Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.36/2004
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6A.36/2004 /bri

Urteil vom 4. August 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Kolly, Karlen,
Gerichtsschreiber Monn.

René Osterwalder,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Gehrig,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Amts-leitung, Feldstrasse 42, 8090
Zurich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, Militärstrasse 36,
Postfach, 8021 Zürich.

Anordnung eines psychiatrischen Gutachtens (probe-weise Entlassung aus der
Verwahrung); Art. 43/45 StGB,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 4. Abtei-lung, vom 3. Mai 2004.

Sachverhalt:

A.
René Osterwalder wurde am 19. Mai 1998 durch das Geschworenengericht des
Kantons Zürich unter anderem wegen mehrfachen versuchten Mordes, mehrfacher
schwerer Körperver-letzung, mehrfacher sexuellen Handlungen mit Kindern und
mehr-facher Schändung zu siebzehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Gestützt auf
ein Gutachten von Professor Volker Dittmann vom 6. Januar 1997, in welchem
René Osterwalder eine hohe Rückfallgefahr bescheinigt und trotz ungewisser
Erfolgsaussichten eine lang dauernde thera-peutische Behandlung vorgesehen
wurde, ordnete das Gericht die Verwahrung im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2
StGB an und schob den Vollzug der Zuchthausstrafe auf.

René Osterwalder lehnt seit Oktober 2001 die psychologische Be-treuung durch
den Psychiatrisch-Psychologischen Dienst (PPD) der Strafanstalt Pöschwies ab.
Er hat sodann dessen Mitarbeiter nicht von der Schweigepflicht gegenüber der
für die probeweise Entlassung zuständigen Behörde entbunden. Der PPD ist
deshalb nicht in der Lage, im Verfahren auf Überprüfung der probeweisen
Entlassung einen Bericht abzugeben.

Im Rahmen der jährlichen Überprüfung 2002 wünschte René Osterwalder eine neue
Begutachtung, da Gott ihn durch Jesus Christus errettet und seine Sexualität
nachhaltig korrigiert habe und er durch den Zugang zu Gott seine Sexualität
habe therapieren können. Der Sonderdienst des Amtes für Justizvollzug des
Kantons Zürich gab dem Gesuch keine Folge und verneinte mit Entscheid vom 5.
August 2002, dass die Voraussetzungen für eine probeweise Entlassung erfüllt
seien.

B.
Im Rahmen der Überprüfung 2003 verlangte René Osterwalder, der weiterhin
jegliche Therapie verweigert, wiederum ein neues Gutachten. Eine probeweise
Entlassung wurde durch den Sonderdienst am 17. Oktober 2003 abgelehnt.

René Osterwalder, inzwischen anwaltlich vertreten, reichte Rekurs ein mit dem
Antrag auf Einholung eines neuen psychiatrischen Gutachtens zur Frage seiner
Gemeingefährlichkeit. Ein Gesuch um probeweise Entlassung stellte er nicht.
Die zuständige Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich wies
den Rekurs am 15. Januar 2004 ab.

René Osterwalder erhob Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich.
Er verlangte wiederum ein neues Gutachten. Das Verwaltungsgericht ging davon
aus, er verlange ein neues Gutachten im Hinblick auf eine probeweise
Entlassung, auch wenn er diese nicht formell beantrage, und es erachtete die
Beschwerde dementsprechend für zulässig. Materiell wies das Gericht die
Beschwerde am 3. Mai 2004 ab. Es hielt im Wesentlichen fest, dass die vom
Beschwerdeführer geltend gemachten, auf einen inneren Vorgang
zurückzuführenden Veränderungen auch nicht ansatzweise objektiv festgestellt
werden könnten und dass der Beschwerdeführer eine solche Feststellung durch
seine Ablehnung einer Zusammenarbeit mit dem PPD selber vereitle. Unter
diesen Umständen komme aber eine neue Begutachtung nicht in Frage und sei
deshalb weiterhin das Gutachten von Professor Volker Dittmann massgebend.

C.
René Osterwalder führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bun-desgericht. Er
beantragt, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben, und es sei
zur Frage seiner Gemeingefährlichkeit ein neues psychiatrisches Gutachten
anzuordnen. Ferner ersucht er um die unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer ist nur soweit zur Beschwerde legitimiert, als er ein
schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen
Entscheids hat (Art. 103 lit. a OG). Dieses Interesse besteht im praktischen
Nutzen, den die erfolgreiche Beschwerde ihm eintragen würde, das heisst in
der Abwendung eines materiellen oder ideellen Nachteils, den der angefochtene
Entscheid für ihn zur Folge hätte (BGE 120 Ib 379 E. 4b S. 387; Urteil
1A.293/2000 vom 10. April 2001 E. 1b, in: ZBl 103/2002 S. 486). Vom
Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses wird nur ausnahmsweise
abgesehen, wenn sich eine gerügte Rechtsverletzung jederzeit wiederholen
könnte und eine rechtzeitige gerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum
möglich wäre (vgl. Peter Karlen, Verwaltungsgerichtsbeschwerde, in:
Prozessieren vor Bundesgericht I, 2. Aufl., Basel 1998, S. 102 Ziff. 3.37;
Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechts-pflege
des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 194 N 539 f.).

Der Beschwerdeführer stellt vor Bundesgericht keinen Antrag auf probeweise
Entlassung. Vielmehr kritisiert er, dass die Vorinstanz ihm im kantonalen
Verfahren unzutreffenderweise eine solche Absicht unterstellt habe, und er
fügt an, es sei auf die diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanz nicht
einzugehen. Denn es gehe nicht um den Entscheid über die probeweise
Entlassung, sondern nur um die Frage, ob der angefochtene Entscheid
verfahrenskonform zustande gekommen sei, bzw. konkret, ob ein neues
psychiatrisches Gutachten als Grundlage des Entscheids hätte angeordnet
werden müssen.

Wenn die vom Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren verlangte neue
psychiatrische Begutachtung aber nicht im Zusammenhang mit der Frage der
probeweisen Entlassung steht, ist schlicht nicht ersichtlich, was er mit der
Begutachtung erreichen will bzw. was für einen praktischen Nutzen sie für ihn
haben könnte. Seine jeder Begründung entbehrende Behauptung, er sei "als
Verurteilter im Verwahrungsvollzug durch den angefochtenen Entscheid
beschwert" (Beschwerde S. 3 oben), ist nicht nachvollziehbar. Da der
Be-schwerdeführer sein Gesuch um erneute psychiatrische Begutachtung bei
einer späteren Prüfung der Frage, ob er probeweise zu entlassen ist, wird
vorbringen können, liegt im Übrigen auch offensichtlich kein Fall vor, in dem
ausnahmsweise vom Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses abgesehen
werden könnte. Unter diesen Umständen ist auf die Beschwerde nicht
einzutreten.

2.
Es mag nur angemerkt werden, dass die Ausführungen der Vorinstanz zur Frage
der erneuten Begutachtung, auf die hier verwiesen werden kann, überzeugend
sind. Auch materiell erscheint die Beschwerde als offensichtlich unbegründet.

3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die
bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist zufolge offensichtlicher
Aussichtslosigkeit der Beschwerde in Anwendung von Art. 152 OG abzuweisen.
Der finanziellen Situation des Beschwerdeführers wird durch eine reduzierte
Gerichtsgebühr Rechnung getragen (Art. 153a Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Justizvollzug des
Kantons Zürich und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung,
sowie dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepar-tement schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 4. August 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: