Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.23/2004
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6A.23/2004 /pai

Urteil vom 11. Juni 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiber Näf.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Abgaberechtliche Abteilung,
Obergrundstrasse 46,
6002 Luzern.

Entzug des Führerausweises (Sicherungsentzug, Art. 16 Abs. 1 SVG, Art. 30
Abs. 1 VZV),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern vom 24. März 2004.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________, geboren im November 1981, war seit Mai 2000 im Besitz des
Führerausweises für Personenwagen. Am 12. Juli 2001 wurde ihm der Ausweis
wegen Überschreitens der zulässigen allgemeinen Höchstgeschwindigkeit
innerorts und ausserorts für die Dauer von zwei Monaten entzogen. Am 11. Juli
2002 wurde ihm der Ausweis für die Dauer von vier Monaten entzogen, weil er
am 20. April 2002 eine Sicherheitslinie zum Zwecke des Überholens eines
anderen Fahrzeugs überquert, die Geschwindigkeit nicht den Verhältnissen
angepasst und seine Geschwindigkeit erhöht hatte, um nicht überholt zu
werden.

A.b Am 17. Juli 2003 verursachte X.________ mit seinem Personenwagen, dessen
beiden Hinterreifen abgefahren waren, ausserorts einen Selbstunfall, wobei
sein Fahrzeug schleuderte, von der Strasse abkam und sich überschlug.

Das Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern verfügte am 30. September 2003 auf
Grund des Polizeirapports betreffend diesen Vorfall gegen X.________, der
zwischenzeitlich, am 12. August 2003, wegen Verursachens von vermeidbarem
Lärm (durch Aufdrehen des Autoradios) verwarnt worden war, den vorsorglichen
Führerausweisentzug. Es ordnete zudem wegen des Verdachts der mangelnden
Fahreignung infolge verkehrsrelevanter charakterlicher Defizite eine
verkehrspsychologische Fahreignungsuntersuchung an.

B.
B.aDas Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern verfügte am 4. Dezember 2003
gestützt auf das verkehrspsychologische Gutachten vom 29. Oktober 2003 gegen
X.________ einen Sicherungsentzug des Führerausweises auf unbestimmte Zeit ab
8. Oktober 2003 bei einer Probezeit von 12 Monaten. Eine Wiedererteilung des
Führerausweises verband es mit den Auflagen und Bedingungen des Besuchs von
zehn psychologischen Therapiestunden und einer verkürzten
Kontrolluntersuchung hinsichtlich der Fahreignung nach Ablauf der Probezeit.

B.b Am 24. März 2004 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die von
X.________ gegen die Entzugsverfügung erhobene Beschwerde ab.

C.
X. ________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit den
Anträgen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern sei
aufzuheben, die Sache sei zur verbesserten Sachverhaltsfeststellung an die
Vorinstanz zurückzuweisen und der Führerausweis sei ihm zu belassen.
Eventualiter sei der Führerausweisentzug angemessen zu begrenzen.

D.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern beantragt die Abweisung der
Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Entscheid ist eine auf das Strassenverkehrsrecht des Bundes
gestützte letztinstanzliche kantonale Verfügung, welche der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegt (Art. 97 Abs. 1
OG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 VwVG sowie Art. 98 lit. g OG, Art. 24 Abs. 2 SVG).
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, gerügt werden
(Art. 104 lit. a OG). Die Rüge der Unangemessenheit ist vorliegend
unzulässig, weil das Bundesrecht sie für den Bereich der Führerausweisentzüge
nicht vorsieht (Art. 104 lit. c Ziff. 3 OG). Da die Vorinstanz eine
richterliche Behörde ist, ist das Bundesgericht an den Sachverhalt gebunden,
soweit die Vorinstanz ihn nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
in Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat (Art. 105
Abs. 2 OG).

2.
Gemäss Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG dürfen Lernfahr- und Führerausweis nicht
erteilt werden, wenn der Bewerber nach seinem bisherigen Verhalten nicht
Gewähr bietet, dass er als Motorfahrzeugführer die Vorschriften beachten und
auf die Mitmenschen Rücksicht nehmen würde. Nach Art. 16 Abs. 1 SVG sind
Ausweise und Bewilligungen zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die
gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen.
Der Führerausweis wird - in der Form des Sicherungsentzugs - auf unbestimmte
Zeit entzogen, wenn der Führer wegen Trunksucht oder anderer
Suchtkrankheiten, aus charakterlichen oder anderen Gründen nicht geeignet
ist, ein Motorfahrzeug zu führen. Mit dem Entzug wird eine Probezeit von
mindestens einem Jahr verbunden. Beim Entzug aus medizinischen Gründen
entfällt die Probezeit (Art. 17 Abs. 1bis SVG, Art. 30 Abs. 1 und Art. 33
Abs. 1 VZV).

2.1 Der verfügte Sicherungsentzug samt Auflagen und Bedingungen stützt sich
hauptsächlich auf das verkehrspsychologische Gutachten vom 29. Oktober 2003.
Dieses kommt unter Würdigung der darin genannten verschiedenen
Informationsquellen zu den Schlüssen, die Testergebnisse seien beweiskräftig
genug, um die fahrcharakterliche Eignung des Probanden zurzeit noch in Frage
zu stellen. Um diese Eignung zu erreichen, müsse er selbstkritischer,
einsichtiger, schuld-, risiko- und gefahrenbewusster werden, generell
reifemässig noch Fortschritte machen, um sich der automobilistischen
Verantwortung voll bewusst zu werden. In Bezug auf Selbstkritik, Risiko- und
Gefahrenbewusstsein sowie soziale Verantwortungsfähigkeit zeigten sich beim
Probanden noch Reifungsrückstände, die einerseits mit zunehmendem Alter
überwunden werden können, andererseits aber auch therapeutisch angegangen
werden müssen. Der Gutachter empfahl daher einen Sicherungsentzug und die
allfällige Wiedererteilung des Führerausweises unter den Auflagen und
Bedingungen von 10 Therapiestunden und des Bestehens einer verkürzten
Kontrolluntersuchung. Das Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern hat auf
Grund dieser Empfehlungen des Gutachters einen Sicherungsentzug mit einer
Probezeit von 12 Monaten verfügt, und die Vorinstanz hat die dagegen erhobene
Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.

2.2 Was der Beschwerdeführer gegen den Sicherungsentzug vorbringt, ist
unbegründet. Dass er zur Ausübung seines Berufs als Gerüstbauer einen
Führerausweis benötigt, ist für die Entscheidung der Frage, ob ein
Sicherungs- oder ein Warnungsentzug anzuordnen ist, unerheblich. Die
berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, ist einzig für die
Bemessung der Dauer eines allfälligen Warnungsentzugs relevant (siehe Art. 33
Abs. 2 VZV). Unerheblich ist auch, dass der Arbeitgeber des Beschwerdeführers
angeblich in geschäftliche Schwierigkeiten gerät, wenn Letzterem der
Führerausweis entzogen wird. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe im
kantonalen Verfahren die Einholung eines gerichtlichen Gutachtens bei PD Dr.
med. A.________ beantragt (Beschwerde S. 7), ist unzutreffend. Der
Beschwerdeführer hat in seiner kantonalen Verwaltungsgerichtsbeschwerde (S.
6) lediglich angekündigt, dass er den Psychiater A.________ konsultieren und
ein Gutachten dieses Experten nachreichen werde, doch hat er in der Folge
kein solches Gutachten eingereicht. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör ist daher unbegründet. Weshalb und inwiefern das
verkehrspsychologische Eignungsgutachten vom 29. Oktober 2003 keine
hinreichend verlässliche Grundlage für den darin vorgeschlagenen
Sicherungsentzug sei beziehungsweise triftige Gründe bestünden, vom Gutachten
abzuweichen, legt der Beschwerdeführer nicht substantiiert dar und ist nicht
ersichtlich.

3.
Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde somit abzuweisen ist, soweit darauf
eingetreten werden kann, hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen
Kosten zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern, dem Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern und dem Bundesamt für
Strassen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Juni 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: