Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.8/2004
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6A.8/2004 /pai

Urteil vom 9. März 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Weissenberger.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jakob Rhyner,

gegen

Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung IV,
Unterstrasse 28, 9001 St. Gallen.

Vorsorglicher Führerausweisentzug,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung IV, vom 5.
Februar 2004.

Sachverhalt:

A.
Gemäss Rapport der Kantonspolizei St. Gallen vom 14. Juni 2003 soll
X.________ am 25. April 2003 von einem Asylbewerber Drogen bezogen haben. Da
X.________ bereits wegen Schmuggels von Betäubungsmitteln verzeichnet war,
wurde er auf den 5. Mai 2003 zur Polizeistation Buchs vorgeladen. Dabei gab
er an, dass er gelegentlich Marihuana-Produkte einnehme. Den Ankauf, Besitz
und Konsum von Kokain stellte er hingegen in Abrede. Am 25. April 2003 habe
er allein aus journalistischen Gründen Kontakt mit dem Asylbewerber gehabt.
Da die Polizei den Verdacht hatte, dass X.________ von diesem Mann
gelegentlich Kokain zum Eigenkonsum erwarb, ordnete sie die Abgabe einer
Urinprobe an. Diese erfolgte am 12. Mai 2003. Dabei stellte sich heraus, dass
sich im Urin von X.________ Rückstände von Kokain feststellen liessen. Der
Konsum von Cannabis wurde jedoch nicht bestätigt.

Auf Grund des Polizeirapports vom 14. Juni 2003 hegte das Strassenverkehrs-
und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen (nachfolgend: Strassenverkehrsamt)
Zweifel an der Fahreignung von X.________. Mit Zwischenverfügung vom 13.
Oktober 2003 bot es ihn deshalb zu einer bezirksärztlichen Untersuchung auf.
Im Bericht vom 4. November 2003 teilte der Bezirksarzt dem
Strassenverkehrsamt mit, dass die Fahreignung von X.________ aus ärztlicher
Sicht nicht uneingeschränkt bejaht werden könne, da er unwahre Aussagen
gegenüber der Polizei gemacht und der Urinprobe vom 26. Oktober 2003
Leitungswasser beigemischt habe. Trotz des Verdünnungseffekts sei die Probe
positiv auf THC getestet worden. Die Urinprobe vom 27. Oktober 2003 unter
Sichtabgabe sei hingegen negativ gewesen.

Mit Schreiben vom 10. November 2003 teilte das Strassenverkehrsamt X.________
mit, dass es auf Grund des Berichts des Bezirksarztes vom 4. November 2003
verstärkt Zweifel an seiner Fahreignung hege, weshalb es beabsichtige, ihn zu
einer spezialärztlichen Untersuchung aufzubieten. Für eine allfällige
Stellungnahme wurde X.________ eine Frist von 10 Tagen angesetzt. Ausserdem
hatte er innert fünf Tagen einen Kostenvorschuss von Fr. 700.-- zu zahlen.
Mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 8. Dezember 2003 bestritt X.________
die Notwendigkeit einer spezialärztlichen Untersuchung. Es bestünden keine
ernsthaften Anhaltspunkte dafür, dass er cannabis- oder kokainsüchtig sein
könnte. Andere Bedenken zu seiner Fahrtauglichkeit seien ebenfalls keine
auszumachen. Aus diesem Grund sei auf eine Administrativmassnahme zu
verzichten. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2003 teilte das
Strassenverkehrsamt dem Vertreter mit, dass es bereit wäre, auf eine
umfangreiche verkehrsmedizinische Abklärung der Fahreignung zu verzichten,
wenn X.________ bereit wäre, während drei Monaten Urinproben beim Institut
für Rechtsmedizin am Kantonsspital St. Gallen abzugeben. Anschliessend würde
die Situation neu beurteilt. Der Vertreter lehnte dies am 9. Januar 2004 ab.
In der Folge verfügte das Strassenverkehrsamt am 13. Januar 2004 einen
vorsorglichen Führerausweisentzug. Es verbot X.________ vorsorglich sofort,
Motorfahrzeuge aller Kategorien sowie aller Unter- und Spezialkategorien,
einschliesslich Motorfahrrädern, zu führen.

Gegen den vorsorglichen Führerausweisentzug legte X.________ am 19. Januar
2004 Rekurs bei der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen ein.
Diese wies den Rekurs am 5. Februar 2004 ab.

B.
X.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid
der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung IV, vom 5.
Februar 2004 aufzuheben. Eventualiter sei der Fall zu neuer Beurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen hat auf eine
Stellungnahme verzichtet, jedoch gleichzeitig die Abweisung der Beschwerde
beantragt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Führerausweis wurde dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 14 Abs. 3 des
Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 (SVG; SR 741.01) in Verbindung
mit Art. 35 Abs. 3 der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von
Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung,
VZV; SR 741.51), entzogen. Der vorsorgliche Führerausweisentzug gemäss Art.
35 Abs. 3 VZV stellt einen Zwischenentscheid im Rahmen des Verfahrens über
den Sicherungsentzug dar (BGE 122 II 359 E. 1a S. 361 f. mit Hinweisen).
Zwischenverfügungen letzter kantonaler Instanzen können mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur angefochten werden, wenn sie einen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 97 des Bundesgesetzes vom
16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege [OG; SR
173.110] in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 und Art. 45 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren [VwVG; SR 172.021]). Die
Zwischenverfügung über den vorsorglichen Ausweisentzug bewirkt offensichtlich
einen solchen Nachteil (BGE 122 II 359 E. 1b S. 362). Auf die fristgerecht
eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe offensichtlich falsch
festgestellt, er habe zwei Mal Kokain konsumiert. Bei richtiger
Sachverhaltsfeststellung (einmalige, unbewusste Kokaineinnahme) genügten die
übrigen Gesichtspunkte nicht für einen vorsorglichen Führerausweisentzug.

2.1 Gemäss Art. 17 Abs. 1bis SVG (in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 lit. b, c
und d SVG) wird der Führerausweis auf unbestimmte Zeit entzogen, wenn der
Führer wegen Trunksucht oder anderer Suchtkrankheiten, aus charakterlichen
oder anderen Gründen nicht geeignet ist, ein Motorfahrzeug zu führen (so
genannter Sicherungsentzug). Bis zur Klärung von Ausschlussgründen kann der
Führerausweis sofort vorsorglich entzogen werden (Art. 35 Abs. 3 VZV).

Der vorsorgliche Ausweisentzug kann nicht losgelöst vom eigentlichen
Entzugsverfahren verfügt werden, sondern nur bis zur "Abklärung von
Ausschlussgründen". Das bedeutet, dass er einzig im Rahmen des Verfahrens
über den Sicherungsentzug selber zulässig ist, womit die entsprechende
Verfügung einen Zwischenschritt auf dem Weg zur Endverfügung darstellt.

Bis zum rechtskräftigen Entscheid über die Frage der Anordnung eines
Sicherungsentzuges soll der Betroffene auch ohne strikten Nachweis von
Umständen, die seine Fahreignung ausschliessen, vom Verkehr ferngehalten
werden dürfen (BGE 122 II 359 E. 3a). Immerhin müssen Anhaltspunkte dafür
vorliegen, dass der Fahrzeugführer andere Verkehrsteilnehmer im Vergleich zu
den übrigen Fahrzeugführern in erhöhtem Masse gefährden könnte, würde er
während der Verfahrensdauer zum Verkehr zugelassen (BGE 106 Ib 115 E. 2b).

2.2 Zum Kokainkonsum des Beschwerdeführers erwägt die Vorinstanz, aus dem
Polizeirapport vom 14. Juni 2003 samt beigefügtem Laborbericht vom 15. Mai
2003 gehe hervor, dass die am 12. Mai 2003 entnommene Urinprobe auf Kokain
positiv ausgefallen sei. Der Beschwerdeführer behaupte, die Kokainrückstände
würden von einer unbewussten Kokaineinnahme anlässlich eines Wochenendes in
Zürich vom 3. und 4. Mai 2003 herrühren. Der durch Urinprobe vom 12. Mai 2003
nachgewiesene Kokainkonsum sei laut dem Labor-Bericht des Instituts für
Rechtsmedizin am Kantonsspital St. Gallen vom 15. Mai 2003 jedoch nur ein bis
zwei Tage vor der Urinentnahme erfolgt. Damit sei durch den Laborbericht  und
durch die Aussage des Beschwerdeführers je ein Kokainkonsum nachgewiesen
(angefochtenes Urteil, S. 4).

Inwiefern diese Feststellung offensichtlich unrichtig oder unvollständig im
Sinne von Art. 104 lit. b OG sein soll, ist unerfindlich. Der
Beschwerdeführer macht nicht geltend, die Vorinstanz habe seine Aussagen im
Verfahren falsch wiedergegeben. Das ist auch nicht ersichtlich.

2.3 Die Vorinstanz hat zutreffend angenommen, die Voraussetzungen für einen
vorsorglichen Führerausweisentzug seien erfüllt. Aus den bisherigen Akten
ergibt sich, dass der am 3. April 1978 geborene Beschwerdeführer zwei Mal
Kokain konsumiert hat. Ferner hat die am 26. Oktober 2003 durchgeführte
Urinprobe den Nachweis erbracht, dass er trotz des gegen ihn laufenden
Administrativverfahrens auch Cannabis konsumiert hat. Das spricht nach
zutreffender Auffassung der Vorinstanz für einen Mischkonsum beider
Betäubungsmittel. Nach der Fachliteratur und der sich auf ihr stützenden
Rechtsprechung können Cannabis- und Kokainkonsum zu einer Sucht führen, die
das sichere Führen von Motorfahrzeugen ausschliesst. Namentlich der Konsum
von Kokain kann rasch zu einer ausgeprägten psychischen Abhängigkeit führen
(BGE 120 Ib 305 E. 4 mit Hinweisen). Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang,
dass der Beschwerdeführer anlässlich der ersten Urinprobe Leitungswasser der
Probe beifügte. Die Vorinstanz interpretiert dies in nicht zu beanstandender
Weise dahingehend, dass der Beschwerdeführer einen vorgängigen Drogenkonsum
habe vertuschen wollen (angefochtenes Urteil, S. 5). Ferner hat die
Vorinstanz zutreffend angenommen, der Umstand, dass der Beschwerdeführer sich
während drei Monaten der Abgabe von Urinproben widersetzt habe, deute auf
seine Mühe hin, sich vom Drogenkonsum vollständig zu lösen. Schliesslich hat
der Bezirksarzt in seinem Bericht vom 4. November 2003 die Fahreignung des
Beschwerdeführers nur unter der Auflage einer streng kontrollierten
Drogenabstinenz befürwortet und ist damit offensichtlich von einem
verkehrsrelevanten Betäubungsmittelkonsum des Beschwerdeführers ausgegangen
(vgl. angefochtenes Urteil, S. 5).

Wenn die Vorinstanz bei dieser Ausgangslage und unter Hinweis auf Lehre und
Rechtsprechung zum Drogenkonsum erwägt, es bestünden ernsthafte Anhaltspunkte
dafür, dass der Beschwerdeführer cannabis- und vor allem kokainsüchtig sein
könnte, und dass der Mischkonsum ein erhebliches Indiz für einen
beträchtlichen Drogenkonsum darstelle, so ist dies bundesrechtlich nicht zu
beanstanden. Daraus durfte die Vorinstanz ableiten, dass vom Beschwerdeführer
eine erhebliche Verkehrsgefährdung ausgehe, weshalb der Führerausweis
vorsorglich zu entziehen sei. Angesichts des Drogenkonsums, des von Kokain
ausgehenden Suchtpotenzials sowie der Bemühung des Beschwerdeführers, die
Laborergebnisse zu verfälschen und die Abgabe von Urinproben möglichst lange
hinauszuzögern, liegen genügend Anhaltspunkte dafür vor, dass der
Beschwerdeführer andere Verkehrsteilnehmer im Vergleich zu den übrigen
Fahrzeugführern in erhöhtem Masse gefährden könnte, falls er während der
Verfahrensdauer zum Verkehr zugelassen bliebe (BGE 106 Ib 115 E. 2b). Unter
diesen Umständen besteht für das Bundesgericht kein Anlass, in das grosse
Ermessen der Vorinstanz einzugreifen, zumal mit einem medizinischen Gutachten
und damit auch mit dem Sachentscheid innert absehbarer Zeit gerechnet werden
kann.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der
Beschwerdeführer die Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Mit dem Entscheid
in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Verwaltungsrekurskommission
des Kantons St. Gallen, Abteilung IV, sowie dem Strassenverkehrs- und
Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Strassen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. März 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: