Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.465/2004
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5P.465/2004 /blb

Urteil vom 3. Mai 2005
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiberin Scholl.

1. X.________,
2.Y.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Fürsprecher Andreas Wasserfallen,

gegen

Z.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Fürsprecher Wilhelm Rauch,
Gerichtspräsident 2 des Gerichtskreises V Burgdorf-Fraubrunnen, Schloss, 3400
Burgdorf.

Art. 9 BV etc. (Immissionen; vorsorgliche Massnahmen),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Gerichtspräsidenten 2 des
Gerichtskreises V Burgdorf-Fraubrunnen vom 12. November 2004.

Sachverhalt:

A.
Mit Eingabe vom 27. Mai 2003 klagte Z.________ gegen X.________ und
Y.________ auf Unterlassung sämtlicher übermässiger Immissionen, welche sich
aus der landwirtschaftlichen Nutzung deren Grundstücks ergeben. Im Rahmen
dieses - nach wie vor hängigen - Hauptprozesses erliess der Gerichtspräsident
2 des Gerichtskreises V Burgdorf-Fraubrunnen am 27. Oktober 2003 eine
einstweilige Verfügung: Danach wurde X.________ und Y.________ verboten, bis
zum Ende des Hauptprozesses auf ihrem Grundstück Schweine zu halten, und
ihnen befohlen, den Hofmist auf der dem Grundstück von Z.________ abgewandten
Seite zu lagern. Z.________ wurde verpflichtet, eine Sicherheitsleistung von
Fr. 50'000.-- zu bezahlen. Auf eine gegen diesen Entscheid von X.________ und
Y.________ erhobene Appellation trat der Appellationshof des Kantons Bern mit
Entscheid vom 15. Dezember 2003 nicht ein.

B.
Am 22. März 2004 stellten X.________ und Y.________ ein Gesuch um Abänderung
der einstweiligen Verfügung vom 27. Oktober 2003. Mit Entscheid vom 4. Mai
2004 (bzw. Berichtigungsverfügung vom 11. Mai 2004) wies der
Gerichtspräsident das Gesuch im Wesentlichen ab, erhöhte indes die von
Z.________ zu bezahlende Sicherheitsleistung auf total Fr. 150'000.--.

Gegen diesen Entscheid führten X.________ und Y.________ staatsrechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht. Dieses hiess die Beschwerde mit Urteil vom
9. Juli 2004 wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs gut, soweit es darauf
eintrat, und hob den Entscheid vom 4. Mai 2004 auf (Verfahren 5P.188/2004).

C.
Am 12. November 2004 entschied der Gerichtspräsident daraufhin neu über die
Sache und wies das Gesuch um Abänderung wiederum ab.

Gegen diesen Entscheid gelangen X.________ und Y.________ erneut mit
staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht und verlangen dessen
Aufhebung.

Mit Verfügung vom 19. Januar 2005 erkannte der Präsident der II.
Zivilabteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.

Z. ________ schliesst in seiner Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten sei. Der Gerichtspräsident hat auf eine
Stellungnahme verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und in
welchem Umfang auf eine staatsrechtliche Beschwerde einzutreten ist (BGE 129
I 302 E. 1 S. 305).

1.1 Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen im Zivilprozess steht
grundsätzlich die staatsrechtliche Beschwerde offen (BGE 116 Ia 446 E. 2 S.
447 f.; 118 II 369 E. 1 S. 371). Der angefochtene Entscheid des
Gerichtspräsidenten ist letztinstanzlich, weil die von den Beschwerdeführern
erhobenen Rügen im vorliegenden Fall mit keinem kantonalen Rechtsmittel
geltend gemacht werden können (Art. 314 i.V.m. Art. 336 Abs. 3 und Art. 360
ZPO/BE; Leuch/Marbach/Kellerhals/ Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den
Kanton Bern, 5. Aufl. 2000, N. 2b zu Art. 327 ZPO/BE). Die staatsrechtliche
Beschwerde erweist sich in dieser Hinsicht als zulässig.

1.2 Mit staatsrechtlicher Beschwerde können grundsätzlich keine Tatsachen und
Beweismittel sowie keine rechtlichen Argumente vorgebracht werden, welche
nicht bereits im kantonalen Verfahren geltend gemacht worden sind (BGE 118 Ia
20 E. 5a S. 26; 129 I 49 E. 3 S. 57). Als unzulässig erweisen sich daher
mehrere von den Beschwerdeführern eingereichte Urkunden, welche nicht bereits
in den kantonalen Akten enthalten sind. Das Novenverbot gilt auch für die
Beschwerdeantwort, so dass namentlich das vom Beschwerdegegner nachgereichte
Schreiben seiner Mieterin ebenfalls aus dem Recht zu weisen ist.

2.
Die Beschwerdeführer machen vorab eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
geltend. Sie bringen vor, der Gerichtspräsident habe ihnen keine Möglichkeit
zur Stellungnahme zu einer entscheidwesentlichen Fotodokumentation
eingeräumt, obwohl sie ausdrücklich einen entsprechenden Antrag gestellt
hätten. Zudem sei aus dem Entscheid nicht ersichtlich, weshalb ihrem Ersuchen
nicht stattgegeben worden sei.

2.1 Nach Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör.
Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, anderseits stellt
es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids
dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört
insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine
Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zu äussern, erhebliche Beweise
beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen
gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder
mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses
geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 114 Ia 97 E. 2a S. 99; 127 I
54 E. 2b S. 56). Weiter folgt aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör die
Pflicht des Richters, seinen Entscheid zu begründen (BGE 117 Ib 481 E. 6b/bb
S. 492; 129 I 232 E. 3.2 S. 236).

2.2 Im vorliegenden Fall hat der Gerichtspräsident mit mündlicher Verfügung
vom 19. August 2004 den Parteien eine Frist gesetzt, um zum gleichentags
durchgeführten Augenschein Stellung zu nehmen. Mit Eingabe vom 7. September
2004 kamen die Beschwerdeführer dieser Aufforderung nach. Darin stellten sie
den Antrag, ihnen sei die Gelegenheit zu geben, sich nochmals zu äussern,
sollte der Beschwerdegegner dem Gericht Fotos oder dergleichen einreichen. In
der Folge reichte der Beschwerdegegner tatsächlich zusammen mit seiner
Stellungnahme eine Fotodokumentation mit 14 Bildern ein. Der
Gerichtspräsident erkannte die Fotodokumentation zu den Akten, gab indes den
Beschwerdeführern keine Gelegenheit, sich dazu vernehmen zu lassen.

2.3 Aus dem angefochtenen Entscheid wird nicht ersichtlich, weshalb der
Gerichtspräsident dem Antrag der Beschwerdeführer bezüglich Stellungnahme zu
der Fotodokumentation nicht nachgekommen ist. Dies stellt eine Verletzung der
Begründungspflicht dar. Zudem hat der Gerichtspräsident die Dokumentation
nicht nur förmlich zu den Akten erkannt, sondern auch in seinem Entscheid
mehrmals darauf verwiesen und sie ausdrücklich gewürdigt. Er hat somit auf
dieses Beweismittel abgestellt, so dass er verpflichtet gewesen wäre, den
Beschwerdeführern diesbezüglich das rechtliche Gehör zu gewähren. Da die
Beschwerdeführer darüber hinaus bereits vorsorglich den Antrag auf
Stellungnahme zu den Fotos gestellt hatten, kann ihnen auch keine Untätigkeit
vorgeworfen werden. Namentlich konnte von ihnen nicht erwartet werden, ihren
Antrag nach Zustellung der Stellungnahme des Beschwerdegegners zu
wiederholen. Damit verstösst der angefochtene Entscheid auch insoweit gegen
den Anspruch auf rechtliches Gehör.

3.
Dementsprechend ist die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen, soweit
darauf eingetreten werden kann, und der angefochtene Entscheid aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis kann auf eine Prüfung der übrigen von den
Beschwerdeführern vorgebrachten Rügen verzichtet werden. Bei diesem
Verfahrensausgang wird der Beschwerdegegner kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten
ist, und der Entscheid des Gerichtspräsidenten 2 des Gerichtskreises V
Burgdorf-Fraubrunnen vom 12. November 2004 wird aufgehoben.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Gerichtspräsidenten 2 des
Gerichtskreises V Burgdorf-Fraubrunnen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Mai 2005

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: