Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.431/2004
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5P.431/2004 /blb

Urteil vom 8. April 2005
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Marazzi,
Gerichtsschreiber Gysel.

1. X.________,
vertreten durch Fürsprecher Y.________,
2.Y.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Obergericht des Kantons Aargau (Kammer für Vormundschaftswesen als
zweitinstanzliche vormundschaftliche Aufsichtsbehörde),
Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.

Art. 9 BV etc. (Honorar des unentgeltlichen Rechtsvertreters),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Aargau (Kammer für Vormundschaftswesen als zweitinstanzliche
vormundschaftliche Aufsichtsbehörde vom 24. August 2004.

Sachverhalt:

A.
In dem von ihr bei der Vormundschaftsbehörde V.________ zur Wiedererlangung
der elterlichen Obhut über ihre Tochter A.________ eingeleiteten Verfahren
stellte X.________ ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
und Ernennung ihres Anwalts, Fürsprecher Y.________, zum unentgeltlichen
Rechtsbeistand. Mit Entscheid vom 16. März 2004 erkannte das Obergericht des
Kantons Aargau (Kammer für Vormundschaftswesen als zweitinstanzliche
vormundschaftliche Aufsichtsbehörde), dass dieses Begehren abgewiesen werde.
Gleichzeitig wies es auch das für das obergerichtliche Verfahren gestellte
Armenrechtsgesuch ab.

Die erkennende Abteilung hiess am 1. Juli 2004 die von X.________ hiergegen
eingereichte staatsrechtliche Beschwerde gut, soweit sie darauf eintrat, und
hob den Entscheid des Obergerichts auf.

B.
Am 24. August 2004 entschied das Obergericht von neuem und erkannte, dass
X.________ im Verfahren betreffend Aufhebung des Entzugs der elterlichen
Obhut die unentgeltliche Rechtsverbeiständung bewilligt und Fürsprecher
Y.________ zum unentgeltlichen Rechtsbeistand bestellt werde. Alsdann wies es
die Kassen der Gemeinde V.________ und des Bezirksamtes Baden an, X.________
als Ersatz für die Parteikosten im Verfahren vor der Vormundschaftsbehörde
Fr. 1'519.70 bzw. als Ersatz für die Parteikosten im Beschwerdeverfahren vor
dem Bezirksamt Fr. 729.20 zu zahlen. Als Ersatz für die Parteikosten im
Beschwerdeverfahren vor Obergericht wurden ebenfalls Fr. 729.20 zugesprochen.

C.
X.________ und Y.________ führen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
von Art. 9 und Art. 29 Abs. 2 und 3 BV, allenfalls von Art. 6 EMRK, und
beantragen, das Urteil des Obergerichts bezüglich der für die verschiedenen
kantonalen Verfahren festgelegten Entschädigungen aufzuheben. Ausserdem
ersucht X.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren.

Das Obergericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei.
Den Beschwerdeführern wurde durch Verfügung vom 18. Januar 2005 Gelegenheit
eingeräumt, sich zur Vernehmlassung des Obergerichts vom 7. Dezember 2004 zu
äussern. Mit Eingabe vom 28. Januar 2005 haben sie sich hierauf vernehmen
lassen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der unentgeltliche Rechtsbeistand, der einer bedürftigen Partei bestellt
wird, übernimmt eine staatliche Aufgabe und tritt zum Staat in ein
Rechtsverhältnis, auf Grund dessen er einen öffentlichrechtlichen Anspruch
auf Entschädigung im Rahmen der anwendbaren kantonalen Vorschriften hat. Er
darf sich von der verbeiständeten Partei nicht entschädigen lassen und ist
insbesondere nicht befugt, sich eine zusätzliche Entschädigung zu derjenigen
auszahlen zu lassen, die er vom Staat erhält; eine Bezahlung durch die
verbeiständete Partei ist selbst dann ausgeschlossen, wenn die
öffentlichrechtliche Entschädigung nicht einem vollen Honorar entspricht (BGE
122 I 322 E. 3b S. 325 f. mit Hinweisen). Durch eine allenfalls zu tiefe
Entschädigung ihres Anwalts erleidet die bedürftige Partei daher keinen
Nachteil. Sie ist mit andern Worten nicht beschwert und demnach auch nicht
zur Beschwerde legitimiert. Soweit die Beschwerde auch im Namen von
X.________ erhoben wird, ist darauf deshalb von vornherein nicht einzutreten.
(Im Folgenden wird daher nur noch vom "Beschwerdeführer" die Rede sein.)

2.
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht (eventualiter) vor, seine
Ansprüche auf gesetzmässige Entscheidfällung und auf rechtliches Gehör (Art.
29 Abs. 2 BV) missachtet zu haben. Unter Hinweis auf das Datum des
angefochtenen Entscheids zieht er in Zweifel, ob in ordentlicher Besetzung
über die Parteikosten entschieden worden sei.

2.1 In ihrer Vernehmlassung vom 7. Dezember 2004 hat die kantonale Instanz
erklärt, dass sie mit Entscheid vom 24. August 2004 in Vollziehung des
Urteils der erkennenden Abteilung vom 1. Juli 2004 die von ihr vormals
abgewiesene Beschwerde gutgeheissen und der Beschwerdeführerin die
unentgeltliche Rechtspflege mit unentgeltlicher Rechtsvertretung durch den
Beschwerdeführer bewilligt habe. Anschliessend habe sie im Sinne von § 14 des
aargauischen Dekrets über die Entschädigung der Anwälte (Anwaltstarif; AnwT)
die Kostennote des Beschwerdeführers einverlangt. Nach deren Eingang sei dem
Beschwerdeführer mit Schreiben vom 9. September 2004 die beabsichtigte
Nichtgenehmigung angezeigt und Frist zur Stellungnahme angesetzt worden. Mit
Eingabe vom 22. September 2004 habe sich der Beschwerdeführer vernehmen
lassen, worauf im Entscheid die Kostenfestsetzung mit einer Kurzbegründung
vorgenommen und in der Folge der Entscheid am 20. Oktober 2004 zugestellt
worden sei. Dieses Vorgehen, wonach zuerst der (Sach-)Entscheid mit der sich
daraus ergebenden Kostenverlegung an dem im Rubrum festgehaltenen Datum
gefällt und danach die Anwaltskostenfestsetzung vorgenommen und allenfalls
begründet in den Entscheid eingefügt werde, sei, weil diese vom Entscheid
abhänge, sachlich geboten und habe zur Folge, dass jeder Entscheid mit
Anwaltskostenfestsetzung ein dieser vorangegangenes Datum trage.

2.2 Zu bemerken ist vorab, dass in einem Fall der vorliegenden Art der
Entscheid ebenso gut mit dem Datum versehen werden könnte, das dem Tag
entspricht, an dem die Höhe der Anwaltsentschädigung (endgültig) festgesetzt
wird. Sodann aber ist festzuhalten, dass die Höhe des Honorars nach der
Darstellung des Obergerichts noch nicht festgesetzt war, als der
Beschwerdeführer eingeladen wurde, sich zur Beurteilung der Kostennote durch
die kantonale Instanz vernehmen zu lassen. Von einer Verweigerung des
rechtlichen Gehörs kann deshalb keine Rede sein. Der Hinweis des
Beschwerdeführers auf das bundesgerichtliche Urteil 5P.187/2004 vom 22. Juli
2004 ist von vornherein unbehelflich, da das Obergericht in jenem Fall die
wesentlichen Elemente für die Berechnung des Honorars, namentlich den
Streitwert, bereits endgültig festgelegt hatte, als es die Vernehmlassung
einholte. Ins Leere stösst auch der Hinweis auf den Umstand, dass das
Obergericht die Dispositiv-Ziffer 3 (recte: Ziffer 4) seines Entscheids
(Anweisung an die Obergerichtskasse, die Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen) bereits vor
Eröffnung des Entscheids vollzogen habe. Grundlage für jene Entschädigung
bildete schon das Urteil der erkennenden Abteilung vom 1. Juli 2004
(Dispositiv-Ziffer 3), worin der Kanton Aargau zu einer entsprechenden
Parteientschädigung verpflichtet worden war.

3.
3.1 Das Obergericht hat für das Verfahren vor der Vormundschaftsbehörde
V.________ ein Grundhonorar von Fr. 1'210.-- und für die Beschwerdeverfahren
vor dem Bezirksamt Baden bzw. vor der Kammer für Vormundschaftswesen als
zweitinstanzlicher Aufsichtsbehörde ein solches von je Fr. 605.--
festgesetzt. Es ging davon aus, dass nach § 3 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit
§ 8 AnwT das Honorar des Anwalts im Beschwerdeverfahren vor dieser Kammer 25
bis 100 % des je nach Bedeutung und Schwierigkeit des Falles festzusetzenden
Grundhonorars von Fr. 1'210.-- bis Fr. 14'740.-- betrage. Weiter hat es
festgehalten, das Verfahren vor den vormundschaftlichen Aufsichtsbehörden
(Bezirksamt und obergerichtliche Kammer für Vormundschaftswesen) sei ein
seiner Natur nach einfaches Verfahren, in dem aufgrund der
Untersuchungsmaxime der Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären und darauf zu
achten sei, dass niemandem wegen Unbeholfenheit Nachteile erwüchsen. Die
Kammer für Vormundschaftswesen als vormundschaftliche Aufsichtsbehörde könne
ausserdem in ihrer gesetzlichen Doppelfunktion als Aufsichts- und
Beschwerdeinstanz jederzeit inner- und ausserhalb eines Beschwerdeverfahrens
von Amtes wegen einschreiten und einen offensichtlich gesetzwidrigen
Entscheid aufheben und durch eine gesetzmässige Anordnung ersetzen, so dass
die Verfahrenspartei praktisch kein Verfahrensrisiko zu tragen habe. Für ein
Beschwerdeverfahren der in Frage stehenden Art werde nach gefestigter
Rechtsprechung ein Grundhonorar von Fr. 1'210.-- eingesetzt. In Fällen, wo
die Partei schon in der unteren Instanz anwaltlich vertreten gewesen sei,
werde dieses auf 50 % reduziert. Ein höheres Grundhonorar werde nur dann
eingesetzt, wenn der Fall wegen besonderer Schwierigkeiten oder eines
überdurchschnittlich grossen Aktenumfangs für den Anwalt ausserordentlich
zeitaufwändig gewesen sei, was hier nicht zugetroffen habe.

3.2 Der Beschwerdeführer beanstandet, dass das Obergericht auf seine
Stellungnahme vom 22. September 2004 nicht eingegangen sei. Sollte er damit
eine Gehörsverweigerung auch in dieser Hinsicht geltend machen wollen, wäre
die Rüge unbegründet. Bei der sich aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch
auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) ergebenden Pflicht der Behörde,
ihren Entscheid zu begründen, geht es darum, dass der Betroffene sich über
dessen Tragweite ein Bild machen und ihn in voller Kenntnis der Sache
gegebenenfalls anfechten kann; es besteht kein Anspruch auf ausführliche
Begründung, namentlich nicht darauf, dass auf jede Einwendung eingegangen
wird (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102 mit Hinweisen). Indem das Obergericht
festgehalten hat, es lägen weder besondere Schwierigkeiten noch ein
überdurchschnittlicher Aktenumfang vor, und mit dieser Begründung einen
ausserordentlichen Zeitaufwand für den Beschwerdeführer verneinte, ist es
seiner Begründungspflicht hinreichend nachgekommen.

3.3 Die vom Obergericht festgelegten Honoraransätze hält der Beschwerdeführer
für unhaltbar tief und daher willkürlich.

3.3.1 Das Bundesgericht prüft nicht von Amtes wegen, ob ein kantonaler
Entscheid verfassungswidrig ist. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG verlangt die
Darlegung, inwiefern verfassungsmässige Rechte und Rechtssätze verletzt
worden seien, was appellatorische Kritik, wie sie allenfalls im Rahmen eines
Berufungsverfahrens zulässig ist, ausschliesst (BGE 128 I 295 E. 7a S. 312;
117 Ia 10 E. 4b S. 11 f.). Wird Willkür gerügt, ist klar und detailliert
aufzuzeigen, inwiefern der kantonale Entscheid qualifiziert unrichtig sein
soll (BGE 122 I 70 E. 1c S. 73 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 129 I 185 E. 1.6
S. 189 mit weiteren Hinweisen).

3.3.2 Was der Beschwerdeführer - zur Hauptsache in Form einer wörtlichen
Wiederholung des in seiner bei der kantonalen Instanz eingereichten
Vernehmlassung vom 22. September 2004 Ausgeführten - vorbringt, ist im
Wesentlichen rein appellatorischer Natur und im Übrigen nicht geeignet, den
angefochtenen Entscheid als willkürlich erscheinen zu lassen. Die
Verweisungen auf andere Rechtsschriften sind von vornherein unbeachtlich (BGE
115 Ia 27 E. 4a S. 30 mit Hinweis). Der Beschwerdeführer verkennt, dass er
die Notwendigkeit des von ihm geltend gemachten zeitlichen Aufwands darzutun
gehabt hätte und er sich nicht damit begnügen kann, den sich beim geltend
gemachten Aufwand auf Grund der zugesprochenen Entschädigung ergebenden
Stundenansatz als unhaltbar zu bezeichnen.

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde der Beschwerdeführerin (Nr. 1), auf die nicht
einzutreten ist, konnte angesichts des Dargelegten von vornherein keine
Aussicht auf Erfolg haben. Das Armenrechtsgesuch der Beschwerdeführerin ist
daher abzuweisen (vgl. Art. 152 Abs. 1 OG). Die Gerichtsgebühr ist
ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer (Nr. 2) aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
1.1 Auf die staatsrechtliche Beschwerde von X.________ (Beschwerdeführerin
Nr. 1) wird nicht eingetreten.

1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde von Y.________ (Beschwerdeführer Nr. 2)
wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin Nr. 1, ihr für das bundesgerichtliche
Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer Nr. 2
auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern und dem Obergericht des Kantons
Aargau (Kammer für Vormundschaftswesen als zweitinstanzliche
vormundschaftliche Aufsichtsbehörde) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. April 2005

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: