Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.340/2004
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5P.340/2004 /rov

Urteil vom 27. Oktober 2004
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Möckli.

Z. ________ Stiftung,
Beklagte und Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Brunner und Rechtsanwältin Dr. Verena
Morscher,

gegen

1.Y.________,
2.X.________,
Kläger und Beschwerdegegner,
beide vertreten durch Rechtsanwältin Daniela Lutz,
Obergericht des Kantons Schaffhausen, Postfach 568, 8201 Schaffhausen.

Art. 9 + 29 BV (Widerspruchsklage),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Schaffhausen vom

30. Juli 2004.

Sachverhalt:

A.
Mit Vertrag vom 3. November 1971 schenkte W.________ seinen Kindern
Y.________ und X.________ eine Liegenschaft in Düsseldorf. Später behielt er
sich einen Niessbrauch an einem Bruchteil von drei Fünfteln und eine Reallast
zur Sicherung einer Rente für seine nachmalige Ehefrau V.________ vor. Am 18.
Juni 1986 verkaufte W.________ die Liegenschaft im Namen und mit Vollmacht
seiner Kinder für DM 9,8 Mio. Davon erhielt Y.________ DM 2 Mio., während mit
X.________ keine Einigung über die Auszahlung derselben Summe zustande kam.
In der Folge verklagten Y.________ und X.________ ihren Vater auf Bezahlung
des restlichen Verkaufserlöses von DM 7,8 Mio., und zwar DM 2 Mio. für
X.________ und DM 5,8 Mio. gemeinsam. Das Landgericht Konstanz hiess die
Klage mit Urteil vom 29. September 1999 gut. Auf Berufung von W.________
kürzte das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Urteil vom 10. August 2000 den
gemeinsam zugesprochenen Betrag auf DM 3'745'640.--.
In der Zwischenzeit war am 30. November 1994 die Z.________ Stiftung mit Sitz
in Liechtenstein gegründet worden. Von der Gründung bis 12. September 2003
war W.________ einzelzeichnungsberechtigter Präsident des Stiftungsrats.

B.
Auf Begehren von Y.________ und X.________ belegte das Kantonsgericht
Schaffhausen mit Befehl vom 25. Oktober 2001 die auf W.________ und die
Z.________ Stiftung lautenden Konti und Depots bei der Bank S.________ im
Betrag von Fr. 5'853'847.-- mit Arrest, der mit Betreibungsbegehren vom 7.
November 2001 prosequiert wurde. Am 8. November 2001 erhob die Z.________
Stiftung beim Kantonsgericht Einsprache gegen den Arrestbefehl, und am 9.
November 2001 zeigte das Betreibungsamt Schaffhausen den Gläubigern die
Drittansprache der Z.________ Stiftung an.
Darauf erhoben Y.________ und X.________ am 30. November 2001
Widerspruchsklage, mit der sie die Aberkennung der Eigentumsansprache der
Z.________ Stiftung verlangten. Mit Urteilen vom 16. Juni 2003 bzw. 30. Juli
2004 hiessen sowohl das Kantonsgericht Schaffhausen als auch das Obergericht
des Kantons Schaffhausen die Widerspruchsklage gut.

C.
Gegen das Urteil des Obergerichts hat die Z.________ Stiftung am 25. Juni
2004 mit weitestgehend identischer Begründung Berufung (5C.188/2004),
Nichtigkeitsbeschwerde (5C.189/2004) und staatsrechtliche Beschwerde
(5P.340/2004) eingereicht. Mit Letzterer verlangt sie die Aufhebung des
angefochtenen Urteils. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. Mit
Entscheid heutigen Datums ist die Berufung abgewiesen worden, soweit auf sie
eingetreten werden konnte.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Rüge, es sei schweizerisches statt liechtensteinisches Recht angewandt
worden, kann mit Berufung vorgebracht werden (Art. 43a Abs. 1 lit. a OG), zu
der die staatsrechtliche Beschwerde im Verhältnis absoluter Subsidiarität
steht (Art. 84 Abs. 2 OG). Insoweit ist auf die Beschwerde von vornherein
nicht einzutreten.

2.
Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit
möglich, belegte Rügen (BGE 125 I 71 E. 1c S. 76; 129 I 185 E. 1.6 S. 189).
Wird die Verletzung des Willkürverbots gerügt, reicht es nicht aus, die
Rechtslage aus Sicht des Beschwerdeführers darzulegen und den davon
abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen; vielmehr
ist im Einzelnen darzulegen, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich
entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid deshalb an einem
qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 117 Ia 10 E. 4b S. 11
f.).
Die eingereichte Beschwerde vermag diesen Begründungsanforderungen
grösstenteils nicht zu genügen. Dies gilt insbesondere für die Behauptung,
das liechtensteinische Recht sei zu wenig abgeklärt worden; mit dem blossen
Vorwurf, das Obergericht habe kaum Entscheide und Literatur zum
liechtensteinischen Recht zitiert und die anwendbare Methodik ausser Acht
gelassen, lässt sich keine Willkür in der Rechtsanwendung dartun. Sodann
setzt sich die Beschwerdeführerin mit den vorinstanzlichen Argumenten,
weshalb von einer missbräuchlichen Verwendung der Stiftung durch W.________
auszugehen sei, nicht in der für Willkürrügen erforderlichen Form
auseinander. Die Ausführungen des Obergerichts zum zeitlichen Ablauf
(Auseinandersetzungen mit den Kindern, dadurch veranlasste Heirat mit
V.________, Klage der Kinder in Deutschland, Stiftungsgründung, Untertauchen
von W.________ in Ungarn oder anderswo, Vollstreckungsbemühungen der Kinder)
werden übergangen, und ebenso wird die zitierte Aussage von W.________
ausgeblendet, schon zu Lebzeiten seines Vaters habe er sein Ideenpotential
eingesetzt, um Ressourcen zu erhalten und steuerverträglich weiterzugeben,
jetzt habe sich angeboten, dieses Potential in anderer Richtung einzusetzen,
man möge sich mit blühender Phantasie das facettenreiche Ergebnis vorstellen.
Die Vorbringen zur Missbrauchsabsicht beschränken sich im Wesentlichen auf
den Vorwurf, das Obergericht habe sich in verschiedener Hinsicht von
Mutmassungen leiten lassen und die gezogenen Folgerungen seien schleierhaft;
darauf ist mangels genügender Substanziierung nicht einzutreten (Art. 90 Abs.
1 lit. b OG).
Appellatorische Kritik, die im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde
unzulässig ist (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495), stellen die Ausführungen zur
Gemeinnützigkeit der Stiftung, die sich nicht nur im statutarischen Zweck,
sondern auch in den Ausschüttungen manifestiere, sowie die Behauptung dar, es
bestünden keine Anhaltspunkte für eine langjährige Hintertreibung der
klägerischen Ansprüche durch W.________; bei diesen Vorbringen geht die
Beschwerdeführerin nicht über eine Schilderung ihrer eigenen Sicht hinaus.
Appellatorisch ist auch das sinngemässe Vorbringen, W.________ habe nur einen
Bruchteil seines dreistelligen Millionenvermögens in die Stiftung
eingebracht. Die Beklagte hält selbst fest, er habe dieses bislang geschickt
der klägerischen Zwangsvollstreckung entzogen, und sie zeigt weder auf,
inwiefern das Obergericht vor diesem Hintergrund willkürlich entschieden
haben soll, noch setzt sie sich mit der Erwägung auseinander, bei den in die
Stiftung eingebrachten Vermögenswerten handle es sich um diejenigen aus dem
Verkauf der Liegenschaft in Düsseldorf.

3.
Offensichtlich falsch ist die Behauptung und sinngemässe Willkürrüge, das
Obergericht sei mit Bezug auf den Durchgriff, schweizerischer Lehre folgend,
von einem objektiven Ansatz ausgegangen und habe nicht beachtet, dass nach
liechtensteinischer Rechtsprechung stets auch die (subjektive)
Missbrauchsabsicht erforderlich sei. Das Obergericht hat auf S. 7 seines
Entscheides die massgebliche liechtensteinische Rechtsprechung zitiert und
dabei ausdrücklich festgehalten, dass eine tatsächliche Missbrauchsabsicht
erforderlich sei. Aufgrund der sich anschliessenden Erwägungen und nachdem es
ab S. 22 (E. 8) explizit geprüft hatte, ob die Stiftung in missbräuchlicher
Absicht gegründet worden sei, ist das Obergericht auf S. 27 ff., insbesondere
S. 30, zum Schluss gekommen, dass W.________ die Stiftung in erster Linie
errichtet habe, um die Durchsetzung der klägerischen Ansprüche zu vereiteln
und für sich selbst oder ihm nahegebliebene Angehörige Vermögen zu erhalten,
womit sich die Stiftungsgründung zum überwiegenden Teil als Scheingeschäft
erweise, dem in wesentlichem Mass eine Missbrauchsabsicht zugrunde liege.
Ebenso wenig ist Willkür darzutun mit Zitaten aus der liechtensteinischen
Rechtsprechung, wonach die für den Durchgriff notwendige Beherrschung der
Stiftung über Stiftungsräte erfolgen kann, die durch einen Mandatsvertrag
weisungsgebunden sind. Das Obergericht hat ausgeführt, dass W.________ im
relevanten Zeitraum zusammen mit seiner Frau V.________ und seiner Schwägerin
T.________ über eine gesicherte Mehrheit im Stiftungsrat - und damit über die
von der liechtensteinischen Rechtsprechung geforderte unmittelbare
Einflussnahme - verfügte.
Unzutreffend ist auch die Behauptung der Beschwerdeführerin, als
gemeinnützige Stiftung unterstehe sie gemäss Art. 564 des liechtensteinischen
Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR) der Aufsicht der Regierung. Aufgrund
des Ausnahmekataloges von Art. 564 Abs. 1 PRG unterstehen die allerwenigsten
liechtensteinischen Stiftungen der staatlichen Aufsicht (Lampert/Taisch,
Stiftungen im liechtensteinischen Recht, in: Stiftungsrecht in Europa, Köln
2001, S. 531), was in ihrer Rechtsprechung auch die liechtensteinische
Verwaltungsrechtspflegeinstanz festhält (vgl. Entscheid vom 18. März 1998, E.
8, in: LES 1999, S. 30). Nach dem erwähnten Katalog sind insbesondere auch
solche Stiftungen von der Aufsicht ausgenommen, als deren Genussberechtigte
bestimmte oder bestimmbare natürliche oder juristische Personen bezeichnet
sind. Die Vorinstanz ist demnach nicht in Willkür verfallen, wenn sie davon
ausgegangen ist, dass die Beschwerdeführerin nicht der staatlichen Aufsicht
unterstehe, umso weniger als die Beschwerdeführerin dies in Art. 5 Abs. 5
ihrer Statuten - mit Blick auf die Möglichkeit der freiwilligen Unterstellung
gemäss Art. 564 Abs. 2 PGR - selbst so deklariert.
Entsprechend stösst auch die Rüge ins Leere, das Obergericht sei willkürlich
davon ausgegangen, die Statuten könnten nicht ohne behördliche Genehmigung
geändert werden. Gleiches gilt für die Behauptung, das Obergericht habe
willkürlich angenommen, Beistatuten bedürften keiner behördlichen
Genehmigung; umso weniger kann in diesem Zusammenhang Willkür vorliegen, als
Beistatuten rein interne Verfügungen darstellen und weder
hinterlegungspflichtig noch öffentlich sind (Wagner, Aufsichtsgremien im
Gesellschaftsrecht, Leipzig 1998, S. 255 Fn. 117; Keicher, Die
privatrechtliche Stiftung im liechtensteinischen Recht, Diss. Zürich 1975, S.
37). Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht willkürlich, wenn das
Obergericht zusammenfassend festgehalten hat, W.________ könne jederzeit eine
Statutenänderung herbeiführen oder vom Vorbehalt in Art. 14 der Statuten
Gebrauch machen und Beistatuten erlassen.

4.
Zum Vorbringen, mit dem Rücktritt von V.________ und T.________ sei die
Dominanz von W.________ im Stiftungsrat weggefallen, hat das Obergericht
erwogen, dass es sich um eine neue und damit gemäss Art. 177 Abs. 1 ZPO/SH
grundsätzlich unzulässige Tatsachenbehauptung handle. Desgleichen hat es
festgehalten, das Gesuch der Stiftung um Steuerbefreiung in Liechtenstein sei
erst nach dem erstinstanzlichen Entscheid gestellt worden und deshalb als
neue Tatsachenbehauptung gemäss Art. 349 Abs. 2 i.V.m. Art. 177 Abs. 1 ZPO/SH
ebenfalls unzulässig. Die Beschwerdeführerin rügt in diesem Zusammenhang eine
Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Der Umfang des rechtlichen Gehörs wird zunächst durch die kantonalen
Verfahrensvorschriften umschrieben, deren Auslegung und Anwendung das
Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der Willkür prüft; wo sich dieser
Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 29 Abs.
2 BV folgenden bundesrechtlichen Minimalgarantien Platz (BGE 118 Ia 17 E. 1b
S. 18; 126 I 19 E. 2a S. 21 f.).
Gemäss § 177 Abs. 1 ZPO/SH sind Bestreitungen und Einreden grundsätzlich nur
bis zum Schluss der letzten mündlichen oder schriftlichen Vorbringen in der
(erstinstanzlichen) Hauptverhandlung zulässig, und im Rechtsmittelverfahren
stehen neue Behauptungen gemäss Art. 349 Abs. 2 ZPO/SH ebenfalls unter dem
Vorbehalt von § 177 ZPO/SH. Damit verwirklicht die Zivilprozessordnung des
Kantons Schaffhausen - wie in unterschiedlicher Ausgestaltung die meisten
kantonalen Prozessordnungen - die Eventualmaxime, welche die Parteien im
Namen der Verfahrensbeschleunigung und der Prozessökonomie zwingt, alle
Tatsachen und Beweismittel bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorzubringen
(vgl. Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1979, S.
181 ff.; Kummer, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl., Bern 1984, S. 82
f.).
Solche Vorschriften des kantonalen Prozessrechts halten vor der
Bundesverfassung stand. Insbesondere lässt sich aus Art. 29 Abs. 2 BV kein
Recht ableiten, bis zu einem beliebigen Zeitpunkt neue Tatsachenbehauptungen
zu erheben und Beweismittel nachzureichen; der Anspruch auf rechtliches Gehör
verpflichtet die Gerichte nur zur Entgegennahme und Prüfung rechtzeitig und
formrichtig vorgebrachter Tatsachen und Beweismittel (vgl. BGE 124 I 241 E. 2
S. 242; 127 I 54 E. 2b S. 56). Die Rüge der Beschwerdeführerin ist somit
unbegründet.

5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen
ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Die Gerichtsgebühr ist somit der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Der Gegenpartei ist
kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten
werden kann.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 15'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Oktober 2004

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: