Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.77/2004
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6A.77/2004 /bri

Urteil vom 1. März 2005
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Kolly, Karlen,
Gerichtsschreiber Weissenberger.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, Postfach
760, 6301 Zug.

Wiedererteilung des Führerausweises unter Auflagen,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zug, Verwaltungs-rechtliche Kammer, vom 22. Oktober 2004.

Sachverhalt:

A.
X. ________ lenkte am 8. März 2002 seinen Personenwagen in stark
alkoholisiertem Zustand (Blutalkoholkonzentration minimal 2.57$ und maximal
3.11$). Aus diesem Grund verfügte die Sicherheits-direktion des Kantons Zug
am 30. Juli 2002 einen Sicherungsentzug des Führerausweises auf unbestimmte
Zeit, mindestens aber für die Dauer eines Jahres. Am 3. Juni 2003 erteilte
die Behörde X.________ den Führerausweis wieder unter der Auflage, eine
sechsmonatige ärztlich kontrollierte Alkoholabstinenz einzuhalten und
nachzuweisen, regelmässig die Laborwerte (CDT, Gamma-GT, GOT, GPT und MCV) zu
bestimmen und an Besprechungen bei einer Fachperson für Alkoholprobleme
teilzunehmen und schliesslich anfangs Dezember 2003 einen ärztlichen Bericht
über die Einhaltung der Alkoholabstinenz einzureichen.

Das ärztliche Zeugnis vom 14. Dezember 2003 bescheinigte einen stabilen und
erfreulichen Verlauf der Begleittherapie. Es hielt fest, dass die Laborwerte
konstant im normalen Bereich lägen und keine Hinweise auf Rückfälle
bestünden. Eventuell komme eine Aufhebung der Auflagen in Betracht. Die
Sicherheitsdirektion liess darauf beim Institut für Rechtsmedizin der
Universität Zürich abklären, ob die Auflagen weiterzuführen seien. Das
Aktengutachten des Instituts vom 15. Januar 2004 hielt fest, dass eine
Entlassung von X.________ aus der verkehrsmedizinischen Kontrolle verfrüht
wäre und zuerst eine weitere Stabilisierung nachzuweisen sei. Gestützt auf
dieses Gutachten verfügte die Sicherheitsdirektion am 24. Februar 2004 die
Weiterführung der bei der Wiedererteilung des Führerausweises angeordneten
Auflagen. Die von X.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Zug am 22. Oktober 2004 ab.

B.
X. ________ reicht gegen den zuletzt genannten Entscheid eine
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht ein. Er beantragt, es sei
der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das
Verwaltungsgericht zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das ebenfalls zur
Vernehmlassung eingeladene Bundesamt für Strassen stellt den Antrag auf
Gutheissung der Beschwerde und Rückweisung der Sache an das
Verwaltungsgericht zur Neubeurteilung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Parlament verabschiedete am 14. Dezember 2001 die Teilrevision des
Strassenverkehrsgesetzes (vgl. BBl 1999, S. 4462; AS 2002; S. 2767 ff.). Die
revidierten Bestimmungen zum Sicherungsentzug sind am 1. Januar 2005 in Kraft
getreten (AS 2004, S. 2849). Das Urteil des Verwaltungsgerichts erging noch
unter der Herrschaft des alten Rechts. Die Übergangsbestimmungen zur
genannten Gesetzesrevision sehen nicht vor, dass für die Fortführung einer
Massnahme, die unter dem früheren Recht begonnen wurde, die neuen Regeln
anwendbar wären. Da auch keine zwingenden Gründe für eine sofortige Anwendung
des neuen Rechts bestehen (BGE 112 Ib 39 E. 1c S. 42), ist der vorliegende
Fall nach altem Recht zu beurteilen. Das Bundesgericht hat somit nur zu
prüfen, ob der angefochtene Entscheid im Zeitpunkt, als er gefällt wurde, mit
dem damals geltenden Bundesrecht im Einklang steht.

Die Frage nach dem anwendbaren Recht ist hier freilich ohne praktische
Bedeutung. Denn nach einem Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit sieht das
neue Recht (Art. 17 Abs. 3 SVG) gleich wie das alte (Art. 17 Abs. 3 aSVG)
eine Wiedererteilung unter Auflagen vor. Zur umstrittenen Frage, wie solche
Auflagen auszugestalten und wie lange sie aufrechtzuerhalten sind, stellt das
Gesetz auch in der neuen Fassung keine Regeln auf. Es bestehen keine
Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber mit der Revision in dieser Hinsicht etwas
ändern wollte (vgl. Botschaft zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes vom
31. März 1999, BBl 1999, S. 4492).

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe über zwei Jahre eine ärztlich
kontrollierte Alkoholabstinenz eingehalten und die Verlaufsberichte seien
durchwegs positiv. Unter diesen Umständen sei es unverhältnismässig, von ihm
weiterhin die Erfüllung von Auflagen zu verlangen, die pro Jahr über CHF
2'000 kosteten. Als mit dem Existenzminimum lebender geschiedener Ehemann und
Vater von drei unmündigen Kindern könne er sich die Bezahlung dieser Kosten
nicht leisten. Mit der beschlossenen Weiterführung der Auflagen verletze das
Verwaltungsgericht das ihm in diesem Bereich zustehende Ermessen.

2.1 Die Wiedererteilung des Führerausweises nach einem Sicherungsentzug kann
mit Auflagen verbunden werden (Art. 17 Abs. 3 SVG in der alten und neuen
Fassung). Solche Nebenbestimmungen dienen dazu, Unsicherheiten beim Nachweis
Rechnung zu tragen, dass die Alkoholabhängigkeit oder andere Süchte, welche
die Fahreignung ausschliessen, tatsächlich behoben sind. Auflagen müssen auf
die konkreten Umstände angepasst und verhältnismässig sein (BGE 125 II 289 E.
2b S. 292).

Beim Beschwerdeführer wurde nach dem Vorfall vom 8. März 2002 ein länger
dauernder Alkoholmissbrauch festgestellt und deshalb ein Sicherungsentzug auf
unbestimmte Zeit verfügt. In solchen Fällen kommt die Wiedererteilung des
Führerausweises frühestens nach Ablauf einer mindestens einjährigen Probezeit
und bei Nachweis einer mindestens einjährigen kontrollierten Alkoholabstinenz
in Frage (BGE 129 II 82 E. 2.2 S. 84). Die Wiedererteilung wird zudem
regelmässig mit Auflagen verbunden, da die dauerhafte erfolgreiche
Überwindung der Sucht einer 4-5jährigen Behandlung und Kontrolle bedarf (vgl.
Rolf Seeger, Probleme der Verkehrsmedizin, Fahreignung und Alkohol, Institut
für Rechtsmedizin der Universität Zürich, 1999, S. 16 f.).

Der Beschwerdeführer bestreitet zu Recht nicht, dass die Wieder-erteilung
seines Führerausweises am 3. Juni 2003 an Auflagen geknüpft werden durfte. Er
stellt sich jedoch auf den Standpunkt, er habe eine genügend lange
kontrollierte Alkoholabstinenz nach-gewiesen, weshalb die Auflagen aufzuheben
seien. Bei seiner Argumentation übersieht er jedoch, dass die gemäss der oben
zitierten Rechtsprechung verlangte Abstinenz von einem Jahr bloss die
Voraussetzung für die Wiedererteilung des Ausweises ist. Sie schliesst nicht
aus, bei der Wiedererteilung mittels Auflagen die Einhaltung einer
verkehrsmedizinisch kontrollierten Abstinenz weiterhin zu verlangen. Nach dem
Merkblatt "Führerausweis und Alkohol: Nachweis der Alkoholabstinenz" der
Sicherheitsdirektion Zug und des Instituts für Rechtsmedizin der Universität
Zürich bedarf es nach der Wieder-erteilung des Führerausweises noch während
mindestens dreier Jahre einer verkehrsmedizinisch kontrollierten
Alkoholtotalabstinenz. Im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids hatte der
Beschwerdeführer noch nicht einmal die Hälfte dieser dreijährigen
Bewährungszeit und im Zeitpunkt des Erlasses der ihm zu Grunde liegenden
Verfügung vom 24. Februar 2004 nicht einmal einen Drittel erfüllt. Nach einer
so kurzen Periode seit der Wiedererteilung kann eine Aufhebung der Auflagen
ohne nähere Prüfung des Einzelfalls abgelehnt werden, wie dies denn auch im
Aktengutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich vom 15.
Januar 2004 empfohlen wird. Die Be-schwerde erweist sich daher als
unbegründet, soweit damit die vollständige Aufhebung der Auflagen verlangt
wird.

2.2 Es fragt sich indessen, ob die am 24. Februar 2004 verfügten Auflagen im
Blick auf den bisherigen positiven Behandlungsverlauf nicht gelockert werden
können, zumal der Beschwerdeführer geltend macht, dass ihn diese Kosten für
die Untersuchungen, Besprechungen und Berichte finanziell stark belasteten.

Das Bundesamt für Strassen weist in seiner Vernehmlassung darauf hin, dass es
angesichts der positiven Entwicklung des Beschwerdeführers unverhältnismässig
erscheine, weiterhin die auflageweise angeordneten Massnahmen in ihrer vollen
Tragweite aufrechtzuerhalten. In der Tat fällt auf, dass die
Sicherheitsdirektion am 24. Februar 2004 die Bestimmung der Laborwerte alle
6-8 Wochen und einen halbjährlichen ärztlichen Zwischenbericht verlangt.
Selbst nach dem zitierten Merkblatt ist jedoch nach dem erstmaligen
Verlaufsbericht nach 6 Monaten lediglich noch die jährliche Einreichung
solcher Berichte vorgesehen. Zudem erscheint es aus verkehrsmedizinischer
Sicht vertretbar, die Laborbestimmungen in einer späteren Behandlungsphase
nur noch in grösseren Zeiträumen als 6-8 Wochen vorzunehmen (vgl. Seeger,
a.a.O., S. 18, wonach eine dreimonatliche Kontrolle genügt). Gründe für die
strikte Fortführung der ursprünglich verfügten Auflagen werden im
angefochtenen Entscheid keine gegeben. Auch aus den Akten sind solche nicht
ersichtlich. Im Gegenteil regt der Arzt in seinem Bericht vom 14. Dezember
2004 "evtl. die Entlassung aus den Auflagen" an. Unter diesen Umständen
erscheinen die am 24. Februar 2004 verfügten Auflagen unverhältnismässig.

2.3 Die Beschwerde erweist sich demnach teilweise als begründet. Der
angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben und die Sache an die
Sicherheitsdirektion des Kantons Zug zurückzuweisen (Art. 114 Abs. 2 OG).
Diese wird bei ihrem neuen Entscheid den oben stehenden Erwägungen, aber auch
der seitherigen Entwicklung des Beschwerdeführers Rechnung zu tragen haben.

3.
Angesichts dieses Verfahrensausgangs und der angespannten finanziellen
Verhältnisse des Beschwerdeführers rechtfertigt es sich, auf die Erhebung von
Kosten zu verzichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen.

Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 22. Oktober 2004
wird aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Sicherheitsdirektion
des Kantons Zug zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, sowie der Sicherheitsdirektion des
Kantons Zug und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. März 2005

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: