Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.136/2004
Zurück zum Index Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 2004
Retour à l'indice Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 2004


7B.136/2004 /bnm

Urteil vom 17. August 2004
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiberin Scholl.

1. X.________,
2.Y.________,
3.Z.________,
Beschwerdeführer,
alle drei vertreten durch Fürsprecher Mark Sollberger,

gegen

Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern,
Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern.

Steigerungszuschlag/Steigerungsbedingungen,

SchKG-Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und
Konkurssachen für den Kanton Bern vom 21. Juni 2004.

Sachverhalt:

A.
In der Grundpfandbetreibung Nr. ... des Betreibungsamtes Berner Jura-Seeland
fand am 23. April 2004 die öffentliche Versteigerung der Grundstücke
Biel-Grundbuchblatt Nr. 1, 2, 3 und 4 statt. X.________, Y.________ und
Z.________ (Beschwerdeführer) erhielten dabei zunächst für ihr gemeinsames
Angebot von Fr. 650'000.-- den provisorischen Zuschlag. In der Folge
annullierte der Gantleiter diesen Zuschlag mit dem Hinweis auf die
Steigerungsbedingungen, wonach der gesamte Steigerungskaufpreis
einschliesslich der Anzahlung durch eine Finanzierungszusage oder
Bankgarantie abgedeckt werden müsse, wozu indes die von den Beschwerdeführern
vorgewiesene Finanzierungszusage betragsmässig nicht ausreichte. Daraufhin
wurde die Steigerung bei Fr. 520'000.-- wieder aufgenommen und der Zuschlag
der einfachen Gesellschaft W.________ zum Preis von Fr. 560'000.-- erteilt.

B.
Die Beschwerdeführer erhoben Beschwerde an das Obergericht des Kantons Bern,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, und beantragten im
Wesentlichen die Aufhebung des Zuschlages. Mit Entscheid vom 21. Juni 2004
wies die Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab.

Die Beschwerdeführer gelangen mit Beschwerde vom 5. Juli 2004 (rechtzeitig)
an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Sie
beantragen, es sei festzustellen, dass der Zuschlag an die Beschwerdegegnerin
nichtig sei, eventualiter sei der Zuschlag aufzuheben. Weiter verlangen sie,
dass ihnen rückwirkend der Zuschlag für die obigen Grundstücke zu gewähren
sei, eventualiter sei die Versteigerung zu wiederholen.

Die Aufsichtsbehörde hat keine Gegenbemerkungen (Art. 80 Abs. 1 OG)
angebracht. Das Betreibungsamt schliesst in seiner Stellungnahme auf
Abweisung der Beschwerde. Die einfache Gesellschaft W.________ hat sich
innert Frist nicht vernehmen lassen.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht ist im vorliegenden Verfahren an die tatsächlichen
Feststellungen der Aufsichtsbehörde gebunden, sofern sie weder offensichtlich
auf einem Versehen beruhen noch unter Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften zustande gekommen sind (Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Art. 81 OG;
BGE 107 III 1 E. 1 S. 2; 119 III 54 E. 2b S. 55; 124 III 286 E. 3b S. 288).
Auf die Beschwerde ist daher von vornherein nicht einzutreten, soweit die
Beschwerdeführer "Korrekturen und Ergänzungen" zum Sachverhalt anbringen.
Nicht zu beachten sind zudem die vor Bundesgericht eingereichten Unterlagen,
soweit sie sich nicht bereits in den Akten befinden, sowie weitere
Beweisofferten (Art. 79 Abs. 1 OG). Letzteres gilt auch für die vom
Betreibungsamt bezeichneten Zeugen.

2.
Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, der erteilte Zuschlag sei
nichtig, weil der Gantleiter nach Widerruf des provisorischen Zuschlages an
sie nicht das nächst tiefere Angebot von Fr. 640'000.-- nochmals ausgerufen
habe, sondern die Steigerung beim Angebot von Fr. 520'000.-- wieder
aufgenommen habe. Dieses Vorgehen verstosse gegen Art. 60 Abs. 2 VZG. Da
diese Bestimmung dem Schutz öffentlicher Interessen diene, führe ein Verstoss
dagegen zur Nichtigkeit des Zuschlages.

2.1  Die Beschwerdeführer berufen sich im Verfahren vor Bundesgericht
erstmals
auf Art. 60 Abs. 2 VZG. Die erkennende Kammer tritt auf neue rechtliche
Begründungen nur ein, wenn sie auf Tatsachen beruhen, die bei der kantonalen
Instanz gesetzeskonform vorgebracht worden und im angefochtenen Entscheid
festgehalten sind (Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Art. 81 OG; BGE 106 II 272 E. 2 S.
277). Ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, kann offen bleiben, da den
Beschwerdeführern für diese Rüge die Beschwer fehlt. Es ist weder
ersichtlich, noch wird von den Beschwerdeführern dargetan, inwiefern sie
durch das Vorgehen des Gantleiters in ihren schutzwürdigen (rechtlichen oder
tatsächlichen) Interessen betroffen sind. Dementsprechend kann nur überprüft
werden, ob ein allfälliger Verstoss gegen Art. 60 Abs. 2 VZG die Nichtigkeit
des Zuschlages zur Folge hat, was von Amtes wegen zu beachten wäre.

2.2  Ein Zuschlag ist nur nichtig, wenn er gegen zwingendes Recht verstösst,
indem er eine im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am
Betreibungsverfahren nicht beteiligten Personen aufgestellte Bestimmung
verletzt (Art. 22 Abs. 1 SchKG; BGE 115 III 24 E. 1 S. 26; zur Publikation
bestimmter BGE 7B.36/2004, E. 2.3.2). Dies trifft hier nicht zu: Die in Frage
stehende Vorschrift von Art. 60 Abs. 2 VZG dient in erster Linie dazu, einen
möglichst hohen Erlös zu erzielen. An einem solchen sind die Gläubiger und
der Schuldner interessiert (BGE 119 III 26 E. 2c S. 28), worauf im Übrigen
auch die Beschwerdeführer hinweisen. Inwiefern Interessen Dritter durch einen
allfällig zu tiefen Steigerungspreis beeinträchtigt sein könnten, ist nicht
ersichtlich und wird von den Beschwerdeführern auch nicht nachvollziehbar
dargelegt.
Damit ist festzuhalten, dass ein Verstoss gegen Art. 60 Abs. 2 VZG nicht zur
Nichtigkeit des Zuschlags führt. Ob die Vorgehensweise des Gantleiters
hingegen bundesrechtskonform gewesen ist, kann nicht geprüft werden (vgl. E.
2.1 ).

3.
Die Beschwerdeführer machen weiter eine Verletzung der Untersuchungsmaxime
geltend. Sie bringen vor, die Aufsichtsbehörde habe zu Unrecht ein
nachträglich eingereichtes Beweismittel (Finanzierungszusage des
Wertschriftendienstes der Stadt A.________ vom 23. April 2004) als verspätet
zurückgewiesen.

3.1  Nach Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG stellt die Aufsichtsbehörde den
Sachverhalt von Amtes wegen fest. Sie kann die Parteien zur Mitwirkung
anhalten und braucht auf deren Begehren nicht einzutreten, wenn sie die
notwendige und zumutbare Mitwirkung verweigern (BGE 123 III 328 E. 3 S. 329).
Ein Beschwerdeführer hat demnach die Behörde über die wesentlichen Tatsachen
zu unterrichten und die ihm zugänglichen Beweise anzugeben (BGE 119 III 70 E.
1 S. 71 f.). Er verletzt damit seine Mitwirkungspflicht, wenn er verfügbare,
sich in seinen Händen befindliche Beweismittel erst verspätet einreicht. Es
ist damit nicht zu beanstanden, wenn die Aufsichtsbehörde die strittige
Eingabe aus den Akten gewiesen hat.

3.2  Soweit die Beschwerdeführer zudem - gestützt auf obiges Beweismittel -
geltend machen, sie hätten über die gemäss Steigerungsbedingungen verlangte
Finanzierungszusage für den gesamten Steigerungspreis von Fr. 650'000.--
verfügt, ist dieses (tatsächliche) Vorbringen neu und damit unzulässig (Art.
79 Abs. 1 OG). In der Beschwerde an die kantonale Aufsichtsbehörde haben sie
noch ausdrücklich ausgeführt, sie hätten (lediglich) eine Finanzierungszusage
über Fr. 560'000.-- vorgewiesen.

4.
Schliesslich bringen die Beschwerdeführer vor, Ziffer 10 der
Steigerungsbedingungen würde Art. 45 Abs. 1 lit. e VZG verletzen.

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann ein Ersteigerer die
Steigerungsbedingungen nicht mehr anfechten, wenn er diese durch das
Mitbieten an der Steigerung stillschweigend anerkannt hat (BGE 109 III 107 E.
2 S. 109; 120 III 25 E. 2b S. 27). Im vorliegenden Fall hat sich aus den
Steigerungsbedingungen ohne weiteres ergeben, dass der gesamte
Steigerungskaufpreis, einschliesslich der Anzahlung, durch eine Bankgarantie
oder eine Finanzierungszusage gedeckt sein muss. Offenbar hat sich einer der
Beschwerdeführer zudem im Vorfeld der Steigerung beim Betreibungsamt
wiederholt nach der Auslegung der strittigen Bestimmung erkundigt und die
Auskunft erhalten, dass die Bankgarantie über den Gesamtkaufpreis verlangt
werde. Dennoch haben die Beschwerdeführer die Steigerungsbedingungen weder
während der öffentlichen Auflage noch unmittelbar vor Beginn der Steigerung
angefochten. Sie sind daher zur Anfechtung der Steigerungsbedingungen nicht
mehr befugt.

5.
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit überhaupt darauf eingetreten
werden kann. Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a
Abs. 1 SchKG), und es darf keine Parteientschädigung zugesprochen werden
(Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Beschwerdegegnerin, dem
Betreibungs- und Konkursamt Berner Jura-Seeland und der Aufsichtsbehörde in
Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. August 2004

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Die Gerichtsschreiberin: