Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.43/2004
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6A.43/2004 /kra

Urteil vom 2. September 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Weissenberger.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Probst,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 1. Kammer, Obere Vorstadt 40, 5001
Aarau.

Entzug des Führerausweises,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau, 1. Kammer, vom 18. März 2004.

Sachverhalt:

A.
X.  ________ fuhr am 18. Oktober 2002 auf der Autobahn A3 in Mumpf in
Fahrtrichtung Zürich auf dem Überholstreifen. Er näherte sich dem vorderen
Fahrzeug auf ca. 7-10 m und hielt diesen Abstand über eine Strecke von rund
1,6 km bei einer Geschwindigkeit von 120 km/h aufrecht.

B.
Gestützt auf diesen Sachverhalt wurde X.________ mit Strafbefehl des
Bezirksamtes Rheinfelden vom 31. Oktober 2002 des ungenügenden Abstandes beim
Hintereinanderfahren gestützt auf Art. 34 Abs. 4 SVG sowie Art. 12 Abs. 1 VRV
schuldig erklärt und in Anwendung von Art. 90 Ziff. 2 SVG und Art. 48 Ziff. 2
StGB zu einer Busse von Fr. 300.-- verurteilt. Der Strafbefehl blieb
unangefochten und erwuchs in Rechtskraft.

Mit Verfügung vom 8. Mai 2003 entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons
Aargau X.________ den Führerausweis gestützt auf Art. 16 Abs. 3 und Art. 17
SVG für zwei Monate. Das Departement des Innern des Kantons Aargau wies die
von X.________ dagegen erhobene Beschwerde am 26. August 2003 ab. Mit Urteil
vom 18. März 2004 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau die
Beschwerde von X.________ ab.

C.
X. ________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Hauptantrag, das
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 18. März 2004
aufzuheben und von einem Führerausweisentzug abzusehen. Eventualiter ersucht
er darum, den Führerausweisentzug auf einen Monat festzusetzen.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau verzichtet auf eine Stellungnahme
zur Beschwerde und verweist auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Nach Art. 24 Abs. 2 SVG (SR 741.01) ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über Führerausweisentzüge
zulässig. Auf die fristgerecht eingereichte Beschwerde ist grundsätzlich
einzutreten.

1.2  Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von
Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens,
nicht aber Unangemessenheit gerügt werden (Art. 104 OG). Nachdem als
Vorinstanz eine richterliche Behörde entschieden hat, ist das Bundesgericht
an die Feststellung des Sachverhaltes gebunden, soweit dieser nicht
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist (Art. 105 Abs. 2 OG).

Der Beschwerdeführer weicht in seiner Eingabe wiederholt vom Sachverhalt ab,
den die Vorinstanz festgestellt hat, vor allem indem er ihn ergänzt. Das
betrifft insbesondere die Umstände bzw. die Gründe für das Auffahren auf das
vordere Fahrzeug (angeblich zu spätes Ausschalten des Tempomats, kurzes
Wechseln des vorderen Fahrzeuges von der Überholspur auf die Normalspur und
wieder zurück auf die Überholspur), die Leistung der Bremsanlage seines
Fahrzeuges sowie die Dichte des Verkehrsaufkommens zur Zeit des Vorfalls. Der
Beschwerdeführer legt nicht dar, dass und inwiefern die Feststellungen im
angefochtenen Urteil unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften
zustande gekommen sein sollen. Dies ist auch nicht ersichtlich. Auf die sich
faktisch gegen die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz richtenden
ergänzenden Vorbringen des Beschwerdeführers zum Sachverhalt ist nicht
einzutreten.

1.3  Die Strafbehörden kannten die massgeblichen Tatsachen nicht besser als
die Administrativbehörden, weshalb diese in Bezug auf die Rechtsanwendung
nicht an die rechtliche Qualifikation des Sachverhalts im Strafbefehl
gebunden waren (vgl. BGE 119 Ib 158 E. 2c/bb S. 164 mit Hinweis). Die
Vorinstanzen konnten daher insbesondere den Grad des Verschuldens des
Beschwerdeführers frei würdigen.

2.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz hätte auf die Anordnung eines
Führerausweisentzugs ganz verzichten, eventuell auf einen Führerausweisentzug
für die Dauer nur eines Monats erkennen müssen.

2.1  Gegenüber allen Strassenbenützern ist ein ausreichender Abstand zu
wahren, namentlich beim Hintereinanderfahren (Art. 34 Abs. 4 SVG). Diese
Pflicht soll sicherstellen, dass bei überraschendem Abbremsen des
voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig angehalten werden kann (vgl. Art. 12
Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11]).
Den genannten Bestimmungen kommt grosse Bedeutung zu, weil Unfälle zahlreich
sind, in denen ein zweites Fahrzeug nicht genügend Abstand zum ersten
einhielt (BGE 115 IV 248 E. 3a mit Hinweis).

Gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG kann der Führerausweis entzogen werden, wenn der
Führer Verkehrsregeln verletzt und dadurch den Verkehr gefährdet oder andere
belästigt hat (Satz 1). In leichten Fällen kann eine Verwarnung ausgesprochen
werden (Satz 2). Nach Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG muss der Führerausweis
entzogen werden, wenn der Führer den Verkehr in schwerer Weise gefährdet hat.
Das Gesetz unterscheidet somit den leichten Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG),
den mittelschweren Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 SVG) und den schweren Fall
(Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG).

Nach der Rechtsprechung kann auf die Anordnung des Führerausweisentzugs
grundsätzlich nur verzichtet werden, wenn der Fall leicht im Sinne von Art.
16 Abs. 2 Satz 2 SVG ist. Die Voraussetzungen für die Annahme eines leichten
Falles im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG ergeben sich aus Art. 31 Abs. 2
Satz 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum
Strassenverkehr (VZV; SR 741.51). Nach dieser Bestimmung kann eine Verwarnung
verfügt werden, wenn die Voraussetzungen für den fakultativen Entzug gemäss
Art. 31 Abs. 1 VZV erfüllt sind und der Fall nach dem Verschulden und dem
Leumund als Motorfahrzeugführer leicht erscheint. Der leichte Fall im Sinne
von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG setzt somit kumulativ ein leichtes Verschulden
und einen guten automobilistischen Leumund des fehlbaren Fahrzeuglenkers
voraus. Fehlt es an einem leichten Verschulden, fällt die Annahme eines
leichten Falles ausser Betracht, auch wenn der automobilistische Leumund
ungetrübt ist (vgl. zuletzt BGE 128 II 282).

Bei einem mittelschweren Fall kommt ein Verzicht auf den Führerausweisentzug
lediglich in Betracht, sofern besondere Umstände vorliegen, wie sie in BGE
118 Ib 229 gegeben waren (vgl. auch BGE 123 II 106 E. 2b S. 111). Nur
besondere Umstände, wie z.B. die Anwendung von Art. 66bis StGB (BGE 118 Ib
229), können gegebenenfalls auch bei einem mittelschweren Fall zum Verzicht
auf den Ausweisentzug führen (BGE 126 II 202 E. 1b S. 205). Die berufliche
Angewiesenheit des Betroffenen auf ein Motorfahrzeug ist bei der Bemessung
der Entzugsdauer zu berücksichtigen (BGE 128 II 285).

2.2  Der Beschwerdeführer hat bei relativ dichtem Verkehr und mit hoher
Geschwindigkeit auf einer verhältnismässig langen Strecke von 1,6 km einen
viel zu geringen Abstand zum voranfahrenden Fahrzeug eingehalten. Bei der
kleinsten Verzögerung des bedrängten Fahrzeuges war die Gefahr gross, dass er
nicht mehr rechtzeitig hätte reagieren können und entweder mit dem
Vorderfahrzeug kollidiert wäre oder ein gefährliches Ausweichmanöver hätte
durchführen müssen. Der Umstand, dass er angeblich durch die Heckscheibe des
Vorderfahrzeuges sehen und die vor diesem liegenden Fahrstrecke überblicken
konnte, ändert nichts daran, dass ihm der zu geringe Abstand bei einem
Abbremsen des Vorderfahrzeugs eine in Sekundenbruchteilen sich bemessende
Reaktion abverlangt hätte. Ein derartiges Reaktionsvermögen und damit ein
rechtzeitiges und sicheres Abbremsen ist jedoch kaum zu gewährleisten. Zu
berücksichtigen ist ferner, dass der Fahrer des Vorderfahrzeugs sich durch
den ihm auf 7-10 m folgenden Beschwerdeführer hätte bedrängt fühlen und
deshalb zu einem gefährlichen Ausscheren auf die linke Fahrspur oder gar zu
einer abrupten Herabsetzung seiner Geschwindigkeit hätte veranlasst sehen
können. Dass dem Beschwerdeführer die Einhaltung eines genügenden Abstandes
auf Grund der Umstände objektiv gar nicht möglich gewesen wäre, wird von der
Vorinstanz nicht festgestellt. Dies ist beim festgestellten Tathergang auch
nicht erkennbar. Selbst bei dichtem Verkehr ist es einem Fahrzeuglenker
regelmässig möglich, einen hinreichenden Abstand zu dem auf der gleichen Spur
vor ihm herfahrenden Fahrzeug einzuhalten. Die Vorinstanz hat deshalb und
angesichts der langen Strecke zutreffend und ohne Bundesrecht zu verletzen
angenommen, der Beschwerdeführer sei vorsätzlich zu nahe auf das
Vorderfahrzeug aufgefahren. Ausgehend davon ist die Würdigung des
Verschuldens des Beschwerdeführers durch die Vorinstanz als schwer und die
Bejahung eines schweren Falles, der nach Art. 16 Abs. 3 lit. a und Art. 17
Abs. 1 lit. a SVG zwingend den Entzug des Führerausweises für mindestens
einen Monat zur Folge hat, nicht zu beanstanden.

2.3  Zu prüfen bleibt, ob die Dauer des Führerausweisentzugs von zwei Monaten
vor Bundesrecht standhält.

2.3.1  Die Vorinstanz geht bei der Festsetzung der Massnahmedauer von einem
schweren Verschulden des Beschwerdeführers aus. Leicht massnahmemindernd
berücksichtigt sie seinen ungetrübten automobilistischen Leumund und seine
aus beruflichen Gründen höchstens leicht erhöhte Massnahmempfindlichkeit.
Ausgehend davon und in Abwägung der Zumessungskriterien gemäss Art. 33 Abs. 2
VZV erachtet sie die Entzugsdauer von zwei Monaten als angemessen und
verhältnismässig (angefochtenes Urteil, S. 12 f.).
2.3.2  Massgebend für die Bemessung der Dauer des Führerausweisentzugs sind
vor allem die Schwere des Verschuldens, der Leumund als Motorfahrzeugführer
sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen (Art. 33 Abs.
2 VZV). Alle Umstände sind dabei gesamthaft zu würdigen, und es ist im
Einzelfall die Entzugsdauer so festzusetzen, dass die mit der Massnahme
beabsichtigte erzieherische und präventive Wirkung am besten erreicht wird.
Den kantonalen Behörden steht bei der Bemessung der Entzugsdauer ein weiter
Spielraum des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn dieses
Ermessen überschritten oder missbraucht wurde. Dies ist namentlich der Fall,
wenn die kantonalen Behörden einzelne Umstände zu Unrecht ganz ausser Acht
lassen oder in einer unhaltbaren Weise gewichten (BGE 128 II 173 E. 4b).

2.3.3  Das Verschulden des Beschwerdeführers ist wie bereits dargelegt
gravierend. Mit seiner Fahrweise hat er die Vorschrift von Art. 34 Abs. 4
SVG, wonach gegenüber allen Strassenbenützern ein ausreichender Abstand zu
wahren ist, aufs gröbste verletzt und rücksichtslos gehandelt. Ausgehend
davon durfte die Vorinstanz ohne Bundesrecht zu verletzen annehmen, die Dauer
des Führerausweisentzugs müsse mehr als das Doppelte der Mindestentzugsdauer
betragen. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, die Vorinstanz habe
seinen langjährigen ungetrübten automobilistischen Leumund und seine
höchstens leicht erhöhte Massnahmeempfindlichkeit unzureichend gewertet. Die
Vorinstanz legt zwar nicht dar, in welchem Umfang es diese mindernden
Faktoren berücksichtigt. Bei einer Gesamtwürdigung aller massgebenden
Gesichtspunkte wird eine Dauer von zwei Monaten jedoch allen Umständen
gerecht und erscheint nicht übermässig hart. Eine Ermessensverletzung ist zu
verneinen.

3.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer
die Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau, 1. Kammer, sowie dem Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. September 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: