Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.24/2004
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6A.24/2004 /kra

Urteil vom 18. Juni 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Heimgartner.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Arno Lombardini,

gegen

Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, Poststrasse 14, 7002
Chur.

Entzug des Führerausweises (Art. 16 Abs. 2 SVG),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von
Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, vom 14. Januar 2004.

Sachverhalt:

A.
Am 3. September 2002 fuhr X.________ nachts mit seinem Personenwagen bei
starkem Regenfall von Flims nach Trin. Unterhalb Vallorca bremste er das
Fahrzeug ab, worauf dieses auf der nassen Fahrbahn ausser Kontrolle geriet.
In der Folge prallte das Fahrzeug zweimal gegen die rechte Leitplanke,
rutschte über die Fahrbahn, kollidierte mit der linksseitigen Stützmauer und
kam schliesslich auf der Gegenfahrbahn zum Stillstand.

B.
Der Bezirksgerichtsausschuss Imboden büsste X.________ am 9. April 2003 wegen
einfacher Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Ziff. 1 in Verbindung
mit Art. 32 Abs. 1 SVG mit Fr. 300.--.

C.
Das Strassenverkehrsamt des Kantons Graubünden verfügte am 16. Juli 2003 in
Anwendung von Art. 16 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 lit. a
SVG den Entzug des Führerausweises für einen Monat.

D.
Am 14. Januar 2004 wies der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden die
Berufung von X.________ gegen den Entscheid des Justiz- und
Sanitätsdepartements vom 6. November 2003, der den Führerausweisentzug
bestätigt hatte, ab.

E.
X.________ führt eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag,
das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben, und es sei lediglich eine
Verwarnung auszusprechen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich der Überschreitung oder des Missbrauchs des Ermessens gerügt
sowie eine unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 104 lit. a und b OG). Nicht
überprüfen kann das Bundesgericht grundsätzlich die Angemessenheit des
angefochtenen Entscheids (Art. 104 lit. c OG). Gemäss Art. 105 Abs. 2 OG ist
das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhalts gebunden, wenn eine
richterliche Behörde als Vorinstanz den Sachverhalt nicht offensichtlich
unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt hat. An die Begründung der Begehren ist
es nicht gebunden (Art. 114 Abs. 1 OG).

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er sei durch die zunehmende Intensität
des Regens überrascht worden, richtet er sich gegen die tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz, die nicht offensichtlich unrichtig sind.

2.
Gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG kann der Führerausweis entzogen werden, wenn der
Führer Verkehrsregeln verletzt und dadurch den Verkehr gefährdet oder andere
belästigt hat (Satz 1). In leichten Fällen kann eine Verwarnung ausgesprochen
werden (Satz 2). Nach Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG muss der Führerausweis
entzogen werden, wenn der Führer den Verkehr in schwerer Weise gefährdet hat.
Das Gesetz unterscheidet somit den leichten Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG),
den mittelschweren Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 SVG) und den schweren Fall
(Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG). Nach der Rechtsprechung kann auf den
Führerausweisentzug grundsätzlich nur verzichtet werden, wenn der Fall leicht
im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG ist. Ob der Fall leicht ist, beurteilt
sich nach dem Verschulden des Fahrzeuglenkers und seinem automobilistischen
Leumund; die Schwere der Verkehrsgefährdung ist nur insoweit von Bedeutung,
als sie auch verschuldensmässig relevant ist (BGE 126 II 202 E. 1a). Kann das
Verschulden nicht mehr als leicht qualifiziert werden, ist die Annahme eines
leichten Falles selbst dann ausgeschlossen, wenn der Fahrzeuglenker über
einen langjährigen ungetrübten Leumund verfügt (BGE 126 II 192 E. 2c). Weil
es sich bei Art. 16 Abs. 2 SVG um eine Kann-Vorschrift handelt, ist die
Behörde aber verpflichtet, die vorgesehene Massnahme unter dem Gesichtspunkt
der Verhältnismässigkeit zu prüfen (BGE 125 II 561 E. 2b). Dabei kann sich
die Frage stellen, ob sich die Anordnung einer Massnahme zur Ermahnung und
Besserung des fehlbaren Fahrzeuglenkers überhaupt rechtfertigen lässt.
Unverhältnismässig müsste unter anderem eine Massnahme erscheinen, die im
Einzelfall nicht zum Ziel führen kann oder nicht mehr nötig ist (BGE 118 Ib
229 E. 3). In diesem Sinne können ausnahmsweise besondere Umstände, wie etwa
eine ausserordentliche Betroffenheit des Fahrzeuglenkers durch die Folgen
eines Unfalls (Art. 66bis StGB), bei einem mittelschweren Fall zum Verzicht
auf den Ausweisentzug führen (BGE 126 II 202 E. 1b).

3.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die Vorinstanz habe sein Fehlverhalten
zu Unrecht als mittelschweren Fall qualifiziert. Sein Verschulden sei
lediglich als leicht zu werten, weswegen nur eine Verwarnung auszusprechen
sei.

Die Vorinstanz hielt fest, der Beschwerdeführer hätte aufgrund des starken
Regens nachts auf der kurvenreichen, abfallenden Strasse nicht mit der
gesetzlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h fahren dürfen. Zudem
sei das Fahrzeug mit Breitreifen bestückt gewesen, was die Gefahr des
Aquaplanings erhöht habe. Infolge dieser den Verhältnissen nicht angepassten
Geschwindigkeit sei er beim Abbremsen ins Schleudern geraten und aus der
Kurve getragen worden. Der Beschwerdeführer habe damit Vorsichtspflichten
missachtet, welche für die Sicherheit im Strassenverkehr von grundlegender
Bedeutung seien. Demzufolge sei sein Verschulden als mittelschwer
einzustufen.
Der Einwand des Beschwerdeführers, seine Geschwindigkeit sei nicht übersetzt
gewesen, stösst ins Leere. Nach den tatsächlichen Feststellungen der
Vorinstanz ist er infolge des - für die Einleitung der Kurve notwendigen -
Abbremsens ins Schleudern geraten. Damit ist erwiesen, dass der
Beschwerdeführer aufgrund der offensichtlich nicht angepassten
Geschwindigkeit (Art. 32 Abs. 1 SVG) sein Fahrzeug nicht beherrschte (Art. 31
Abs. 1 SVG) und in der Folge auf die Gegenfahrbahn geriet. Aufgrund der
daraus geschaffenen - nicht unerheblichen - abstrakten Gefährdung ist es
nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz den Fall als mittelschwer im Sinne
von Art. 16 Abs. 2 Satz 1 SVG einstufte. Daran vermag auch der Umstand nichts
zu ändern, dass der Strafrichter dieses Verhalten lediglich als einfache
Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG wertete. Es besteht
keine Deckungsgleichheit zwischen der einfachen Verkehrsregelverletzung nach
Art. 90 Ziff. 1 SVG und dem leichten Fall im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2
SVG (vgl. Urteil 6A.30/2002 vom 30. Juli 2002, E. 1.2.). Bei diesem Ergebnis
unerheblich bleibt der dargelegten Rechtsprechung zufolge auch der Umstand,
dass der Beschwerdeführer über einen ungetrübten automobilistischen Leumund
verfügt. Besondere Umstände, welche ausnahmsweise bei einem mittelschweren
Fall einen Verzicht auf einen Führerausweisentzug für angezeigt erscheinen
lassen, liegen nicht vor. Es kann hier im Wesentlichen auf die Erwägungen im
angefochtenen Urteil verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG).

Es ist einzuräumen, dass der Beschwerdeführer als Fahrlehrer - wie sämtliche
Berufsfahrer - durch einen Entzug des Führerausweises einschneidend getroffen
wird. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, kann er aber die damit
verbundene Vermögenseinbusse durch eine entsprechende Planung seiner Ferien
in Grenzen halten.

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Mit dem
Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer
die Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Kantonsgericht von
Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, sowie dem Strassenverkehrsamt des
Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Juni 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: