Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.148/2004
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7B.148/2004 /rov

Urteil vom 6. Oktober 2004
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiberin Scholl.

Z. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, als Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs, Aabachstrasse 3, 6301 Zug.

Pfändung,

SchKG-Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug,
Justizkommission, als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom

1. Juli 2004.

Sachverhalt:

A.
Am 7. November 2003 erwirkte Z.________ beim Arrestrichter am
Kantonsgerichtspräsidium Zug einen Arrestbefehl gegen Y.________ (Schuldner)
für die Forderungssumme von Fr. 3'292'005.50 nebst Zins. Arrestiert wurde
eine Forderung des Schuldners gegen die X.________ AG in Liquidation.

Daraufhin leitete Z.________ zur Arrestprosequierung die Betreibung gegen
Y.________ ein. In dieser Betreibung pfändete das Betreibungsamt Baar gemäss
Pfändungsurkunde vom 2. Februar 2004 die oben erwähnte, arrestierte
Forderung. Y.________, der bei der Pfändung nicht anwesend war und sich in
einer Justizvollzugsanstalt in Deutschland befindet, wurde die
Pfändungsurkunde am 11. März 2004 übergeben. Gleichentags wurde dem Schuldner
auch die Pfändungsankündigung ausgehändigt, welche bereits am 27. Januar 2004
ausgestellt worden war.

Am 12., 20. und 24. Februar 2004 erwirkten W.________ und Mitbeteiligte beim
Arrestrichter am Kantonsgerichtspräsidium Zug ebenfalls Arrestbefehle gegen
Y.________ für eine Forderungssumme von insgesamt Fr. 250'132.15 nebst Zins.
Arrestiert wurden "sämtliche Vermögensgegenstände" von Y.________ bei der
X.________ AG in Liquidation.

B.
Am 23. Februar 2004 erhoben W.________ und Mitbeteiligte Beschwerde bei der
Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug als Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs. Sie beantragten die Aufhebung der
Pfändungsankündigung sowie der Pfändung vom 2. Februar 2004. Zur Begründung
führten sie im Wesentlichen aus, da die Pfändungsankündigung dem Schuldner
verspätet zugestellt worden sei, erweise sich die Pfändung als ungültig und
müsse wiederholt werden.

In ihrem Urteil vom 1. Juli 2004 erwog die Aufsichtsbehörde, eine Pfändung,
die nicht oder nicht rechtzeitig angekündigt worden sei, sei anfechtbar und
nicht nichtig. Erhebe der Schuldner dagegen keine Beschwerde - wie im
vorliegenden Fall - werde der Mangel geheilt. Ohnehin gehe es W.________ und
Mitbeteiligte in Wahrheit nicht darum, dass die Pfändung dem Schuldner nicht
ordnungsgemäss angekündigt worden sei. Vielmehr würden sie die Aufhebung der
Pfändung deswegen beantragen, um an einer erneut vorzunehmenden Pfändung
gestützt auf Art. 281 Abs. 1 SchKG provisorisch teilnehmen zu können. Die
Aufhebung der Pfändung werde somit zur Durchsetzung verfahrensfremder Ziele
verlangt, was keinen Rechtsschutz verdiene. Trotz dieser Ausführungen hiess
die Aufsichtsbehörde die Beschwerde im Ergebnis teilweise gut und korrigierte
die Pfändungsurkunde. Zur Begründung führte sie aus, die Pfändung sei beim
abwesenden und nicht vertretenen Schuldner erst vollzogen, wenn diesem die
Pfändungsurkunde zugestellt worden sei. Die Zustellung sei erst am 11. März
2004 erfolgt, so dass die provisorische Teilnahme von W.________ und
Mitbeteiligte an der Pfändung von Rechts wegen stattfinde.

C.
Gegen dieses Urteil gelangt Z.________ mit Beschwerde vom 14. Juli 2004 an
die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Er beantragt die
Aufhebung des angefochtenen Entscheids.

Die Aufsichtsbehörde hat anlässlich der Akteneinreichung auf Gegenbemerkungen
(Art. 80 Abs. 1 OG) verzichtet und beantragt unter Verweis auf den
angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. Es sind keine
Vernehmlassungen eingeholt worden.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Pfändung in der durch den
Beschwerdeführer eingeleiteten Betreibung vollzogen worden ist, bevor die
Beschwerdegegner die gleichen Vermögenswerte mit Arrest belegt haben oder
erst danach. Erfolgt die Pfändung nach der Arrestlegung, nimmt der
Arrestgläubiger gemäss Art. 281 Abs. 1 SchKG provisorisch an dieser teil.
Findet die Pfändung indes vor der Arrestlegung statt, ist Art. 281 Abs. 1
SchKG nicht anwendbar und der Arrestgläubiger kann nur dann an der Pfändung
teilnehmen, wenn er innert der Frist von Art. 110 SchKG das
Fortsetzungsbegehren stellt (BGE 101 III 78 E. 2 S. 81; 110 III 27 E. 1a S.
29; 116 III 111 E. 4a S. 117).

1.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Aufsichtsbehörde habe zu Unrecht
angenommen, der Vollzug der Pfändung sei erst am Tag erfolgt, an welchem der
Schuldner die Pfändungsurkunde zugestellt erhalten habe. Im Rahmen der
SchKG-Revision sei vor Art. 96 SchKG der Randtitel "B. Wirkungen der
Pfändung" eingefügt worden, so dass der Artikel nicht mehr zu den
Bestimmungen über den Pfändungsvollzug gehöre. Die in dieser Norm enthaltene
Erklärung sei nicht mehr als konstitutives Element der Pfändung zu
betrachten. Der Pfändungsvollzug sei daher bereits am 2. Februar 2004 erfolgt
und die Beschwerdegegner seien zum provisorischen Anschluss an die Pfändung
nicht befugt.

1.2 In Zusammenhang mit der Anschlusspfändung nach Art. 110 SchKG hat das
Bundesgericht festgehalten, die Anschlussfrist beginne erst dann zu laufen,
wenn die Pfändung tatsächlich vollzogen worden sei, der Pfändungsakt als
Ganzes also abgeschlossen sei (BGE 101 III 86 E. 2 S. 92; 106 III 111 E. 2 S.
113). Dieser Grundsatz ist auch anwendbar, um über die zeitliche Reihenfolge
von Arrest und Pfändung nach Art. 281 Abs. 1 SchKG zu entscheiden
(Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,
Bd. II, 1993, § 62 N. 3).

Die in Art. 96 Abs. 1 SchKG vorgesehene Erklärung des Betreibungsbeamten an
den Schuldner, dass dieser bei Straffolge nicht über die gepfändeten
Vermögensstücke verfügen darf, ist wesentliches Element der Pfändung. Solange
der Betreibungsschuldner nicht ausdrücklich auf die gesetzliche
Unterlassungspflicht hingewiesen worden ist, entfaltet die Pfändung keine
Wirkung und ist auch nicht rechtsgültig vollzogen (BGE 110 III 57 E. 2 S. 59;
112 III 14 E. 3 S. 15; 115 III 41 E. 1 S. 43). Ist der Schuldner bei der
Pfändung weder anwesend noch vertreten, ist die Pfändung nach der
Rechtsprechung und der herrschenden Lehre erst dann vollzogen, wenn ihm die
Pfändungsurkunde zugestellt worden ist (BGE 112 III 14 E. 5a S. 16;
Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 2003, § 22
N. 53 u. 78; André E. Lebrecht, Basler Kommentar, N. 13 zu Art. 89 SchKG;
Bénédict Foëx, Basler Kommentar, N. 16 zu Art. 96 SchKG; Ingrid
Jent-Sørensen, Basler Kommentar, N. 17 zu Art. 112 SchKG;
Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs,
N. 11 zu Art. 89 SchKG).

Die SchKG-Revision vom 16. Dezember 1994 (in Kraft seit 1. Januar 1997) hat
an diesen Grundsätzen nichts geändert. Aus den Materialien (BBl 1991 III S.
84; AB N 1993 I S. 30; AB S 1993 S. 648) ergeben sich keine Hinweise, dass
der Gesetzgeber durch das Einfügen der neuen Randtitel vor Art. 96 SchKG
sowie vor Art. 89 SchKG die Pfändungserklärung nicht (mehr) als wesentliches
Element des Pfändungsvollzuges verstanden wissen wollte. Auch Bénédict Foëx
(a.a.O., N. 16 ff. zu Art. 96 SchKG), welcher sich mit dieser Problematik
auseinander setzt, gelangt zur Schlussfolgerung, dass die Erklärung nach Art.
96 Abs. 1 SchKG wie bis anhin ein konstitutives Element sei. Das
Bundesgericht hat im Übrigen seine Rechtsprechung bereits im Jahr 2001 in
einem nicht publizierten Urteil ausdrücklich bestätigt (Urteil des
Bundesgerichts 7B.186/2001 vom 8. Oktober 2001, E. 3c).

1.3 Nicht gefolgt werden kann weiter der Ansicht des Beschwerdeführers, da
vorliegend dem Schuldner durch die (erste) Arrestlegung vom 7. November 2003
die Verfügungsmacht über die arrestierte Forderung bereits entzogen worden
sei, sei nicht einzusehen, warum in der anschliessenden Pfändung derselben
Forderung nochmals zwingend die Erklärung nach Art. 96 Abs. 1 SchKG
ausgesprochen werden müsse.

Eine Arrestlegung hat hinsichtlich der Verfügungsbeschränkung des Schuldners
zwar die gleichen Wirkungen wie eine Pfändung (Art. 96 i.V.m. Art. 275 SchKG;
BGE 113 III 34 E. 1a S. 36), trotzdem ist der Arrest keine Pfändung. Der
Arrest ist im Gegensatz zur Pfändung keine Vollstreckungshandlung, sondern
nur eine vorsorgliche Massnahme, welche den Schuldner daran hindern soll,
über sein  Vermögen zu verfügen und es einer künftigen Vollstreckung seines
Gläubigers zu entziehen (BGE 115 III 28 E. 4b S. 35; 116 III 111 E. 3 S. 115
f.; 120 III 159 E. 3a S. 160). Erfolgt in der Prosequierungsbetreibung die
Pfändung, fällt der Arrest dahin und wird durch den Pfändungsbeschlag
ersetzt. Daraus ergibt sich, dass durch die Pfändung nicht einfach der durch
den Arrest erfolgte Beschlag fortgeführt wird, sondern eine neue
Beschlagnahme erfolgt, deren Wirkungen dem Schuldner in Anwendung von Art. 96
Abs. 1 SchKG (neu) mitgeteilt werden müssen.

1.4 Damit ist zusammenfassend festzuhalten, dass die Pfändung in der vom
Beschwerdeführer eingeleiteten Betreibung erst in dem Zeitpunkt rechtsgültig
vollzogen worden ist, in welchem der Schuldner die Pfändungsurkunde
zugestellt erhalten hat, also am 11. März 2004. Sie ist damit nach der
Arrestlegung durch die Beschwerdegegner erfolgt, so dass diese an der
Pfändung nach Art. 281 Abs. 1 SchKG provisorisch teilnehmen.

2.
Damit ist die Beschwerde abzuweisen. Das Beschwerdeverfahren ist
grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG), und es darf keine
Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, den Beschwerdegegnern (vertreten
durch Rechtsanwalt Dr. David Brunner), dem Betreibungsamt Baar und dem
Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, als Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Oktober 2004

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Die Gerichtsschreiberin: