Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.399/2004
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5P.399/2004 /ast

Urteil vom 17. Dezember 2004
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Y. ________ (Ehemann),
Gesuchsteller,

gegen

Z.________ (Ehefrau),
Gesuchsgegnerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Sandra Mäder,
Obergericht des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, Obere Vorstadt 38, 5000
Aarau.

Revision des bundesgerichtlichen Urteils 5P.315/2004 vom 14. September 2004.

Sachverhalt:

A.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde von Y.________ (Ehemann)
verpflichtete ihn das Obergericht des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, mit
Urteil vom 22. Juni 2004, der Z.________ (Ehefrau) im Rahmen von
Eheschutzmassnahmen folgende monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeiträge zu
leisten: vom 1. März 2004 bis Ende Juni 2004: Fr. 1‘200.-- für den Sohn bzw.
Fr. 3‘805.-- für die Ehefrau persönlich; ab 1. Juli 2004: Fr. 1‘200.-- für
den Sohn und Fr. 3‘663.-- für die Ehefrau. Mit Bezug auf die Fragen der
Zuteilung der elterlichen Obhut sowie der Zuweisung des Kinderzimmermobiliars
wurde die Beschwerde abgewiesen.

B.
Das Bundesgericht wies eine von Y.________ dagegen eingereichte
staatsrechtliche Beschwerde mit Urteil vom 14. September 2004 ab (Urteil
5P.315/2004).

C.
Y.________ stellte mit Eingabe vom 13. Oktober 2004, welche er am 3. November
2004 erstmals ergänzte, ein Gesuch um Revision des bundesgerichtlichen
Urteils. Er beantragt im Wesentlichen, das Urteil aufzuheben und dem Gesuch
aufschiebende Wirkung zu erteilen. Mit Verfügung vom 9. November 2004 wurden
superprovisorisch Vollzugsvorkehrungen untersagt.

Z. ________ schliesst auf Abweisung sowohl des Gesuchs um aufschiebende
Wirkung als auch des Revisionsgesuchs.
Nach Zustellung der Eingabe der Gesuchsgegnerin hat der Gesuchsteller dem
Bundesgericht am 9. Dezember 2004 ein Schreiben zukommen lassen, worin er
erneut Stellung bezieht. Eine weitere nicht einverlangte Zuschrift ist dem
Bundesgericht am 14. Dezember 2004 zugegangen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das bundesgerichtliche Urteil 5P.315/2004, dessen Revision nunmehr beantragt
wird, ist dem Gesuchsteller am 4. Oktober 2004 zugegangen. Mit der Eingabe
vom 3. November 2004 ist die 30-tägige Frist gemäss Art. 141 Abs. 1 lit. a, b
und c OG eingehalten. Soweit der Gesuchsteller sein Revisionsgesuch mit
seinen Eingaben vom 9. und 12. Dezember 2004 ergänzt, ist wenigstens der
90-tägigen Frist gemäss Art. 141 Abs. 1 lit. b und c OG Rechnung getragen
worden.

2.
2.1 Nicht eingetreten kann auf die Eingaben des Gesuchstellers, soweit er
darin über weite Strecken einfach das bundesgerichtliche Urteil bzw. das
obergerichtliche Urteil kritisiert, ohne in verständlicher Weise zu
erläutern, inwiefern ein Revisionsgrund gegeben sein soll. Das ist namentlich
der Fall bezüglich der Ausführungen zur Berücksichtigung der tatsächlichen
Unterhaltskosten der Liegenschaft. Insbesondere ist die Kritik des
Gesuchstellers an der Amtsführung der Referentin des Obergerichts des Kantons
Aargau untauglich und namentlich die Beanstandung ihrer Verfügung vom 19. Mai
2004 nicht zu beachten, mit der ein Gesuch um Zutritt in die eheliche Wohnung
zwecks angeblicher Behändigung erforderlicher Beweise für den Nachweis der
tatsächlichen Liegenschaftskosten abgewiesen wurde. Die Referentin trat auf
das Gesuch um Erlass einer entsprechenden vorsorglichen Massnahme nicht ein,
weil der Zutritt zur Liegenschaft nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens
bilde. Der Beschwerdeführer legt nicht substanziiert dar, dass er diese
Verfügung selbstständig vor Bundesgericht angefochten hat; überdies bildete
sie auch nicht Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde 5P.315/2004 und
war deshalb vom Bundesgericht nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit zu
überprüfen. Im Revisionsverfahren kann es nicht darum gehen, Versäumtes
nachzuholen. Nicht einzutreten ist auf das Gesuch ferner, soweit der
Gesuchsteller das Verhalten der Gesuchsgegnerin bzw. ihres Anwalts im
kantonalen bzw. im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren beanstandet.

2.2 Sodann wird der Revisionsgrund gemäss Art. 137 lit. a OG nicht
substanziiert dargetan, d.h. es wird nicht rechtsgenügend erläutert,
inwiefern in einem Strafverfahren nachgewiesen worden ist, dass durch ein
Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil des Gesuchstellers auf das
bundesgerichtliche Urteil eingewirkt worden ist. Ferner wird kein Beweis für
ein Verbrechen oder Vergehen zu Lasten des Gesuchstellers vorgebracht.

2.3 Der Revisionsgrund gemäss Art. 137 lit. b OG gegen ein Urteil betreffend
eine staatsrechtliche Beschwerde ist im konkreten Fall nicht gegeben, zumal
hier keine neuen Tatsachen bezüglich der Zulässigkeit der staatsrechtlichen
Beschwerde in Frage stehen und das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 14.
September 2004 auch keine eigenen tatsächlichen Feststellungen getroffen hat,
welche allenfalls zu diesem Revisionsgrund Anlass geben könnten (siehe zum
Ganzen: Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation
judiciaire, Band V N. 2.1 zu Art. 137 OG). Bereits aus diesem Grund ist
insoweit auf das Revisionsbegehren nicht einzutreten.

Abgesehen davon ist die als Beilage zur Ergänzung der Revision beigebrachte
Erfolgsrechnung bezüglich Aufwand und Ertrag der Liegenschaft - soweit
ersichtlich - nicht durch einen neutralen Dritten, z.B. ein Treuhandbüro,
erstellt worden, und es ergibt sich daraus auch nicht, dass sie auf ihre
Richtigkeit überprüft worden wäre. Als Parteibehauptung stellt sie somit auch
kein neues Beweismittel im Sinne von Art. 137 lit. b OG dar. Zudem hatte der
Gesuchsteller bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Eheschutzverfahrens
seine Einnahmen und Ausgaben zu belegen. Soweit er nunmehr aus dem Abschluss
per Ende 2003 oder aus der Steuerveranlagung per 2002 eine neue erhebliche
Tatsache der ungenügenden Einnahmen bzw. der angeblich weit höheren
tatsächlichen Auslagen ableiten will, ist darauf ebenfalls nicht einzutreten.
Der Gesuchsteller hätte im Rahmen der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen
Entscheid den Zutritt zur Wohnung verlangen können, was er nicht getan hat.
Zudem hat er gegen den abschlägigen Entscheid der Referentin des Obergerichts
keine staatsrechtliche Beschwerde ergriffen. Zu all dem war er indes
verpflichtet, um so mehr als er die angeblich ungenügenden Einnahmen bzw. die
den pauschalen Ansatz übersteigenden effektiven Auslagen glaubhaft zu machen
hatte. Er hat es sich mithin selbst zuzuschreiben, die entsprechenden, heute
als neu vorgebrachten Tatsachen nicht bereits im kantonalen Verfahren
beigebracht zu haben, weshalb insoweit der Revisionsgrund des Art. 137 lit. b
OG ebenfalls nicht rechtsgenüglich vorgetragen worden ist. Darauf ist nicht
einzutreten.

2.4 Ferner ist auch nicht dargetan, inwiefern der Revisionsgrund von Art.
139a OG erfüllt sein könnte, liegt doch kein Urteil des Gerichtshofs für
Menschenrechte vor. Nicht rechtsgenügend vorgebracht ist schliesslich der
Revisionsgrund von Art. 136 lit. c OG, zumal sich aus der Formulierung des
Gesuchstellers nicht ergibt, inwiefern das Bundesgericht Anträge nicht
beurteilt haben soll. Insoweit ist demnach auf das Revisionsgesuch nicht
einzutreten.

3.
Der Gesuchsteller macht ferner als Revisionsgrund im Sinne von Art. 136 lit.
d OG geltend, das Obergericht des Kantons Aargau habe bei der Bestimmung der
Existenzminima der Parteien die neuen AHV-Beiträge der Parteien von je Fr.
156.05 pro Monat, sowie im persönlichen Existenzminimum des Gesuchstellers
die Betriebsrechtsschutzversicherung Mieter Music-Bar bei der
Winterthur-Versicherung von monatlich Fr. 32.10, die
Privatrechtsschutzversicherung "Touring-Club" und die
Prämienhaftpflichtversicherung "Die Mobiliar" von total Fr. 86.85 monatlich
trotz entsprechender mit der Eingabe vom 20. Mai 2004 eingereichter Belege
nicht berücksichtigt. Er habe diesen Mangel vor Bundesgericht in seiner
staatsrechtlichen Beschwerde gerügt, doch sei das Bundesgericht auf diese
Tatsachen - aus Versehen - nicht eingegangen.

3.1 Gestützt auf Art. 136 lit. d OG ist die Revision des bundesgerichtlichen
Urteils zulässig, wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen
nicht berücksichtigt hat. Unter Tatsachen im Sinne dieser Bestimmung fallen
auch solche, die den Prozessstoff betreffen, wie etwa Vorbringen,
Bestreitungen, Rechtsbegehren oder Beweisofferten der Parteien
(Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation
judiciaire, Band V, N. 5.1 zu Art. 136). Der Begriff des Versehens entspricht
jenem gemäss Art. 63 Abs. 2 OG. Danach liegt ein offensichtliches Versehen
vor, wenn die Vorinstanz eine bestimmte Aktenstelle übersehen oder unrichtig,
d.h. nicht in ihrer wahren Gestalt, insbesondere nicht mit ihrem wirklichen
Wortlaut wahrgenommen hat (BGE 104 II 68 E. 3b; 113 II 522 E. 4b; 115 II 399
E. 2).

3.2 Das Bundesgericht hat sich in seinem Entscheid über die staatsrechtliche
Beschwerde in der Tat aus Versehen zu den - mit den Ausführungen zu einer
anderen Beanstandung vermischten - Vorbringen des Beschwerdeführers nicht
geäussert und hat damit erhebliche Tatsachen im Sinne von Art. 136 lit. d OG
nicht berücksichtigt. Das Revisionsgesuch ist insoweit gutzuheissen und das
Urteil des Bundesgerichts 5P.315/2004 vom 14. September 2004 aufzuheben;
damit gilt es, in der Sache neu zu entscheiden (Art. 144 Abs. 1 OG).

4.
Das Obergericht hat sich über die durch entsprechende Belege substanziierten
Vorbringen des Beschwerdeführers ausgeschwiegen. Und es ist auch kein
sachlicher Grund ersichtlich, weshalb die geltend gemachten zusätzlichen
Auslagen - insbesondere angesichts des im summarischen Verfahren geltenden
Untersuchungsgrundsatzes - im Existenzminimum des Beschwerdeführers bzw.
beider Parteien nicht berücksichtigt worden sind. Entgegen der Auffassung der
Gesuchsgegnerin sind diese Beträge nicht im Grundbetrag enthalten und kann
aufgrund der bekannten Umstände nicht ausgeschlossen werden, dass diese
Ausgaben in das Existenzminimum des Beschwerdeführers bzw. der Parteien
aufgenommen werden müssen; insbesondere ist zur Zeit noch nicht abgeklärt, ob
die entsprechenden Verträge kurzfristig gekündigt werden können (vgl. dazu:
BGE 114 II 393 E. 4c; Bräm, Zürcher Kommentar, N. 118A zu Art. 163 ZGB, S.
130 5.1). Hat das Obergericht ohne Begründung bzw. ohne erkennbaren
sachlichen Grund die belegten Auslagen nicht aufgenommen, erweist sich das
obergerichtliche Urteil insoweit als willkürlich (BGE 111 Ia 161 E. 1a S.
163; 113 Ib 307 E. 2a S. 311) bzw. verletzt es den Anspruch des
Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Den Ausführungen
entsprechend ist daher die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen, soweit
darauf einzutreten ist; das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 5.
Zivilkammer, vom 22. Juni 2004 ist mit Bezug auf die dem Beschwerdeführer
auferlegten Unterhaltsverpflichtungen sowie die Kosten- und
Entschädigungsregelung aufzuheben.

5.
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos.

6.
Die Gerichtsgebühr des Verfahrens der staatsrechtlichen Beschwerde
5P.315/2004 wird ausgangsgemäss der unterliegenden Beschwerdegegnerin
auferlegt (Art. 156 Abs. 1 OG). Für das Revisionsverfahren wird keine
Gerichtsgebühr erhoben. Der Beschwerdeführer/Gesuchsteller hat sich weder im
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde noch in der Revision anwaltlich
vertreten lassen und hat ausserdem keine besonderen Auslagen nachgewiesen,
die eine Entschädigung rechtfertigten. Ihm ist folglich weder für das
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde noch für die Revision eine
Entschädigung zuzusprechen (BGE 113 Ib 353 E. 6b S. 357).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Revisionsgesuch wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das
Urteil des Bundesgerichts 5P.315/2004 vom 14. September 2004 wird aufgehoben.
In der Sache wird wie folgt neu entschieden.

1.1 Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf
einzutreten ist. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 5.
Zivilkammer, vom 22. Juni 2004 wird mit Bezug auf die dem Beschwerdeführer
auferlegten Unterhaltsverpflichtungen sowie die Kosten- und
Entschädigungsregelung aufgehoben.

1.2 Die Gerichtsgebühr von Fr. 2‘000.-- wird der Beschwerdegegnerin
auferlegt.

1.3 Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

2.
Für das Revisionsverfahren wird weder eine Gerichtsgebühr erhoben noch eine
Parteientschädigung zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 5.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Dezember 2004

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: