Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.116/2004
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7B.116/2004 /bnm

Urteil vom 21. Juli 2004
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichter Marazzi.
Gerichtsschreiber Schett.

Schweizerische Eidgenossenschaft,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch die Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung
Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,

gegen

Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, Postfach, 8023
Zürich.

Kostenvorschuss,

SchKG-Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen, vom 3. Juni 2004.

Sachverhalt:

A.
A.a  Die Eidg. Steuerverwaltung betrieb die X.________ AG für
Mehrwertsteuerforderungen in den Betreibungen Nr. 1 (Pfändung Nr. aaa), 2
(Pfändung Nr. bbb) und 3 (Pfändung Nr. ccc). Das Betreibungsamt Zürich 1
pfändete in diesen drei Betreibungen Kleidungsstücke der Schuldnerin. In den
ersten beiden Pfändungen vom 22. August und 23. September 2002 wurden jeweils
die gleichen Kleidungsstücke gepfändet. Bei der dritten Pfändung vom 11. und
31. März 2003 wurden ebenfalls diese Gegenstände, dazu aber noch weitere
Kleidungsstücke gepfändet. Mit der dritten Pfändung nahm das Betreibungsamt
sämtliche Pfändungsgegenstände in Gewahrsam, da die Schuldnerin die
Abschlagszahlungen im Sinne von Art. 123 SchKG nicht mehr leistete. Bevor die
Verwertung stattfinden konnte, wurde über die Schuldnerin am 22. Mai 2003 der
Konkurs eröffnet.

A.b  In der Folge stellte das Betreibungsamt der Eidg. Steuerverwaltung für
Gebühren und Auslagen in den drei Betreibungen insgesamt Fr. 5'801.40 in
Rechnung. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bezirksgericht Zürich (6.
Abteilung) als untere Aufsichtsbehörde am 5. April 2004 abgewiesen.
Mit dem dagegen beim Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) als
oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen
eingereichten Rekurs beantragte die Gläubigerin die Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses sowie der betreffenden Kostenrechnungen des
Betreibungsamtes. Weiter verlangte sie, es seien die Kosten in der Betreibung
Nr. 1 auf Fr. 339.15, in der Betreibung Nr. 2 auf Fr. 272.90 und in der
Betreibung Nr. 3 auf Fr. 2'204.-- (total Fr. 2'816.05) festzusetzen. Diese
Beträge entsprechen den von der Gläubigerin bereits bezahlten Kosten in den
betreffenden Betreibungen. Mit Entscheid vom 3. Juni 2004 hiess das
Obergericht den Rekurs teilweise gut und hob den angefochtenen Beschluss
sowie die Kostenrechnungen und Verfügungen des Betreibungsamtes Zürich 1 vom
26. Juni 2003 auf. Die von der Gläubigerin noch zu zahlenden Kostenanteile
wurden neu wie folgt festgesetzt: Fr. 854.35 in der Betreibung Nr. 1; Fr.
1'057.80 in der Betreibung Nr. 2 und Fr. 2'844.65 in der Betreibung Nr. 3
(total Fr. 4'756.80).

B.
Mit Eingabe vom 14. Juni 2004 hat die Eidg. Steuerverwaltung die Sache an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen. Sie
beantragt, der Beschluss des Obergerichts Zürich vom 3. Juni 2004 und die
Kostenverfügungen in den Betreibungen Nr. 1, 2 und 3 seien aufzuheben. Die
Kosten seien in der Betreibung Nr. 1 auf Fr. 339.15, in der Betreibung Nr. 2
auf Fr. 272.90 und in der Betreibung Nr. 3 auf Fr. 2'204.-- festzusetzen.
Eventualiter sei das Verfahren betreffend die Frage des Ermessensmissbrauchs
an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Obergericht des Kantons Zürich hat anlässlich der Übersendung der Akten
auf Gegenbemerkungen verzichtet (Art. 80 OG). Das Betreibungsamt verweist in
seiner Stellungnahme auf seine Vernehmlassung vom 18. Juli 2003 an das
Bezirksgericht Zürich.
Mit Präsidialverfügung vom 17. Juni 2004 wurde der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Die Beschwerdeführerin hat den Antrag gestellt, die Kosten seien in der
Betreibung Nr. 1 auf Fr. 339.15, in der Betreibung Nr. 2 auf Fr. 272.90 und
in der Betreibung Nr. 3 auf Fr. 2'204.-- festzusetzen. Diese Begehren können
nicht einfach mit dem Argument begründet werden, das Betreibungsamt habe sein
Ermessen überschritten, weil es keinen Kostenvorschuss für die
aussergewöhnlichen Auslagen im Zusammenhang mit der Pfändung und Vorbereitung
der Verwertung verlangt habe (dazu nachfolgend E. 2). Da die
Beschwerdeführerin insbesondere keine Verletzung des Gebührentarifs geltend
macht, welcher Grundlage für den obergerichtlichen Kostenentscheid bildete,
sind ihre Vorbringen unzulässig (Art. 79 Abs. 1 OG; BGE 119 III 49 E. 1).

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin bringt vor, das Betreibungsamt habe in den
vorliegenden Betreibungen/Pfändungen kostspielige Vorbereitungshandlungen in
der Höhe von rund Fr. 10'000.-- vorgenommen, ohne dafür einen Kostenvorschuss
zu verlangen. Das Betreibungsamt habe das ihm zustehende Ermessen
missbraucht. Die Vorinstanz sei nicht auf die Fragen eingegangen, ob das
Betreibungsamt einen Kostenvorschuss hätte einverlangen müssen, und was die
Folgen seien, wenn kein Vorschuss erhoben werde.
Gemäss Art. 68 Abs. 1 SchKG sind die Betreibungskosten vom Gläubiger
vorzuschiessen und kann das Betreibungsamt, wenn der Vorschuss nicht
geleistet wird, die Betreibungshandlung einstweilen unterlassen. Der
Schuldner hat die dem Gläubiger entstandenen Kosten grundsätzlich zu ersetzen
(vgl. Art. 68 Abs. 1 erster Satz SchKG). Kommt es nicht zur Verwertung, so
tritt die Überwälzung der Kosten auf den Schuldner nicht ein, so dass diese
beim Gläubiger bleiben (Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach
schweizerischem Recht, Bd. I, Zürich 1984, § 15 N. 11, S. 184). Es steht im
pflichtgemässen Ermessen des Betreibungsamtes, in welcher Höhe es einen
Kostenvorschuss einverlangt. Es hat hierzu die anfallenden Kosten zu schätzen
(Emmel, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs,
SchKG I, Hrsg.: Stahelin/Bauer/ Stahelin, Basel 1998, N. 14 zu Art. 68 SchKG;
Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la
faillite, articles 1-88, N. 26 zu Art. 68 SchKG, S. 1053; BGE 85 III 81 E. 3
S. 85/86). Der Gläubiger hat keinen Anspruch, lediglich Kosten in der Höhe
der Kostenvorschüsse tragen zu müssen.
Mit Beschwerde kann gerügt werden, dass bei der Ermessensausübung sachfremde
Kriterien berücksichtigt oder rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen
worden sind (Art. 19 Abs. 1 SchKG; BGE 128 III 337 E. 3a).

2.2  Gemäss dem angefochtenen Urteil sind in den ersten beiden Pfändungen 922
und in der dritten Pfändung zusätzlich 3899 Kleidungsstücke gepfändet worden.
Dabei sind Sortier- und Transportkosten im Umfang von Fr. 9'921.--
angefallen, welche die Vorinstanz als Verwertungskosten denjenigen Gläubigern
auferlegt hat, welche ein Verwertungsbegehren gestellt und sich damit zur
Übernahme des entsprechenden Kostenrisikos entschieden haben (BGE 55 III 122
E. 2; 111 III 63 E. 2 S. 65). Weil in der dritten Pfändung Nr. ccc erheblich
mehr Gegenstände gepfändet worden waren als in den ersten beiden Pfändungen
zuvor, hat die Vorinstanz die angefallenen Zähl-, Sortier- und
Transportkosten im Umfang von Fr. 9'921.-- zu einem Fünftel als
Verwertungskosten den Gläubigern in den Pfändungsgruppen Nr. aaa und bbb
sowie zu vier Fünfteln als Pfändungskosten den Gläubigern in der Pfändung Nr.
ccc auferlegt.

2.3  Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichts konnte das
Betreibungsamt davon absehen, einen Kostenvorschuss zu verlangen, wenn
vorauszusehen war, dass die Verwertung ergebnislos verlaufen wird. Diese
Praxis wurde jedoch aufgegeben, da sie zu Art. 68 SchKG im Widerspruch stand
(BGE 37 I 344/345; Gilliéron, a.a.O., N. 28 zu Art. 68 SchKG, S. 1053/1054).
Der Gläubiger, der die Verwertung verlangt hat, wird jedoch nicht von der
Leistung eines Kostenvorschusses befreit, wenn zu erwarten ist, dass die
Kosten der Verwertung und Verteilung ohne weiteres durch den Erlös gedeckt
werden können (BGE 111 III 63 E. 3 S. 66). Die Pflicht zur Leistung von
Kostenvorschüssen stellt den Gläubiger vor die Frage, ob er diese weiteren
Ausgaben wagen oder eine aussichtslos erscheinende Betreibung nicht lieber
unterlassen soll (Fritzsche/Walder, a.a.O., § 15 N. 13, S. 184). Die
Kostenvorschusspflicht hat somit eine gewisse prohibitive Funktion. Ist
vorauszusehen, dass die Kosten aussergewöhnlich hoch sein werden und nicht
mehr im Verhältnis zur Forderung stehen, so soll das Betreibungsamt den
Gläubiger vorerst darauf aufmerksam machen, bevor es, ohne einen
Kostenvorschuss zu verlangen, die betreffende Handlung vornimmt (Jaeger, Das
Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Auflage 1911, Bd. I,

N. 4 zu Art. 68 SchKG, S. 356).
Wie die Beschwerdeführerin in Übereinstimmung mit den Pfändungsurkunden und
dem angefochtenen Urteil ausführt, betrug der Schätzwert der gepfändeten
Kleidungsstücke Fr. 108'366.--. Die von der Beschwerdeführerin in Betreibung
gesetzten Forderungen belaufen sich auf Fr. 79'000.--, die der übrigen
Gläubiger auf Fr. 20'369.--.  Da die Schuldnerin die ihr am 11. November 2002
gewährten Abschlagszahlungen nicht mehr entrichtete, musste das
Betreibungsamt gemäss Art. 123 Abs. 5 SchKG vorgehen und die bereits
gepfändeten Aktiven am 31. März 2003 wegnehmen, was die zusätzlichen Zähl-,
Sortier- und Transportkosten zur Folge hatte. Diese Wende trat plötzlich ein,
und angesichts des namhaften Schätzwertes der gepfändeten Objekte für die
laufenden Betreibungen durfte das Betreibungsamt ohne weiteres die
voraussehbaren Kosten des Pfändungsvollzugs als zu den in Betreibung
gesetzten Forderungen verhältnismässig würdigen; deshalb durfte es davon
absehen, von der Beschwerdeführerin einen Vorschuss für die Kosten des
Pfändungsvollzugs zu verlangen. Diese Schlussfolgerung kann nicht mit dem
Einwand umgestossen werden, dem Betreibungsamt sei seit "März/April 2003"
bekannt gewesen, dass der Schuldnerin der Konkurs angedroht worden sei. Ein
dem Schuldner angedrohter Konkurs befreit das Betreibungsamt nicht, eine sich
aufdrängende Pfändung gemäss Art. 123 Abs. 5 SchKG vorzunehmen.

2.4  Gemäss den vorstehenden Ausführungen hat die Vorinstanz kein Bundesrecht
verletzt, wenn sie die Kostenanteile der Beschwerdeführerin nicht auf die
Summe der von dieser bereits bezahlten Betreibungskosten festgesetzt hat.

3.
Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a SchKG und Art.
61 Abs. 2 lit. a GebV SchKG), und es darf keine Parteientschädigung
zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin, und dem
Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 21. Juli 2004

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Der Gerichtsschreiber: