Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.34/2004
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6A.34/2004 /pai

Urteil vom 1. Oktober 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiber Borner.

W. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Maître Philippe Egli,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Amtsleitung, Feldstrasse 42, 8090
Zurich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, Militärstrasse 36,
Postfach, 8021 Zürich.

Bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 22. April 2004.

Sachverhalt:

A.
Das Landgericht Koblenz verurteilte den schweizerischen Staatsangehörigen
W.________ am 6. März 1990 wegen Mordes gemäss § 211 des deutschen
Strafgesetzbuches zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Diese Strafe verbüsste
W.________ zunächst im deutschen Vollzug. Auf sein Gesuch hin erfolgte im
Juni 2000 die Überstellung zum Strafvollzug in der Schweiz.

B.
Mit Eingaben vom 25. Februar und 24. März 2003 stellte W.________ ein Gesuch
um bedingte Entlassung. Der Sonderdienst des kantonalen Justizvollzugs des
Kantons Zürich lehnte das Gesuch am 8. Juli 2003 ab. Er bezog sich namentlich
auf ein Gutachten vom 10. November 1999 sowie auf einen Bericht des
Psychiatrisch-Psychologischen Diensts (PPD) des Kantons Zürich vom 14. Januar
2003 samt einer ergänzenden mündlichen Auskunft vom 2. Juli 2003. Der
Gutachter hatte bei W.________ eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert
und grundsätzlich eine ungünstige Prognose gestellt. Gemäss Bericht des PPD
hat sich die Prognose seither nicht wesentlich geändert.

Einen Rekurs gegen den Entscheid des Sonderdiensts wies die Direktion der
Justiz und des Innern des Kantons Zürich am 18. November 2003 ab.

Die dagegen erhobene Beschwerde von W.________ wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Zürich am 22. April 2004 ab.

C.
W. ________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, das
angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei bedingt zu entlassen.
Eventuell sei die Sache zur Einholung eines psychiatrischen Gutachtens und
zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht begehrt die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich ist ein
auf Bundesrecht gestützter letztinstanzlicher kantonaler Entscheid, welcher
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegt (Art. 97
Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 5 und Art. 61 VwVG). Dem unmittelbar
Betroffenen steht das Beschwerderecht zu (Art. 103 lit. a OG). Die Eingabe
erfolgte innert gesetzlicher Frist (Art. 106 Abs. 1 OG). Auf die Beschwerde
ist daher einzutreten.

Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann beim Bundesgericht die Verletzung
von Bundesrecht einschliesslich der Überschreitung oder des Missbrauchs des
Ermessens gerügt werden (Art. 104 lit. a OG). Nicht überprüfen kann das
Bundesgericht grundsätzlich die Angemessenheit des angefochtenen Entscheides
(Art. 104 lit. c OG). Gemäss Art. 105 Abs. 2 OG ist das Bundesgericht an die
Feststellung des Sachverhalts gebunden, wenn eine richterliche Behörde wie
das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich als Vorinstanz den Sachverhalt
nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat. An die Begründung der
Begehren ist es nicht gebunden (Art. 114 Abs. 1 OG).

2.
Hat der zu Zuchthaus oder Gefängnis Verurteilte zwei Drittel der Strafe
verbüsst, so kann ihn die zuständige Behörde bedingt entlassen, wenn sein
Verhalten während des Strafvollzuges nicht dagegen spricht und anzunehmen
ist, er werde sich in der Freiheit bewähren (Art. 38 Ziff. 1 Abs. 1 StGB).
Hat ein zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe Verurteilter 15 Jahre erstanden,
so kann ihn die zuständige Behörde bedingt entlassen (Abs. 2).

Sowohl die Vorinstanz als auch der Beschwerdeführer zitieren in ihren
Begründungen zu den Fragen der bedingten Entlassung und der Aktualität eines
Gutachtens BGE 128 IV 241 und 125 IV 113. Eine Wiedergabe dieser
Rechtsprechung mit den jeweiligen Hinweisen kann deshalb unterbleiben.

2.1  Zur Verweigerung der bedingten Entlassung hält die Vorinstanz fest, das
Gutachten aus dem Jahre 1999 bezeichne die Kriminalitätsprognose - ohne den
Eintritt einer tiefer gehenden Krankheitseinsicht - als sehr ungünstig.
Gemäss Bericht des PPD habe sich an der Prognose nichts Wesentliches
geändert. Aufgrund des bisherigen Verlaufs sowie der fehlenden Krankheits-
und Behandlungseinsicht bestehe eine erhöhte Rückfallgefahr. Daran vermöchten
auch die Hinweise in den Akten auf eine positive Entwicklung in den
vergangenen Jahren nichts Entscheidendes zu ändern.

Die Vorinstanz legt ausführlich dar, unter welchen Umständen eine erneute
psychiatrische Beurteilung der Fremdgefährlichkeit eines Täters angezeigt ist
(angefochtener Entscheid S. 7 f. Ziff. 4.2 - 4.4). Sodann befasst sie sich
eingehend mit dem Strafvollzugsverlauf in Deutschland und in der Schweiz
sowie mit der Krankengeschichte des Beschwerdeführers und seiner
Krankheitsentwicklung (Ziff. 4.6 - 4.10). Schliesslich beurteilt sie das
Gutachten zusammen mit dem Bericht des PPD - trotz der geänderten
Verhältnisse (sehr gutes Verhalten des Beschwerdeführers im schweizerischen
Strafvollzug) und des Alters des Gutachtens - als ausreichend zuverlässige
Entscheidgrundlage für die Frage der bedingten Entlassung und verneint eine
Ermessensüberschreitung der Vollzugsbehörden (Ziff. 4.11).

2.2  Die vorinstanzliche Beurteilung ist von Bundesrechts wegen nicht zu
beanstanden. Der Beschwerdeführer bringt nichts Wesentliches vor, was eine
abweichende Beurteilung rechtfertigen würde. Er macht lediglich geltend, die
Vorinstanz habe sich bei ihrem Entscheid auf ein nicht rechtsgenügliches
Gutachten gestützt. Wie die Vorinstanz zu Recht festhält, ist das Gutachten
sehr ausführlich und schlüssig. So befasst es sich unter anderem eingehend
mit der Fremdgefährlichkeit des Beschwerdeführers (Gutachten, S. 41 - 52).
Nachdem der Bericht des PPD aus dem Jahre 2003 die Aktualität des Gutachtens
im Wesentlichen bestätigt hatte, durfte die Vorinstanz das Gutachten als eine
der Entscheidgrundlagen heranziehen. Im Übrigen ist der Grundsatz der
Unschuldsvermutung bei der Frage der bedingten Entlassung eines
fremdgefährlichen Täters nicht anwendbar. Ebenfalls unbeachtlich ist der
Hinweis des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe es versäumt abzuwägen, ob
unter dem Gesichtspunkt der Legalbewährung eine bedingte Entlassung unter
Schutzaufsicht und verbunden mit Weisungen günstiger wäre als die weitere
Strafverbüssung. Eine solche Prüfung ist bei zeitlich befristeten
Freiheitsstrafen angebracht, wo es in jedem Fall zur Entlassung kommt (vgl.
BGE 124 IV 193 E. 4d/aa Abs. 2 S. 198), nicht aber bei einer lebenslänglichen
Freiheitsstrafe. Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

3.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
(Beschwerdeschrift S. 5 Ziff. IV). Da seine Begehren von vornherein
aussichtslos erschienen, ist das Gesuch abzuweisen (Art. 152 OG). Folglich
wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Bei der
Bemessung der Gerichtsgebühr ist jedoch seinen finanziellen Verhältnissen
Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Justizvollzug des
Kantons Zürich und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung,
sowie dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 1. Oktober 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: