Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.370/2004
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5P.370/2004 /bnm

Urteil vom 5. Januar 2005
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher,
Gerichtsschreiberin Scholl.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Heinz-Peter Kühnis,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Bolt,
Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichter im Familienrecht, Klosterhof 1, 9001
St. Gallen.

Art. 8 und 9 BV (Eheschutz),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St.
Gallen, Einzelrichter im Familienrecht, vom 26. August 2004.

Sachverhalt:

A.
Y. ________ (Ehefrau) und X.________ (Ehemann) heirateten im Jahr 1995. Aus
ihrer Ehe stammen die beiden gemeinsamen Kinder S.________ und T.________,
beide geb. 1996. Y.________ brachte zudem zwei weitere Kinder in die Ehe mit:
U.________, geb. 1985, und V.________, geb. 1990. Im Juli 2002 trennten sich
die Ehegatten, die vier Kinder wohnen seither bei ihrer Mutter.

B.
Mit Entscheid vom 18. Mai 2004 regelte der Präsident am Kreisgericht Rheintal
das Getrenntleben der Ehegatten. Er verpflichtete X.________ unter anderem
zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen an seine Ehefrau und an die beiden
gemeinsamen Kinder S.________ und T.________. Nachdem Y.________ gegen diesen
Entscheid Rekurs erhoben hatte, legte das Kantonsgericht St. Gallen am 26.
August 2004 die Unterhaltspflicht von X.________ neu fest: Es verpflichtete
ihn unter anderem zur Leistung von monatlichen Unterhaltsbeiträgen an
Y.________ von Fr. 2'447.-- für den Zeitraum von Dezember 2002 bis Februar
2004. Darin enthalten ist ein Betrag von Fr. 1'688.-- für die beiden
Stiefkinder U.________ und V.________. Weiter verpflichtete das
Kantonsgericht X.________, sämtliche Steuerschulden des Jahres 2002 und der
Vorjahre zu bezahlen. In den übrigen Punkten bestätigte es den
vorinstanzlichen Entscheid. Die Unterhaltspflicht für die gemeinsamen Kinder
war im kantonsgerichtlichen Verfahren nicht mehr strittig.

C.
X.________ gelangt mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Er
verlangt im Wesentlichen die Aufhebung des Entscheids vom 26. August 2004 in
Bezug auf die Unterhaltspflicht sowie im Kosten- und Entschädigungspunkt.
Strittig sind die an Y.________ sowie die Stiefkinder U.________ und
V.________ von Dezember 2002 bis Februar 2004 zu leistenden Beiträge.

Ein Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung hat der Präsident der II.
Zivilabteilung mit Verfügung vom 20. Oktober 2004 abgewiesen. Die
Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der
Beschwerde. Das Kantonsgericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Entscheide oberer kantonaler Instanzen im Eheschutzverfahren gelten nicht als
Endentscheide im Sinne von Art. 48 Abs. 1 OG und sind daher nicht mit
Berufung anfechtbar. Damit ist in einem solchen Fall einzig die
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte
gegeben (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG; BGE 127 III 474 E. 2 S. 476 ff.). Die
vorliegende Beschwerde erweist sich in dieser Hinsicht als zulässig.

2.
Der Beschwerdeführer stellt zunächst die angewandte Methode zur
Bedarfsberechnung in Frage. Das Kantonsgericht hat sämtliche Kinder aus der
Bedarfsberechnung der Ehegatten ausgeklammert, da deren Unterhalt durch die
zugesprochenen Unterhaltsbeiträge, die Kinderrenten und Kinderzulagen sowie
die Alimentenbevorschussung und den Lehrlingslohn des ältesten Kindes
ausreichend gedeckt sei.

Der Beschwerdeführer wirft dem Kantonsgericht vor, Elemente von abstrakter
und konkreter Berechnungsmethode gemischt zu haben, so dass ein willkürliches
Ergebnis resultiere. Auf Grund der komplexen Verhältnisse dränge sich im
vorliegenden Fall eine Berechnung nach der konkreten Methode auf. Die
kantonsgerichtliche Feststellung, der Bedarf der Kinder sei gedeckt, erweise
sich als Untertreibung: Zusammengerechnet würden die genannten "Einkünfte"
pro Kind Fr. 1'368.-- ausmachen, was deutlich über dem Barbedarf gemäss den
Zürcher Tabellen liege.

2.1 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Unterhaltsbeiträge an die beiden
gemeinsamen Kinder der Parteien im Rekursverfahren nicht mehr strittig
gewesen sind. Gemäss Angaben des Beschwerdeführers hat der
Kreisgerichtspräsident deren Unterhalt nach der Prozentregel bemessen. Der
Beschwerdeführer hat den erstinstanzlichen Entscheid nicht angefochten und
damit insbesondere weder die Berechnungsmethode noch die Höhe dieser
Unterhaltsbeiträge im kantonsgerichtlichen Verfahren in Frage gestellt.
Soweit der Beschwerdeführer daher in seiner Beschwerde geltend macht, (auch)
der Bedarf der gemeinsamen Kinder sei zu hoch bemessen und für ihre
Unterhaltsbeiträge eine andere Berechnungsweise verlangt, ist dieses
Vorbringen neu, so dass darauf nicht eingetreten werden kann (BGE 118 Ia 20
E. 5a S. 26; 129 I 49 E. 3 S. 57).

2.2 Der vom Beschwerdeführer an seine Stiefkinder zu leistende Betrag besteht
einzig in einer "Weitergabe" der von ihm bezogenen AHV-Kinderrenten. Das
Kantonsgericht hat erwogen, die Kinderrenten seien zweckgebunden und müssten
ausschliesslich für den Unterhalt und die Erziehung des Kindes verwendet
werden. Eine (zivilrechtliche) Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers für
seine Stiefkinder hat es dagegen nicht angenommen. Da die Zahlungspflicht des
Beschwerdeführers damit auf der Zweckbindung der AHV-Kinderrenten beruht
(vgl. auch E. 3 nachfolgend) und nicht vom Bedarf der Stiefkinder abhängig
ist, erweist sich die Methode des Kantonsgerichts - diese vollständig aus der
Bedarfsberechnung der Ehegatten auszuklammern - als haltbar. Die
staatsrechtliche Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.

3.
Der Beschwerdeführer wendet sich weiter gegen die Verpflichtung, die zwischen
Dezember 2002 und Februar 2004 für die beiden Stiefkinder bezogenen
AHV-Kinderrenten diesen zufliessen zu lassen. Er führt aus, er habe diese
Beträge zur Tilgung von Schulden der Familie (insbesondere Steuerausstände)
verwendet, es sei daher willkürlich, ihn allein unter Berufung auf den Zweck
der Renten zu einer vollständigen Nachzahlung zu verpflichten. Auf die
besondere Schuldensituation sei Rücksicht zu nehmen. Auch gemäss dem hier
analog anwendbaren Art. 285 Abs. 2 ZGB seien Ausnahmen vom Grundsatz der
zusätzlichen Bezahlung von Sozialversicherungsrenten möglich.

Es ist fraglich, ob Art. 285 Abs. 2 ZGB im vorliegenden Fall anwendbar ist,
da der Beschwerdeführer - abgesehen von der Weiterleitung der
AHV-Kinderrenten - an die beiden Stiefkinder keine Unterhaltsbeiträge leisten
muss. Das Kantonsgericht hat die Weiterleitungspflicht denn auch allein mit
dem Zweck der Kinderrenten begründet (vgl. E. 2.2 vorangehend). Dass die
AHV-Kinderrenten ausschliesslich für den Unterhalt und die Erziehung des
Kindes zu verwenden sind (vgl. zur IV-Kinderrente: BGE 129 V 362 E. 3.2 S.
364), bestreitet auch der Beschwerdeführer im Grundsatz nicht. Mit Blick auf
diesen Bestimmungszweck erscheint es nicht als willkürlich, wenn das
Kantonsgericht den Beschwerdeführer verpflichtet hat, die Renten den
Stiefkindern zukommen zu lassen, ohne dabei auf die Schuldensituation der
Familie Rücksicht zu nehmen (zu den Steuerschulden vgl. auch E. 5.1
nachfolgend). Damit erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde insoweit als
unbegründet.

4.
Weiter kritisiert der Beschwerdeführer die Bedarfsberechnung der
Beschwerdegegnerin in Bezug auf die ihr zugestandenen monatlichen Wohnkosten
von Fr. 800.--. Er macht geltend, der für die Kinder ausgeschiedene Anteil am
Mietzins von insgesamt Fr. 550.-- sei zu tief. Nach den Zürcher Tabellen
müssten für die vier Kinder insgesamt ein Anteil von Fr. 1'120.-- (2 x Fr.
290.-- und 2 x Fr. 270.--) abgezogen werden, so dass die der
Beschwerdegegnerin anzurechnenden Wohnkosten noch Fr. 230.-- im Monat
betragen würden.

Das Kantonsgericht hat die Wohnkosten der Kinder nicht nach den Zürcher
Tabellen berechnet. Vielmehr hat es den angemessenen Mietzinsanteil der
Kinder geschätzt und sich dabei insbesondere vom Gleichbehandlungsgrundsatz
leiten lassen, indem es der Beschwerdegegnerin die gleichhohen Wohnkosten wie
dem Beschwerdeführer zugestanden hat.

Die direkte Übernahme der Unterkunftskosten gemäss Zürcher Tabellen als
Wohnkostenanteil der Kinder - ohne Berücksichtigung des effektiven Mietzinses
- trägt den konkreten Verhältnissen nicht ausreichend Rechnung. Dies zeigt
bereits das Berechnungsbeispiel des Beschwerdeführers, bei dem der
Wohnkostenanteil der Beschwerdegegnerin tiefer ausfallen würde als derjenige
für ein einzelnes Kind. Je nach Höhe der Wohnkosten und Anzahl Kinder könnte
diese Berechnungsweise sogar dazu führen, dass auf den obhutsberechtigen
Elternteil überhaupt kein Anteil der Wohnkosten mehr entfällt. In der
Literatur wird der Anteil der Kinder denn auch als Prozentsatz der bezahlten
Wohnkosten berechnet (Cyril Hegnauer, Berner Kommentar, N. 37 zu Art. 285
ZGB; Peter Breitschmid, Basler Kommentar, N. 15 zu Art. 285 ZGB;
Guglielmoni/Trezzini, Die Bemessung des Unterhaltsbeitrages für unmündige
Kinder in der Scheidung, AJP 1993 S. 7). Im vorliegenden Fall hat das
Kantonsgericht rund 40 % des Mietzinses für die Kinder ausgeschieden. Für
vier Kinder erscheint dieser Anteil zwar eher tief; angesichts der Absicht
des Kantonsgerichts, den Ehegatten die gleichhohen Wohnkosten zuzugestehen
und des eher geringen Betrages erweist sich der angefochtene Entscheid im
Ergebnis aber nicht als geradezu willkürlich.

5.
Schliesslich wendet sich der Beschwerdeführer auch gegen die Berechnung
seines eigenen Bedarfs. Strittig ist dabei die Berücksichtigung von
Steuerschulden und von Amortisationen der Hypothekarschulden.

5.1 Der Beschwerdeführer rügt zunächst, dass die Steuerschulden der Jahre
1997 bis 2001 bei seiner Bedarfsberechnung nicht berücksichtigt worden seien.

Bereits der Kreisgerichtspräsident hatte dem Beschwerdeführer für die
Begleichung der Steuerschulden des Jahres 2002 einen Betrag von Fr. 1'550.--
an den monatlichen Bedarf angerechnet. Bezüglich bestehender Rückstände aus
den Jahren 1997 bis 2001 hat er festgehalten, der Beschwerdeführer habe diese
im Jahr 2003 mittels Vermögensveräusserung beglichen. Im Rekursverfahren vor
Kantonsgericht hatte die Beschwerdegegnerin verlangt, die Steuerraten von Fr.
1'550.-- für das Jahr 2002 aus dem Bedarf des Beschwerdeführers zu streichen.
Das Kantonsgericht hat insoweit den Rekurs der Beschwerdegegnerin abgewiesen
und dem Beschwerdeführer den Betrag zur Tilgung der Steuerschulden 2002 im
Bedarf belassen. Die Anrechnung von Raten für die Tilgung älterer
Steuerschulden ist im kantonsgerichtlichen Verfahren dagegen nicht strittig
gewesen. Damit erweist sich die vorliegende Rüge als neu, so dass darauf
nicht eingetreten werden kann (BGE 118 Ia 20 E. 5a S. 26; 129 I 49 E. 3 S.
57).

5.2 Bezüglich der strittigen Amortisationen hat das Kantonsgericht erwogen,
bei selbstbewohntem Eigentum würden Amortisationszahlungen von
Grundpfandschulden nicht als Wohnaufwand berücksichtigt, da die
Amortisationen die Bildung von Vermögen bewirke. Gleiches müsse für
vermietete Liegenschaften gelten, zumal die Parteien unter dem Güterstand der
Gütertrennung leben und die Liegenschaften zum Eigengut des Beschwerdeführers
gehören würden. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der
Beschwerdeführer zur Amortisation verpflichtet sei. Nicht nachvollziehbar sei
die Begründung des Kreisgerichtspräsidenten, die gewerblich genutzten
Liegenschaften seien einem laufenden Wertverlust ausgesetzt und die
Amortisation gleiche zum überwiegenden Teil diesen aus; aus dem vom
Beschwerdeführer eingereichten Schreiben der Gläubigerbank ergebe sich
jedenfalls nichts derartiges.

Der Beschwerdeführer verlangt, die Amortisationszahlungen auf den
Geschäftsliegenschaften seien an seinen Bedarf anzurechnen. Er behauptet, die
Amortisationen würden lediglich den laufenden Wertverlust der Liegenschaften
ausgleichen, so dass sie nicht zu einer Vermögensbildung führen würden. Indes
weist er nicht nach, inwiefern das Kantonsgericht bezüglich der Würdigung des
genannten Schreibens der Gläubigerbank in Willkür verfallen sein soll. Er
behauptet zwar, das Kantonsgericht müsse im Eheschutzverfahren den
Sachverhalt von Amtes wegen abklären, ohne aber substantiiert die Verletzung
einer konkreten Bestimmung der anwendbaren Zivilprozessordnung darzulegen. Im
Übrigen gehen die Ausführungen des Beschwerdeführers in diesem Punkt über
appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht hinaus, so dass
darauf nicht eingetreten werden kann (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 110 Ia 1
E. 2a S. 3; 125 I 492 E. 1b S. 495; 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.).

6.
Die staatsrechtliche Beschwerde richtet sich formell auch gegen die Verlegung
der kantonalen Gerichts- und Parteikosten. Da der Beschwerdeführer
diesbezüglich keine eigenständigen Rügen erhebt, erübrigen sich indes
Ausführungen dazu. Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird
der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und
Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen,
Einzelrichter im Familienrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Januar 2005

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: