Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.50/2004
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6A.50/2004
6P.103/2004 /pai

Urteil vom 11. Januar 2005
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

6P.103/2004
X.________,
Beschwerdeführer,

und

6A.50/2004
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Raess,

gegen

Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht,
Bäumleingasse 1, 4051 Basel.

6P.103/2004
Art. 9 und 29 Ziff. 1 und 3 BV (bedingte Entlassung aus dem
Verwahrungsvollzug),

6A.50/2004
bedingte Entlassung aus dem Verwahrungsvollzug
(Art. 45 StGB),

staatsrechtliche Beschwerde und Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das
Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als
Verwaltungsgericht vom 13. April 2004.

Sachverhalt:

A.
X. ________ wurde am 4. März 1988 vom Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt wegen wiederholter und fortgesetzter qualifizierter Notzucht,
einfacher Notzucht, wiederholter und qualifizierter Nötigung zu einer
unzüchtigen Handlung, wiederholten Raubs, einfacher Körperverletzung mit
einem gefährlichen Werkzeug, fortgesetzter Drohung sowie wiederholter und
fortgesetzter versuchter und vollendeter Nötigung zu einer achtjährigen
Zuchthausstrafe verurteilt. Anstelle des Vollzugs der Zuchthausstrafe wurde
die Verwahrung nach Art. 42 StGB auf unbestimmte Zeit angeordnet.

Mit Entscheid vom 23. April 1991 wurde X.________ auf den 25. Mai 1991
bedingt aus der Verwahrung entlassen. Am 21. November 1995 sprach ihn das
Kantonsgericht St. Gallen der sexuellen Handlung mit einem Kind schuldig und
verurteilte ihn zu zwei Jahren Gefängnis. Die Strafe wurde zu Gunsten der
Verwahrung nach Art. 42 StGB aufgeschoben. Die auf den 25. Mai 1991 gewährte
bedingte Entlassung wurde am 28. November 1996 wegen Rückfalls während der
Probezeit widerrufen und X.________ in den Verwahrungsvollzug zurückversetzt.

Am 25. November 2002 verweigerte die Strafvollzugskommission Basel-Stadt die
bedingte Entlassung X.________s. Dieser Entscheid wurde am 16. Mai 2003 vom
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (als Verwaltungsgericht) und am
8. Dezember 2003 vom Bundesgericht (6A.59/2003) bestätigt.

B.
Die Strafvollzugskommission Basel-Stadt lehnte am 20. November 2003 im Rahmen
der jährlichen Überprüfung die bedingte Entlassung X.________s erneut ab. Auf
dessen Rekurs ist das Appellationsgericht (als Verwaltungsgericht) am 13.
April 2004 nicht eingetreten.

X. ________ führt persönlich staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht.
Sein Anwalt reicht ausserdem Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Mit beiden
Rechtsmitteln wird beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und
die Vorinstanz anzuweisen, den Rekurs vom 15. Dezember 2003 materiell zu
behandeln. Überdies verlangt X.________ in seiner persönlichen Eingabe den
Ausstand der kantonalen Richter für den Fall, dass die Angelegenheit zur
neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
Das Appellationsgericht (als Verwaltungsgericht) ersucht in seiner
Vernehmlassung um Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer hat persönlich (und nicht durch seinen Anwalt)
staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingelegt. Die entsprechende
Eingabe entbehrt jeglicher Auseinandersetzung mit dem angefochtenen
Entscheid. In der Sache erhebt der Beschwerdeführer - abgesehen vom nicht für
dieses Verfahren gestellten Ausstandsbegehren - keine anderen Rügen als in
der vom Anwalt eingereichten und hier zulässigen
Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 5 VwVG, Art. 97, 98 lit. g, 100 lit. f [e
contrario] OG; BGE 122 IV 8 E. 1, mit Hinweisen). Sämtliche Vorbringen des
Beschwerdeführers sind daher im Rahmen dieses Rechtsmittels zu prüfen. Auf
die staatsrechtliche Beschwerde ist mithin nicht einzutreten (Art. 84 Abs. 2
OG).

2.
Nach dem Dafürhalten der Vorinstanz wirft der Beschwerdeführer im Rahmen des
mit dem angefochtenen Entscheid abgeschlossenen Rekursverfahrens die genau
gleichen Fragen auf wie ein Jahr zuvor, ohne die seitherige Entwicklung zu
thematisieren bzw. veränderte Verhältnisse geltend zu machen. Aus diesem
Grund geht die Vorinstanz von der bindenden Wirkung ihres letztjährigen
Entscheids vom 16. Mai 2003 aus und sieht von einer erneuten materiellen
Behandlung des Rekurses des Beschwerdeführers ab.

2.1 Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst, dass der Streitgegenstand der
beiden Rekursverfahren identisch sei. Insbesondere treffe nicht zu, dass sich
die Vorinstanz in ihrem Entscheid vom 16. Mai 2003 mit der Rüge
auseinandergesetzt habe, es fehle an einem aktuellen, sich zur Rückfallgefahr
äussernden Gutachten. Die Vorinstanz hätte daher auf seinen diesjährigen
Rekurs eintreten müssen.

Diese Kritik verkennt, dass sich die im angefochtenen Entscheid
wiedergegebene Passage aus dem Urteil vom 16. Mai 2003 mit den vorliegend
aufgeworfenen Fragen ausdrücklich befasst. Auch wenn es in dieser Hinsicht
zwar zutrifft, dass das Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik
Basel (PUK) vom 4. März 2002 - welches der Vorinstanz als massgebliche
Entscheidgrundlage diente - die Rückfallgefahr des Beschwerdeführers nicht
direkt beurteilt, geht aus den gutachterlichen Erwägungen doch klar hervor,
dass eine solche Gefahr zu bejahen ist. Darauf stellte die Vorinstanz bei
ihrer Entscheidfindung am 16. Mai 2003 auch ab, wobei sie in der
Stellungnahme der PUK ein aktuelles Gutachten sah.

Aus diesen Ausführungen erhellt, dass entgegen der Ansicht des
Beschwerdeführers Identität des Streitgegenstands besteht. Dessen Rüge
erweist sich somit als unbegründet.

2.2 Sodann leitet der Beschwerdeführer aus Art. 45 Ziff. 1 StGB einen
umfassenden Anspruch auf wiederholte Prüfung der gleichen Frage ab. Bereits
geprüfte Aspekte müssten im Rahmen der nächsten Jahresprüfung - ungeachtet,
ob veränderte Verhältnisse eingetreten seien - erneut uneingeschränkt zur
Diskussion gestellt werden können.
Praxisgemäss besteht kein Anspruch auf Wiedererwägung von rechtskräftigen
negativen Verwaltungsentscheiden, wenn kurz nach einem abweisenden Entscheid
erneut ein identisches Gesuch eingereicht wird (BGE 120 Ib 42 E. 2b S. 47;
vgl. auch BGE 100 I 368 E. 3a S. 372; Ulrich Häfelin/Georg Müller,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich 2002, S. 380 N. 1831; Alfred
Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des
Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 156 N. 425).
Die Frage, ob Art. 45 Ziff. 1 StGB einen solchen Anspruch einräumt, kann
vorliegend offen bleiben. Denn die Vorinstanz hat mit der auszugsweisen
Wiedergabe ihres früheren Entscheids vom 16. Mai 2003 deutlich kundgetan,
dass sie ihre damalige Einschätzung hinsichtlich der vom Beschwerdeführer
ausgehenden Gemeingefährlichkeit weiterhin aufrecht erhält. Dieser hätte sich
daher - wollte man einen Anspruch auf erneute Prüfung des gleichen
Sachverhalts bejahen - anhand der im angefochtenen Entscheid gegebenen
Begründung ohne weiteres in der Sache zur Wehr setzen können. Dies hat er
indes nicht getan. Im Ergebnis kann daher nicht davon gesprochen werden, dass
die Vorinstanz durch ihren Nichteintretensentscheid den Gehörsanspruch des
Beschwerdeführers verletzte.

3.
Soweit der Beschwerdeführer schliesslich geltend macht, die zwölfjährige
Verwahrung erweise sich mit Blick auf die ausgefällte Gefängnisstrafe von
lediglich zwei Jahren als unverhältnismässig, übersieht er, dass die
Verwahrung keine Strafe ist, sondern eine sichernde Massnahme, die den Schutz
der Allgemeinheit vor einem gefährlichen Straftäter bezweckt. Dementsprechend
steht die Dauer der Verwahrung nicht in einem bestimmten Verhältnis zur
ausgefällten Strafe, sondern hängt in erster Linie von der Zeit ab, die zur
Besserung des Täters, namentlich zur Verringerung seiner Gefährlichkeit,
notwendig ist (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 6A.59/2003 vom 8. Dezember
2003 E. 4).

4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich demnach als unbegründet und
ist abzuweisen.

Gemäss dem Verfahrensausgang wird das nicht für das bundesgerichtliche
Verfahren gestellte Ausstandsbegehren des Beschwerdeführers gegenstandslos.

Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Art.
152 OG). Seine finanzielle Bedürftigkeit ist ausgewiesen. Da die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht in allen Teilen von vornherein
aussichtslos erschien, kann dem Gesuch teilweise stattgegeben werden. Von
einer Kostenauflage ist demnach abzusehen und dem Vertreter des
Beschwerdeführers eine reduzierte Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse
auszurichten. Hingegen kann das entsprechende Gesuch für die staatsrechtliche
Beschwerde wegen Aussichtslosigkeit nicht bewilligt werden. Der
Beschwerdeführer wird damit an sich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).
Ausnahmsweise ist auf die Kostenerhebung jedoch zu verzichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird für das Verfahren der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde teilweise gutgeheissen, ansonsten wird es
abgewiesen.

4.
Es werden keine Kosten erhoben.

5.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird mit Fr. 1'000.-- aus der
Bundesgerichtskasse entschädigt.

6.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, seinem Rechtsvertreter und dem
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht sowie dem
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Januar 2005

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: