Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.122/2004
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7B.122/2004 /bnm

Urteil vom 10. September 2004
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Levante.

X. ________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission, als
obere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, Obere
Vorstadt 38, 5000 Aarau.

Lohnpfändung/Existenzminimum,

SchKG-Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau,
Schuldbetreibungs- und Konkurskommission, als oberer Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen vom 27. Mai 2004 (BE.2004.00015).

Sachverhalt:

A.
Das Betreibungsamt A.________ vollzog am 9. Februar 2004 in der gegen
X.________ laufenden Betreibung Nr. 1 eine Lohnpfändung. Es ermittelte ein
monatliches Existenzminimum der Schuldnerin von insgesamt Fr. 3'828.--
(Grundnotbedarf von Fr. 775.-- und Zuschläge von insgesamt Fr. 3'053.--) und
setzte bei einem monatlichen Einkommen von Fr. 4'957.-- die pfändbare
Lohnquote auf Fr. 1'129.-- fest (Pfändungsurkunde vom 9. Februar 2004).
Hiergegen erhob X.________ unter Hinweis, dass sie im Konkubinat ohne
gemeinsame Kinder lebe, Beschwerde und verlangte, dass der Grundnotbedarf auf
Fr. 1'000.-- festzusetzen sei. Das Gerichtspräsidium Muri als untere
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen wies die Beschwerde
mit Entscheid vom 30. März 2004 ab. Das Obergericht des Kantons Aargau,
Schuldbetreibungs- und Konkurskommission, als obere Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen wies die Beschwerde von X.________ mit
Entscheid vom 27. Mai 2004 ebenfalls ab.

B.
X.________ hat den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde mit
Beschwerdeschrift vom 23. Juni 2004 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und beantragt, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das Betreibungsamt anzuweisen,
ihren Grundnotbedarf auf Fr. 1'000.-- festzusetzen. Weiter verlangt sie
aufschiebende Wirkung.

C.
Die obere Aufsichtsbehörde hat anlässlich der Aktenüberweisung auf
Gegenbemerkungen (Art. 80 OG) verzichtet. Weder der Betreibungsgläubiger
(Beschwerdegegner) noch das Betreibungsamt haben sich vernehmen lassen.

Mit Präsidialverfügung vom 15. Juni 2004 wurde der Beschwerde aufschiebende
Wirkung zuerkannt.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Die obere Aufsichtsbehörde hat sich bei der Festsetzung des monatlichen
Grundbetrages auf ihre Richtlinien für die Berechnung des
betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbedarf) nach Art. 93 SchKG vom 3.
Januar 2001 gestützt. Diese kantonalen Richtlinien lauten wie folgt:
"I. Monatlicher Grundbetrag
1.Für einen alleinstehenden Schuldner: Fr. 1'100.--
2.Für einen alleinstehenden Schuldner in Haushaltgemeinschaft mit erwachsenen
Personen: Fr. 1'000.--
3.Für ein Ehepaar oder zwei andere eine dauernde Hausgemeinschaft bildende
erwachsene Personen: Fr. 1'550.--
4.Unterhalt der Kinder [...]"

Die obere Aufsichtsbehörde hat festgehalten, dass die Beschwerdeführerin im
Konkubinat lebe, und gefolgert, dass der Grundbetrag für ein Ehepaar oder
zwei andere eine dauernde Hausgemeinschaft bildende erwachsene Personen
(Ziffer I.3., Fr. 1'550.--) massgebend sei. Die Beschwerdeführerin könne
nicht als "alleinstehende Schuldnerin in Haushaltgemeinschaft" im Sinne von
Ziffer I.2. der Richtlinien betrachtet werden, da sie nicht alleinstehend wie
z.B. die Mitglieder einer Wohngemeinschaft sei, welche sich zwar eine
gemeinsame Wohnung teilen, aber weitgehend individuell leben würden. Weil die
Beschwerdeführerin in einer Lebensgemeinschaft lebe, seien ihre
Lebenshaltungskosten - durch die dauernde Hausgemeinschaft - billiger. Daher
sei nicht zu beanstanden, wenn das Betreibungsamt in der
Existenzminimumsberechnung den halben Grundbedarf (Fr. 775.--) nach Ziffer
I.3. eingesetzt habe.

Die Beschwerdeführerin hält demgegenüber im Wesentlichen fest, es gebe
zwischen Konkubinatspartnern keinen durchsetzbaren Anspruch auf
Mitfinanzierung des gemeinsamen Unterhalts. Deshalb sei eine Einzelrechnung
durchzuführen und nicht der Ehepaar-Grundbetrag, sondern der Grundbetrag für
alleinstehende Schuldner (mindestens Fr. 1'000.--) massgebend.

2.
2.1 Erwerbseinkommen kann soweit gepfändet werden, als es nach dem Ermessen
des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt
notwendig ist (Art. 93 Abs. 1 SchKG). Mit Beschwerde gemäss Art. 19 Abs. 1
SchKG kann gerügt werden, dass bei der Ausübung des im Gesetz eingeräumten
Ermessens, das Existenzminimum des Schuldners festzusetzen, sachfremde
Kriterien berücksichtigt oder rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen
worden sind (BGE 128 III 337 E. 3a).

2.2 Nach der Rechtsprechung darf beim Konkubinatsverhältnis der Beitrag, der
zu Lasten des Lebenspartners an die Kosten des gemeinsamen Haushaltes
berücksichtigt wird, deren Hälfte nicht übersteigen, da sich sonst die
Gläubiger aus dem Gut einer anderen Person befriedigen könnten, ohne dass der
Schuldner dieser gegenüber einen Anspruch auf Unterhalt hat (BGE 128 III 159
E. 3b; 109 III 101 E. 2 S. 102). Hingegen ist das Konkubinatsverhältnis, aus
dem Kinder hervorgegangen sind, unter dem Gesichtspunkt der
Notbedarfsermittlung im Wesentlichen gleich zu behandeln wie ein eheliches
Familienverhältnis (BGE 106 III 11 E. 3c und d S. 16 f.).

Es ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin und ihr Partner im Konkubinat
leben und dass keine gemeinsamen Kinder vorhanden sind. Aus dem angefochtenen
Entscheid geht nicht hervor, dass die Beschwerdeführerin und ihr Partner das
Existenzminimum gemeinsam im Verhältnis ihrer Nettoeinkommen zu tragen
hätten. Vielmehr lässt sich der Berechnung entnehmen, dass der Notbedarf für
die Beschwerdeführerin alleine festgesetzt wurde. Die Beschwerdeführerin
behauptet sodann selber nicht, dass der Anteil, der zu Lasten des
Lebenspartners an die Kosten des gemeinsamen Haushaltes berücksichtigt worden
sei, deren Hälfte übersteige. Strittig ist einzig, ob das Betreibungsamt den
Grundbetrag für die Beschwerdeführerin auf Fr. 775.--, die Hälfte des für
Ehegatten als massgeblich erachteten Grundbetrages, festsetzen darf.

2.3 Die Richtlinien der Aufsichtsbehörde des Kantons Aargau (wie diejenigen
anderer Kantone) stützen sich in Ziffer I.3. auf die Richtlinien der
Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz vom 24. November
2000 (BlSchK 2001 S. 14). Diese setzen in Ziffer I.3. den monatlichen
Grundbetrag "für ein Ehepaar oder zwei andere eine dauernde Hausgemeinschaft
bildende erwachsene Personen" auf Fr. 1'550.-- fest. Nach der Praxis hierzu
wird bei beidseitig verdienenden, kinderlosen Konkubinatspaaren dem Schuldner im Minimum der hälftige Grundbetrag belassen (vonder Mühll, BlSchK 2002 S.
129; anderer Meinung Bühler, Aktuelle Probleme bei der
Existenzminimumsberechnung, SJZ 2004 S. 25 f.; Guidicelli/Piccirilli, Il
pignoramento di redditi ex art. 93 LEF nelle pratica ticinese, Agno 2002, S.
38 Rz 118 Anm. 124: Grundbedarf für einen alleinstehenden Schuldner und
eventuell Reduktion).

2.4 Ob für einen im Konkubinatsverhältnis lebenden Schuldner in der
Existenzminimumsberechnung der hälftige Ehegatten-Grundbetrag eingesetzt
werden kann, ist einzig unter dem Gesichtspunkt der gesetzmässigen
Ermessensausübung (vgl. E. 2.1) zu beurteilen. In wirtschaftlicher Hinsicht
ist nicht zu übersehen, dass für zwei erwachsene Personen, die in einer
Hausgemeinschaft von Dauer leben, für die im Grundbetrag enthaltenen
Positionen (Nahrung, etc.; vgl. Ziffer I. der Richtlinien der Konferenz)
Kosten entstehen, die mit denjenigen eines Ehepaares in Hausgemeinschaft
vergleichbar sind. Insoweit erscheint es angebracht, für ein Konkubinatspaar,
das eine dauernde Hausgemeinschaft bildet, den gleichen Grundbetrag wie für
ein Ehepaar zu nehmen und für den im Konkubinat lebenden Schuldner
grundsätzlich den halben Ehegatten-Grundbetrag einzusetzen (vgl. Schreiben
der Aufsichtsbehörde des Kantons Luzern vom 1. Juni 2001, BlSchK 2003 S. 89).
Damit werden die konkreten Vorteile des Konkubinates erfasst, wobei der
Betreibungsbeamte stets zu prüfen hat, ob die Anwendung der Richtlinie auch
zu einem den konkreten Umständen angemessenen Ergebnis führt (BGE 86 III 10
S. 11). Allerdings trifft - in unterhaltsrechtlicher Hinsicht - den
Konkubinatspartner des Schuldners keine Unterstützungspflicht (vgl. Art. 163
Abs. 1 ZGB), weshalb dem Schuldner im Minimum die Hälfte des
Ehepaar-Grundbetrages belassen werden muss.

Vorliegend hat die obere Aufsichtsbehörde festgestellt (Art. 63 Abs. 2 i.V.m.
Art. 81 OG), dass die Beschwerdeführerin und ihr Partner im Konkubinat
zusammenleben, und geschlossen, in der von ihr geführten dauernden
Hausgemeinschaft entstehe eine vergleichbare Verbilligung der Lebenskosten
wie bei Ehegatten in Hausgemeinschaft. Die Beschwerdeführerin macht nicht
geltend, die obere Aufsichtsbehörde habe zu Unrecht angenommen, ihre
Gemeinschaft sei in einer mit der Ehe vergleichbaren Weise auf Dauer
angelegt. Ebenso wenig bestreitet sie, dass durch ihre dauernde
Hausgemeinschaft eine Verbilligung der Lebenskosten in einem Mass entstehe,
wie dies bei Ehegatten in Hausgemeinschaft der Fall sei. Vor diesem
Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwiefern die obere Aufsichtsbehörde bei
der Festsetzung des Existenzminimums sachfremde Kriterien berücksichtigt oder
rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen habe, wenn sie zur Auffassung
gelangt ist, das Betreibungsamt habe für den Grundnotbedarf der
Beschwerdeführerin den hälftigen Ehegatten-Grundbetrag einsetzen dürfen.

3.
Nach dem Dargelegten ist die Beschwerde abzuweisen. Das Beschwerdeverfahren
ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Beschwerdegegner,  dem
Betreibungsamt A.________ und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Schuldbetreibungs- und Konkurskommission, als oberer Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. September 2004

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Der Gerichtsschreiber: