesondere die
erforderliche eindeutige Bezeichnung (insbesondere der Registernummer) der -
offenbar in verschiedenen Registern - eingetragenen Marken (vgl. Cornaz,
a.a.O.). Sollen mit der Verfügung alle "im Anhang aufgeführten" Marken
veräussert werden, erscheint der Kaufvertrag insofern als widersprüchlich,
als er einerseits die Markenrechte als Kaufgegenstand bezeichnet, auf der
massgeblichen Liste andererseits auf deren Veräusserung verzichtet. Sollen
hingegen "alle Marken" veräussert werden, ist die Verfügung inhaltlich
mangelhaft: So wenig wie eine Pfändungsurkunde den Bestimmtheitsanforderungen
genügt, wenn darin "alle Fauteuils" oder "sämtliches Mobiliar im Salon" als
beschlagnahmte Gegenstände aufgeführt sind (Imboden, a.a.O.; Lorandi,
Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, a.a.O.), so wenig kann die
fragliche Freihandverkaufsverfügung den erwähnten Anforderungen genügen, wenn
damit ohne nähere Individualisierung "alle Marken" verwertet werden sollen.
Daher muss die Nichtigkeit der Freihandverkaufsverfügung vom 20. August 2003
festgestellt werden, soweit damit "alle Marken" freihändig verkauft werden
sollen.

2.4 Was die freihändige Verwertung der übrigen "im Anhang aufgeführten
Inventarpositionen" anbelangt, so wird eine fehlende Bestimmtheit weder
geltend gemacht noch ist eine solche ersichtlich. Allerdings deckt sich die
Zustimmung der Beschwerdegegnerin als Erwerberin bzw. deren Einverständnis,
Fr. 5'000.-- zu bezahlen, nicht vollständig mit der strittigen
Freihandverkaufsverfügung (vgl. Lorandi, Freihandverkauf, a.a.O., S. 69, S.
190). Da die Übertragung der Marke(n) nicht nur einen nebensächlichen,
sondern einen objektiv wesentlichen Punkt (Kaufgegenstand) der Verfügung
darstellt, muss - mangels Zustimmung - die Nichtigkeit der ganzen
Freihandverkaufsverfügung festgestellt werden (Lorandi, Freihandverkauf,
a.a.O., S. 32; Häfelin/Müller, a.a.O., S. 186 Rz. 898).

2.5 Der weitere Antrag der Beschwerdeführerin 1 auf Zusprechung von
Markenrechten durch die erkennende Kammer ist unzulässig. Da feststeht, dass
keine wirksame Freihandverkaufsverfügung vorliegt, wird das Konkursamt erneut
zur Verwertung der fraglichen Vermögenswerte schreiten, wobei die Art der
Verwertung im Ermessen des Konkursamtes steht (Lustenberger, in: Kommentar
zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 36 zu Art. 231 SchKG).
Für den Fall, dass das Konkursamt sich entschliesst, die fraglichen
Vermögenswerte - nach Bestimmung der zu verwertenden Marken - erneut durch
Freihandverkauf zu verwerten, wird es allerdings Art. 256 Abs. 2-4 SchKG
berücksichtigen und die Interessen der Gläubiger bestmöglich wahren (Art. 231
Abs. 3 Ziff. 2 SchKG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist nicht
erforderlich, auf weitere im vorliegenden Verfahren erhobene Rügen vorweg
Stellung zu nehmen.

3.
Nach dem Dargelegten ist die Beschwerde begründet und der angefochtene
Beschluss, mit dem die Nichtigkeit der Freihandverkaufsverfügung verneint
worden ist, aufzuheben. In der Sache ist die Nichtigkeit der
Freihandverkaufsverfügung vom 20. August 2003 festzustellen.

4.
Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG),
und es darf keine Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2
GebV SchKG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
1.1 Die Beschwerde wird, soweit darauf eingetreten werden kann,  gutgeheissen
und der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug, Justizkommission, als
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 18. Oktober 2004
aufgehoben.

1.2 Es wird festgestellt, dass die Freihandverkaufsverfügung vom 20. August
2003 des Konkursamtes Zug (Konkurs über Z.________ AG) nichtig ist.

2.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, der Beschwerdegegnerin, dem
Konkursamt des Kantons Zug und dem Obergericht des Kantons Zug,
Justizkommission, als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Januar 2005

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Der Gerichtsschreiber: