Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.109/2004
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7B.109/2004 /rov

Urteil vom 17. August 2004
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiberin Scholl.

Z. ________ SpA,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Avvocato Francesco Naef,

gegen

Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern,
Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern.

Auskunftserteilung über Vermögenswerte,

SchKG-Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und
Konkurssachen für den Kanton Bern vom 24. Mai 2004.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Die Z.________ SpA, A.________ (nachfolgend: Z.________), leitete gegen
X.________ die Betreibung ein. Im Rahmen des nachfolgenden
Rechtsöffnungsverfahrens erklärte der Amtsgerichtspräsident des Richteramtes
Bucheggberg-Wasseramt das Strafurteil des Tribunale di Napoli vom 11.
Dezember 2001/29. Juli 2002 bezüglich der darin adhäsionsweise zuerkannten
Zivilansprüche in der Höhe von ITL 1'107'449'000.-- gegenüber X.________ als
in der Schweiz vollstreckbar. Mit Urteil vom 26. Mai 2003 erteilte er daher
die definitive Rechtsöffnung. In der Folge reichte die Z.________ beim
Betreibungs- und Konkursamt Emmental-Oberaargau, Dienststelle Aarwangen - in
dessen Zuständigkeitsbereich X.________ seinen Wohnsitz unterdessen verlegt
hatte - das Fortsetzungsbegehren ein.

Mit Schreiben vom 21. August 2003 ersuchte die Z.________ das Betreibungsamt,
X.________ anlässlich der bevorstehenden Pfändung zu allfälligen (paulianisch
anfechtbaren) Vermögensentäusserungen zu befragen. Am 22. August 2003 vollzog
das Betreibungsamt die Pfändung, ohne dass indes eine Befragung zu
Vermögensentäusserungen erfolgte. Dagegen erhob die Z.________ Beschwerde an
die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern.
Mit Entscheid vom 24. Mai 2004 wies diese die Beschwerde ab.

Die Z.________ gelangt mit Beschwerde vom 7. Juni 2004 (rechtzeitig) an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Sie beantragt im
Wesentlichen die Aufhebung des angefochtenen Entscheids der Aufsichtsbehörde.
Zudem solle das Betreibungsamt aufgefordert werden, eine neue Pfändung zu
vollziehen und X.________ zu Vermögensentäusserungen der letzten fünf Jahre
zu befragen und dessen Antworten mittels entsprechenden Urkunden
(Steuererklärung, Bankkontoauszüge etc.) zu überprüfen.

Die Aufsichtsbehörde hat keine Gegenbemerkungen (Art. 80 Abs. 1 OG)
angebracht. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

2.
Anfechtungsobjekt der Beschwerde nach Art. 19 Abs. 1 SchKG ist allein der
Entscheid der Aufsichtsbehörde. Der Antrag der Beschwerdeführerin, Beschlüsse
des Betreibungsamtes aufzuheben, erweist sich daher als unzulässig.

3.
Die Beschwerdeführerin macht im bundesgerichtlichen Verfahren erstmals
Ausführungen zu ihrer Partei- und Prozessfähigkeit sowie zu ihrer
Aktivlegitimation. Sie wendet sich dabei in erster Linie gegen BGE 129 III
683 (E. 5.3 S. 688), worin festgehalten wurde, eine ausländische Konkursmasse
sei nicht aktivlegitimiert, in der Schweiz ihr zustehende Forderungen in
Betreibung zu setzen.

3.1  Zu entscheiden ist einerseits die Frage der Rechts- und
Handlungsfähigkeit der ausländischen Konkursmasse. Diese richtet sich nach
dem Personalstatut, d.h. dem Recht des Staates, in welchem der Konkurs
eröffnet worden ist (BGE 100 Ia 18 E. 2 S. 21; 109 III 112 E. 2 S. 115). Es
bestehen im vorliegenden Fall keinerlei Hinweise, dass diese bei der
Beschwerdeführerin nach dem anwendbaren italienischen Recht nicht gegeben
wäre.

3.2  Andererseits stellt sich die Frage, ob eine ausländische Konkursmasse
legitimiert ist, in der Schweiz einen Anspruch gegen einen Drittschuldner
geltend zu machen bzw. gegen diesen eine Forderung in Betreibung zu setzen.
Im schweizerischen Konkursrecht gilt das Territorialitätsprinzip, nach
welchem ein im Ausland eröffneter Konkurs in der Schweiz grundsätzlich keine
Rechtswirkung entfaltet. Daran knüpft auch der oben genannte BGE 129 III 683
an. Diesem Entscheid (wie auch dem darin zitierten Urteil des Bundesgerichts
1P.161/1991 vom 24. Juli 1991, E. 2, publ. in: JdT 1993 II S. 125) lag ein
Sachverhalt zu Grunde, bei dem das ausländische Konkurserkenntnis bereits
anerkannt und in der Schweiz ein "Mini-Konkurs" eröffnet worden war. Ob es
sich im vorliegenden Fall, wo eine Anerkennung des ausländischen
Konkursdekrets noch nicht beantragt worden ist und die Beschwerdeführerin
keine eigentlichen Zwangsmassnahmen ergreift - welche in jedem Fall
unzulässig wären (BGE 109 III 83 E. 6 S. 86; 111 III 38 E. 1 S. 42) - sondern
ihre Rechte wie eine Privatperson geltend macht, gleich verhält, kann offen
bleiben, da die Beschwerde ohnehin abgewiesen werden muss, wie nachfolgend
aufzuzeigen ist.

4.
Strittig in der Hauptsache ist die Verpflichtung des Betreibungsamtes, beim
Schuldner Auskünfte über möglicherweise anfechtbare Rechtshandlungen
einzuholen sowie in dessen Bank- und Steuerunterlagen nach solchen zu
forschen.

4.1  Die kantonale Aufsichtsbehörde hat zwar anerkannt, dass sich die
Auskunftspflicht des Schuldners auch auf anfechtbare Rechtshandlungen
beziehen kann und angenommen, "in zeitlicher Hinsicht dürfte die
Auskunftspflicht jedenfalls alle Transaktionen innerhalb der paulianischen
période suspecte (Art. 286-288 SchKG) erfassen." Jedoch ist sie anschliessend
zum Schluss gelangt, im vorliegenden Fall würden keine konkreten Hinweise
vorliegen, die eine Befragung des Schuldners über seine
Vermögensentäusserungen der letzten fünf Jahre vor der Pfändung rechtfertigen
würde.
Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, auch ohne das Bestehen von
konkreten Hinweisen auf mögliche Machenschaften sei es die Pflicht des
Betreibungsamtes, während des Pfändungsvollzuges vom Betriebenen Auskünfte
über alle Transaktionen innerhalb der paulianischen Verdachtsperiode zu
verlangen.

4.2  Nach Art. 91 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG ist der Schuldner bei Straffolge
verpflichtet, seine Vermögensgegenstände, einschliesslich derjenigen, welche
sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte
gegenüber Dritten anzugeben, soweit dies zu einer genügenden Pfändung nötig
ist. In gleichem Umfang zur Auskunft verpflichtet sind Dritte, die
Vermögensgegenstände des Schuldners verwahren oder bei denen dieser Guthaben
hat, sowie Behörden (Art. 91 Abs. 4 und 5 SchKG). Im Rahmen eines
Pfändungsvollzuges ist das Betreibungsamt zudem unter Umständen verpflichtet,
nicht nur auf die Angaben des Schuldners abzustellen, sondern auch selber
nach pfändbarem Vermögen zu forschen (BGE 83 III 63 E. 1 S. 64; 124 III 170
E. 4a S. 172). Soweit dem Betreibungsamt indes keinerlei Indizien auf weitere
pfändbare Vermögenswerte vorliegen, sind solche Nachforschungen rein
praktisch kaum durchführbar.

Im vorliegenden Fall wird dem Schuldner nicht vorgeworfen, anlässlich des
Pfändungsvollzuges Vermögenswerte verheimlicht zu haben. Vielmehr fordert die
Beschwerdeführerin vom Betreibungsamt, den Schuldner über alle Transaktionen
innerhalb der fünfjährigen paulianischen Verdachtsperiode zu befragen und
mittels Dokumenten wie Bankunterlagen zu überprüfen. Das Bundesgericht hat
zwar entschieden, dass sich die Auskunftspflicht im Hinblick auf mögliche
Anfechtungsklagen auch auf die so genannte Verdachtsperiode beziehen kann
(BGE 129 III 239 E. 3.2 S. 241 f.). Es würde indes zu weit gehen, den
Betreibungsbeamten im Rahmen einer Pfändung zu verpflichten, geradezu
routinemässig nach anfechtbaren Rechtshandlungen zu forschen, wenn keinerlei
Verdachtsmomente und Anhaltspunkte für das Bestehen von solchen vorliegen.
Nichts zu ihren Gunsten ableiten kann die Beschwerdeführerin aus BGE 129 III
239 sowie aus dem nicht publizierten Urteil des Bundesgerichts 7B.131/2001
vom 7. Juni 2001: In beiden Fällen bestanden konkrete Indizien für das
Vorliegen von weiterem Vermögen bzw. allenfalls anfechtbaren
Rechtshandlungen.

4.3  Weiter macht die Beschwerdeführerin geltend, selbst wenn eine
Nachforschungspflicht des Betreibungsamtes nur gegeben sei, wenn konkrete
Hinweise auf anfechtbare Rechtshandlungen bestünden, würden diese hier
vorliegen: Solche Indizien müssten im möglicherweise anfechtbaren Verkauf
einer Liegenschaft des Schuldners an dessen Ehefrau gesehen werden sowie im
Umstand, dass der Schuldner in Italien in erster Instanz wegen betrügerischem
Konkurs und krimineller Organisation verurteilt worden sei.

Bezüglich des erwähnten Liegenschaftsverkaufs liegt der Beschwerdeführerin
der Kaufvertrag aus dem Jahr 2000 vor. Gemäss den Feststellungen der
kantonalen Aufsichtsbehörde entspricht der Kaufpreis der von der Erwerberin
übernommenen Grundpfandschuld. Dass sie darüber hinaus nähere Auskünfte über
den genauen Hergang dieser Liegenschaftsübertragung anbegehrt, macht die
Beschwerdeführerin nicht geltend. Allein der möglicherweise anfechtbaren
Liegenschaftsveräusserung lassen sich indes keine Hinweise auf andere - vom
Hausverkauf unabhängige - Rechtshandlungen entnehmen. Gleiches gilt für die
strafrechtliche Verurteilung des Schuldners, soweit sich daraus keine
konkreten Anhaltspunkte für verdächtige Verschiebungen in seinem
Privatvermögen ergeben. Jedenfalls hat die Aufsichtsbehörde das ihr
zustehende Ermessen nicht überschritten, wenn sie diese beiden Umstände nicht
als Anlass für weitere Abklärungen gewertet hat.

5.
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG),
und es darf keine Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2
GebV SchKG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Beschwerdegegner (X.________,
vertreten durch Fürsprecher Georg Friedli), dem Betreibungs- und Konkursamt
Emmental-Oberaargau, Dienststelle Aarwangen, und der Aufsichtsbehörde in
Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. August 2004

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Die Gerichtsschreiberin: